Bürokratie Österreich : Bürokratie in der Gastronomie: Wie sie das Gasthaussterben in Österreich bewirkt
Inhalt
- Die absurdesten Praxisbeispiele aus der Gastro-Bürokratie – #1
- Bürokratieabbau gefordert
- Die absurdesten Praxisbeispiele aus der Gastro-Bürokratie – #2
- Wirt oder Sachbearbeiter?
- Die absurdesten Praxisbeispiele aus der Gastro-Bürokratie – #3
- Bürokratie hat viele Gesichter
- Zehn Prozent der Arbeitszeit für Verwaltung, Forderungen an die Politik
- Lösungsvorschläge gegen Dokumentationswahnsinn
- Stillstand auch beim Kärntner Tourismus
- Bürokratieabbau als Schlüssel zum Wachstum
- Zukunftsperspektiven für Kärntens Tourismus

Gäste zu bewirten, Genuss und Gastlichkeit zu bieten und als Unternehmer eigenverantwortlich zu handeln, tritt in den Hintergrund.
- © bondvitGastronomie- und Hotelleriebetriebe zählen in zahlreichen kleinen ländlichen Gemeinden in der Steiermark und in Kärnten zu den wichtigsten Arbeitgebern. Mancherorts sorgen sie für bis zu 60 Prozent des Kommunalsteueraufkommens.
Der Tourismus ist ohne die Gastro und Hotellerie in beiden Bundesländern kaum vorstellbar. Doch immer häufiger sperren Gastrobetriebe zu. Meistens liegt der Grund nicht im Ausbleiben der Gäste, sondern in ausufernder Bürokratie.
Darauf machen nun die Branchenverbände der Wirtschaftskammer Steiermark aufmerksam. Die aktuelle Situation sei teilweise absurd.
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Ein zentrales Problem liegt in der ineffizienten Organisation des Kärntner Tourismus. V. l.: Wolfgang Kuttnig, Spartengeschäftsführer Tourismus und Freizeitwirtschaft Josef Petritsch, WK-Spartenobmann Tourismus und Freizeitwirtschaft und Stefan Sternad, WK-Fachgruppenobmann Gastronomie
- © WKK | Helge BauerDie absurdesten Praxisbeispiele aus der Gastro-Bürokratie – #1
Ein Gastronomiebetrieb erhielt eine Verwaltungsstrafe von 600 Euro, weil der Arbeitgeber nicht schriftlich nachweisen konnte, dass der Mitarbeiter über die Gefahren der Nutzung einer Leiter unterwiesen wurde. Der Vorfall ereignete sich, als der Mitarbeiter bei der Reinigung von Fenstern im Gastgarten von der Leiter fiel. Obwohl der Arbeitgeber seiner allgemeinen Fürsorgepflicht nachgekommen war, führte das Fehlen eines expliziten schriftlichen Nachweises zur Strafzahlung – ein unverhältnismäßiges Beispiel für die Belastung durch bürokratische Anforderungen.

Bürokratieabbau gefordert
Wer einen Griller fix auf seiner Terrasse aufstellen will, braucht ein teures Emissionsgutachten. Wer Mitarbeiter nicht bis ins kleinste Detail schriftlich unterweist, riskiert hohe Strafen.
"Wirtinnen und Wirte stehen unter Generalverdacht, ihrer Verantwortung nicht nachzukommen. Es braucht weniger Misstrauen und mehr unternehmerische Freiheit in der steirischen Gastronomie und Hotellerie. Wenn die steirische Wirtshauskultur bestehen soll, muss die Politik jetzt handeln", bringt Johann Spreitzhofer, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WK-Steiermark, die Situation auf den Punkt.
Die absurdesten Praxisbeispiele aus der Gastro-Bürokratie – #2
Ein Gastronomiebetrieb plante, die Batterien der Brandmeldeanlage durch langlebige Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien zu ersetzen, um die Lebensdauer der Batterien von 3 auf 10 Jahre zu verlängern. Obwohl der Einsatz dieser nachhaltigen Technologie erlaubt ist, schreibt die Technische Richtlinie für vorbeugenden Brandschutz (TRVB) dennoch vor, die Batterien alle drei Jahre auszutauschen – unabhängig von ihrer tatsächlichen Haltbarkeit.

Wirt oder Sachbearbeiter?
Die ausufernde Bürokratie führt dazu, dass vor allem kleinere Gastrobetriebe immer mehr Zeit für "Papierkram" aufwenden müssen.
Gäste zu bewirten, Genuss und Gastlichkeit zu bieten und als Unternehmer eigenverantwortlich zu handeln, tritt in den Hintergrund. Statt sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren, werden Wirtinnen und Wirte mit Misstrauen betrachtet und stehen unter Generalverdacht.
Das sei auch ein Hauptgrund, warum sich für Traditionsbetriebe oft keine Nachfolger mehr finden. Junge Unternehmerinnen und Unternehmer scheuen den großen Verwaltungsaufwand, betont auch Johann Spreitzhofer.
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Die absurdesten Praxisbeispiele aus der Gastro-Bürokratie – #3
Ein Gastronomiebetrieb plante, auf der Terrasse einen stationären Griller einzurichten, um den Gästen am Abend ein besonderes Grillerlebnis bieten zu können. Während der Betrieb einen mobilen Griller problemlos hätte einsetzen können, hätte der stationäre Aufbau ein gewerberechtliches Verfahren erforderlich gemacht. Dazu wären ein Emissionsgutachten sowie die Einladung aller Nachbarn im Umkreis notwendig gewesen. Aufgrund dieses unverhältnismäßigen Aufwands wurde das Projekt letztlich aufgegeben.

Bürokratie hat viele Gesichter
Unzählige Aufzeichnungen und Nachweise in den Bereichen Lebensmittelhygiene, Arbeitssicherheit, Steuervorschriften, Betriebsanlagen und Abfallwirtschaft werden verlangt - oft ohne erkennbaren Mehrwert.
Nicht eine einzelne Vorschrift, sondern die wachsende Zahl bürokratischer Pflichten lähmt die Betriebe. Obwohl die Politik seit Jahren einen Bürokratieabbau verspricht, nimmt die Zahl der Vorschriften weiter zu.
Die finanzielle Belastung durch zusätzliche Personalkosten, externe Beratungsleistungen oder Softwarelösungen trifft vor