Immobilienmarkt : Die große Leerstands-Täuschung

Leerstand unter der Lupe: Es fehlt überwiegend empirische Evidenz zu Leerstandszahlen.

Leerstand unter der Lupe: Es fehlt überwiegend empirische Evidenz zu Leerstandszahlen.

- © Anastasiia - stock.adobe.com

Rund 230.000 Wohnungen sollen laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Umwelt-NGO Greenpeace in Österreich leer stehen. Dies ergibt sich aus einem Abgleich der Wohnungs- und Meldedaten der Statistik Austria mit diversen Leerstandsstudien in den Bundesländern.

Doch die Zahl ist eine reine Modellberechnung, die Datenlage dahinter gestaltet sich äußert fragmentarisch, schwer vergleichbar und ungenau. Dennoch ging die Zahl von 230.000 leerstehenden Wohnungen durch zahlreiche Medien. Die Politik, allen voran Teile der ÖVP sowie GRÜNE und SPÖ, sieht sich mit ihren Forderungen nach höheren Leerstandsabgaben im Recht.

Das gewerkschafts-nahe Momentum Institut sieht allein in Wien 100.000 Wohnungen leer stehen und fordert: „Wer nicht wohnen will, soll zahlen“. Auch die Wiener Grünen halten Leerstand für „Wohnungsraub“. Wie man aber mit einer solch fragwürdigen Datenlage Politik machen kann, fragen sich kopfschüttelnd immer mehr Expertinnen und Experten aus der Immobilien- und Bauwirtschaft. In der Praxis erweisen sich Leerstandszahlen kaum als haltbar.

Nie mehr die wichtigsten lokalen Nachrichten aus dem Süden Österreichs aus Wirtschaft und Politik verpassen. Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter: Hier geht’s zur Anmeldung!

Die 2021 durchgeführte Wohnbaustudie in Graz konnte Grundannahmen zum Leerstand nicht bestätigen und schlägt keine Leerstandsabgabe, sondern Mobilisierungsanreize vor.

- © photo 5000 - stock.adobe.com

Wachsende Bevölkerung verlangt nach Wohnraum

In den letzten 30 Jahren ist die Bevölkerung in Österreich insgesamt stark gewachsen. 1990 lebten noch 7,7 Millionen Menschen im Land. 2023 sind es bereits über neun Millionen. Ein Zuwachs von 1,3 Millionen. Der Wohnbau ist aber lange nicht entsprechend mitgewachsen. Erst in den letzten 15 Jahren hat die Bautätigkeit in Österreich wieder einen enormen Sprung gemacht. Man spricht von Nachholeffekten.

Kritisiert wird in diesem Zusammenhang auch immer der hohe Bodenverbrauch in Österreich. Allerdings bedeutet ein Anstieg der Wohnfläche nicht automatisch einen Anstieg neu errichteter Gebäude bzw. verbauter Fläche im selben Ausmaß, wie folgende Daten der Statistik Austria zeigen: Abgesehen von den Boomjahren 2006 bis 2008 liegt die Zahl der neu fertiggestellten Wohngebäude in Österreich seit 2005 relativ gleichbleibend zwischen rund 17.000 und 19.000 Einheiten pro Jahr.

Bei den fertiggestellten Wohneinheiten stieg die Anzahl 2006 und 2022 aber deutlich um über 70 Prozent an, von rund 45.000 auf rund 77.000 Einheiten. D.h. es wurden pro Gebäude mehr Einheiten gebaut, was dem Trend zur Verdichtung mit höheren Gebäuden entspricht und eigentlich bereits Ergebnis einer effizienteren Bodennutzung ist.

Eigentumsrechte werden auf Basis einer sehr ungesicherten Datenlage leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

Der Leerstands-Mythos

Aufgrund des rasanten Zuwachses an Wohneinheiten wird unterstellt, dass man in Österreich die Übersicht über die genaue Anzahl verfügbarer Wohnungen verloren habe. Die Erfassung von Wohneinheiten in zentralen Datenbanken hinkt hinterher. Laut Statistik Austria gibt es rund 650.000 Wohnimmobilien ohne Haupt- oder Nebenwohnsitzmeldung. Das ist aber auch schon die einzig verlässliche Zahl zum Thema Leerstand. Vermutet werden immer wieder hohe Leerstände aus Spekulationsgründen im Neubau.

Eine Studie der AK-Wien von 2022 ergab etwa, dass in Wien der Leerstand im Neubau im Mittel bei 15 Prozent und daher relativ hoch sei. Allerdings wurden hier nur Meldedaten abgeglichen. Zwar wurden die sehr genauen Daten der Baudatenbank der Firma Exploreal herangezogen, allerdings nicht durch hinreichende Ausschlusskriterien, die einen Leerstand rechtfertigen, bereinigt. So sagt das Fehlen einer Haupt- oder Nebenwohnsitzmeldung wenig darüber aus, ob eine Wohneinheit genutzt wird oder nicht und ob legitime Ausschlussgründe vorliegen.

Zwischen drei bis fünf Prozent beträgt der Leerstand im Schnitt in Österreich, wobei es starke Unterschiede zwischen den Regionen gibt. Hochrechnungen für ein ganzes Bundesland machen aber wenig Sinn. Tourismusgebiete etwa verzeichnen einen wesentlich höheren Anteil an Freizeit- und Nebenwohnsitzen. Ebenso ist der Leerstand in Abwanderungsgemeinden logischerweise höher. Um den Bodenverbrauch sowie Wohnpreise einzubremsen, wird aber unisono oft die Forderung nach Leerstandsabgaben erhoben.

Die Evidenz, was mit einer solchen Abgabe erreicht werden kann, ist ebenso dünn, wie die Datenlage zum Leerstand selbst. Hinsichtlich seiner Wirksamkeit auf den Bodenverbrauch gibt es keine belastbaren Zahlen, nur Hypothesen und Annahmen. Verwiesen wird gerne auf eine Studie aus Frankreich, wo die Leerstandsabgabe vor 20 Jahren eingeführt wurde und zu einem Rückgang von rund 13 Prozent bei leerstehenden Wohnungen geführt habe. Doch auch diese Studie arbeitet mit fragwürdigen und kaum zu vergleichenden Daten, weil dynamische Entwicklungen am Immobilienmarkt unterschiedlicher Regionen kaum berücksichtigt wurden.

Laut gewerkschafts-nahem Momentum Institut stehen in Wien bis zu 100.000 Wohnungen leer. Das wird allein aus der Tatsache geschlussfolgert, dass keine Meldung vorliegt. „Wer nicht wohnen will, soll zahlen“, so die Forderung des Momentum Instituts. Eine seriöse Datenlage dazu gibt es bislang nicht.

- © Tryfonov - stock.adobe.com

60 Prozent Fehlerquote

In den letzten Jahren wurden mehrere Studien zum Thema Leerstand in Österreich durchgeführt. Etwa in Vorarlberg, Salzburg, Wien und Graz. Alle Studien stützen sich auf Annahmen und Hypothesen und versuchen anhand dieser, eine Leerstandsquote zu berechnen. Ein Abgleich des Wohnungsregisters mit dem zentralen Melderegister sowie mit dem Stromverbrauch ist die gängigste Methode, mit der meistens versucht wird, Leerstand festzustellen.

Diese Parameter sagen aber in der Praxis wenig darüber aus, ob ein Objekt genutzt wird oder nicht. Überprüfungen vor Ort finden aus Kostengrunden nur ereinzelt statt. D.h. es fehlt überwiegend empirische Evidenz zu Leerstandszahlen. Tendenziell wird Leerstand von der Politik stark überschätzt, wie das Beispiel Graz zeigt. Im Wahlkampf 2021 wurde von manchen Parteien kolportiert, dass bis zu 38.000 Wohnungen in Graz leerstehend sind. Die Grazer Wohnbaustudie von 2021 hat schließlich gezeigt, dass der tatsächliche Leerstand sich zwischen zwei bis drei Prozent „im marktüblichen Rahmen“ bewegt. Das entspräche etwa 3.000 Wohneinheiten.

Auch im Zuge dieser Studie ging man von einem viel höherem Leerstandspotenzial aus, wie eine Erhebung speziell im Neubau, vermuten ließ, wobei wiederum Meldedaten, Stromverbrauch und Wohnungsregister herangezogen wurden. Ein Lokalaugenschein ergab allerdings, dass nur in rund 39 Prozent der Fälle, in denen Leerstand vermutet wurde, dies tatsächlich zutraf. Mit anderen Worten: Die Methode hatte eine 60-prozentige Fehlerquote. Wenn die Empirie die Theorie derart widerlegt, muss man schlussfolgern, dass Grundannahmen zum Wohnungsleerstand übertrieben bzw. schlichtweg falsch sind.

Die Problematik beginnt bereits bei der Definition, was Leerstand eigentlich ist. Hier legen unterschiedliche Studien teilweise völlig auseinandergehende Kriterien fest. Eine Unterscheidung zwischen konjunkturellem, strukturellem und spekulativem Leerstand wird oft nicht gemacht. Wie lange eine Wohnung leer steht, ist aber wesentlich. Hier gehen aber die zeitlichen Definitionen völlig auseinander. Von zwei Monaten bis zwei Jahren ist alles dabei. Eine bundeseinheitliche Definition, ab wann man von Leerstand sprechen sollte, ist daher einmal eine Grundvoraussetzung, um Rechtssicherheit zu schaffen. In Wien gingen die Schätzungen von Leerstand je nach Definition ebenfalls von 30.000 bis 100.000 Wohnungen weit auseinander.

Wenn die Empirie die Theorie derart widerlegt, muss man schlussfolgern, dass Grundannahmen schlichtweg falsch sind.

Eine Liste voller Ausnahmen

Es gibt eine Vielzahl von Nutzungsarten für ein Wohnobjekt, die über die reine Verwendung als Hauptwohnsitz hinausgehen. Ebenso viele Gründe gibt es für einen vermeintlichen Leerstand. Generell gilt, dass Wohnungen widmungsgemäß genutzt werden sollen. Liegt etwa eine Widmung als reines Wohnobjekt vor, so sind strenggenommen andere Verwendungszwecke unzulässig und können abgestraft werden. Zahlreiche Wohneinheiten werden aber als Praxis für Ärzte, Therapeuten sowie als Büro oder Betreuungseinrichtung genutzt.

Diese Nutzungsarten sind anhand des Melderegisters oft nicht ersichtlich. Sind diese aber damit gleichsam illegitim? Eine Nutzungsdurchmischung ist grundsätzlich wünschenswert und Ausdruck einer wohnortnahen Versorgung mit zahlreichen Dienstleistungen. Verbauung und Bodenverbrauch kann jedenfalls nicht damit vermieden werden, wenn auf eine rigide Einhaltung der Nutzungsart geachtet wird. Wären Büros und Arztpraxen in Wohngebäuden vollkommen unzulässig, würde der Bedarf an Gewerbe- und Büroimmobilien schlagartig explodieren. Ob die Politik dieses Fass aufmachen will, darf bezweifelt werden. Die Liste der Ausnahmen ist enorm umfassend, wenn man Eigentumsrechte nicht beschneiden will. Zwar ist Wohnraumschaffung eine Aufgabe des Staates, allerdings ist es weitgehend Privatsache, wie dieser genutzt wird.

Zudem gibt es viele Nutzungsmöglichkeiten, bei denen oft keine Haupt- oder Nebenwohnsitzmeldung erfolgt, wie in der Leerstandsstudie aus Salzburg von 2015 nachzulesen ist. Typisch dafür ist etwa die Verwendung als Studentenwohnung. Studierende belassen nicht selten ihren Hauptwohnsitz beim Elternhaus und mieten eine Wohnung am Studienort.

Auch Berufspendler nehmen sich gerne eine kleine Wohnung am Arbeitsort in der Stadt, etwa um darin nur tageweise nächtigen zu können, wohnen aber mit ihren Familien am Hauptwohnsitz am Land. Nicht selten sind Personen aus beruflichen Gründen oft im Ausland, haben aber eine Hauptwohnsitzmeldung in Österreich. Diese Nutzungsart rigide abzudrehen, wäre eine massive Verschlechterung für zahlreiche Berufstätige. Auch die klassische Vorsorgewohnung für die Enkel hat ihre Berechtigung. Am häufigsten wird von einer Vermietung abgesehen, weil in absehbarer Zeit Eigenbedarf besteht.

Wie man mit einer solch fragwürdigen Datenlage Politik machen kann, fragen sich immer mehr Expertinnen und Experten.

Leerstand hat Gründe

Kommt es tatsächlich einmal zu einem Leerstand, so ist dieser meistens mit strukturellen oder konjunkturellen Gründen erklärbar. Etwa, wenn aufgrund der Marktlage gerade keine Mieter gefunden werden können oder wenn Sanierungsarbeiten notwendig wären, um adäquat vermieten zu können. Auf den Neubau trifft Letzteres naturgemäß weniger zu, im Altbau umso mehr.

Ein überwiegender Großteil des Leerstandes im Altbestand (vor allem Gebäude, die vor 1950 errichtet wurden) benötigt umfassende Sanierung oder sogar Assanierung (Abriss und Neubau), um dem Markt wieder zugeführt werden zu können, wie Branchenvertreter gegenüber den Wirtschaftsnachrichten auf Nachfrage berichten. Um diesen Leerstand zu mobilisieren, braucht es attraktive Sanierungsförderungen und Finanzierungen. Strenge Mietgesetze verzögern umfassende Sanierungen hingegen oft um Jahre.

Um etwa ein älteres Zinshaus generalsanieren zu können, muss man es zuerst mietfrei stellen. Dafür alle Mietverträge aufzulösen, kann oft mehrere Jahre, in manchen Fällen sogar fünf bis zehn Jahre dauern. In dieser Zeit wird der Leerstand in einem Haus logischerweise immer größer, weil Neuvermietung eine Generalsanierung wiederum verzögern würde. Viel zu oft fehlt den Eigentümern aber auch das Kapital, um sanieren oder assanieren zu können. Eine Leerstandsabgabe käme in solchen Fällen einem Zwangsverkauf gleich.

Der Immobilienmarkt in Salzburg gilt als teuer. Touristische Nutzungen von Wohnungen sind nicht selten. Dennoch konnte in einer Studie von 2015 kein signifikanter Leerstand im Neubau festgestellt werden. Die Gründe für Leerstand waren vielfältig.

- © Andrew Mayovskyy - stock.adobe.c

Mythos Spekulationsobjekt

Im Neubau nicht zu vermieten ist hingegen kein Geschäftsmodell und werde daher selbst bei Anlegerwohnungen und Co. längerfristig nicht passieren. Das so genannte „Spekulationsobjekt“ sei daher mehr ein allgemein verbreitetes Missverständnis, versichern mehrere namhafte Immobilienunternehmen gegenüber den Wirtschafsnachrichten. Immobilieninvestitionen haben demnach eine klare Renditeerwartung pro Jahr. Diese Rendite werde mit Mieteinnahmen generiert.

Selbst wenn man, wie bei manchen Anlegermodellen oder Fonds üblich, nur Anteile an einer Wohnung erwirbt, werde diese dennoch immer von der Immobilienverwaltung einer Vermietung zugeführt. Anders seien Renditen in der Regel nicht zu erwirtschaften, heißt es weitgehend einstimmig aus der Bau- und Immobilienbranche. „Bei sehr dynamischen Marktlagen kann jedoch ein Objekt innerhalb kurzer Zeit mehrfach den Besitzer wechseln“, erklärt ein Immobilieninvestor gegenüber den Wirtschaftsnachrichten. „In diesem Fall kann man von spekulativen Gründen sprechen, mit einer Vermietung zuzuwarten, wenn ein zeitnaher Weiterverkauf kurzfristige Gewinne bringt. Da die Immobilienertragssteuer in solchen Fällen allerdings sehr hoch sein kann und steuerliche Vorteile verloren gehen, rechnet sich das nur sehr selten.“

Wirklicher Leerstand sei das aber nicht, weil es sich um marktaktive Objekte handelt, die von einer Leerstandsabgabe nicht erfasst wären. Die Studie der Arbeiterkammer Wien von 2022 kommt ebenfalls zum Ergebnis, dass Besetzungsgrade in Neubauten im mehrjährigen Schnitt zwischen 80 und 90 Prozent üblich sind. Die Wirtschaftsnachrichten konnten zudem im Zuge der Recherche zu diesem Artikel in die Auslastungszahlen einiger großer Immobilienunternehmen Einblick nehmen. Auslastungen von über 90 Prozent sind aktuell die Regel, weil sich das Angebot am Markt durch fehlende Neuprojektierung konsolidiert, wie es vonseiten der Eigentümer heißt. Auffallend ist, dass bei einer „marktüblichen“ Fluktuation selten dieselben Wohneinheiten pro Wohngebäude leer stehen. Warum vermutet die Politik also ausgerechnet ein Leerstands-Problem im Neubau? Stecken vielleicht ideologische Standpunkte dahinter?

Leerstandsabgabe: Eine Lösung für „kein“ Problem?

Was die Politik also genau mit einer Abgabe auf Leerstand erreichen will, bleibt völlig erratisch und widersprüchlich. Einerseits soll sie mehr leistbaren Wohnraum auf den Markt bringen, andererseits den Bodenverbrauch eindämmen und Spekulation mit Wohnraum unterbinden. Wie das alles mit einer einzigen Maßnahme korrelieren soll, beantwortet die Datenlage bislang nicht. Leerstandserhebungen, um endlich genau Bescheid zu wissen, wer wie, wo und warum wohnt, werden zur politischen Dauerforderung. Macht man dann genaue Erhebungen, die den Anfangsverdacht nicht erhärten, muss eben noch genauer nachgeschaut werden, bis der vermeintlich ideologische Standpunkt bestätigt wird, so die Logik mancher Politikerinnen und Politiker. Eigentumsrechte werden auf Basis einer sehr ungesicherten Datenlage dabei leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

Diese sind schließlich ein besonders geschütztes Recht. Sich rigide auf eine Nutzung als Hauptwohnsitz zu versteifen, ist eventuell ein zu konservatives Konzept. Die Lebensrealitäten haben sich in den letzten Jahrzehnten vervielfältigt. Menschen nutzen heute mehrere Wohnorte, leben in Patch-Work-Familien oder in hybriden Wohngemeinschaften, ziehen häufiger um, leben tendenziell auch häufiger für einige Jahre im Ausland, nutzen saisonale Wohnsitze und leben im Alter anders als in jungen Jahren.

Zudem ist Wohnraum eine legitime und beliebte Vorsorgeform geworden, die vor Armut im Alter schützt. Dass sich all diese Entwicklungen nie innerhalb weniger Jahre in Studien fassen und erklären lassen, sollte bewusst sein. Politische Ideologisierungen ohne gesicherte Datenlage bringen daher kaum Lösungen in Fragen der Wohnbaupolitik. Ob mit einer Leerstandsagabe mehr leistbarer Wohnraum auf den Markt kommt oder weniger Boden verbaut wird, muss als pauschale Annahme gewertet werden. Negative Folgen können sein, dass noch weniger Wohnraum auf den Markt kommt, weil potenzielle Investoren abgeschreckt werden. Ein Extrembeispiel dafür ist die kanadische Stadt Vancouver, die sehr rigide „Empty Home Taxes“ hat. Der eklatante Wohnungsmangel konnte damit aber nicht beseitigt werden, die Wohnkosten sind weiter gestiegen und die hohen bürokratischen Anforderungen führen immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Die öffentlichen Kosten übersteigen nahezu immer die Einnahmen. In der kanadischen Stadt Toronto spricht man inzwischen von einem „bureaucratic nightmare“. Der Großteil der Steuerverwaltung werde dafür aufgewendet, Menschen zu Unrecht zu bestrafen und dann das Chaos zu beseitigen, wie die National Post im April dieses Jahres berichtete.

Gesichert ist, dass immer noch kommunaler oder gemeinnütziger Wohnbau in ausreichendem Ausmaß bzw. generell ein ausreichendes Marktangebot für niedrigere Wohnpreise sorgen und verdichtetes Bauen den Bodenverbrauch einbremst. Und so sieht das auch Martin Prunbauer vom Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB): „Steuern schaffen keinen neuen Wohnraum.“ Ebenso schlägt auch die Grazer Wohnbaustudie von 2021 letztendlich eine Leerstandsabgabe nur als Ultima Ratio vor. Anreize und Mobilisierungsmodelle seien vorzuziehen. Darin heißt es: „Leerstandsabgabe nur, wenn der Nutzen eindeutig den Aufwand übersteigt“, ansonsten sei es besser sich auf Mobilisierungsmaßnahmen zu konzentrieren. Wann aber der Nutzen den Aufwand übersteigt, ist eine weitere ungeklärte Frage. Bei einem dauerhaften Leerstand von fünf Prozent solle man über eine Abgabe diskutieren. In Graz liegt dieser aber laut selbiger Studie bei zwei bis drei Prozent. Trotzdem fordert die Politik eine Leerstandsabgabe als Lösung für ein Problem, das eigentlich offenbar gar keines ist.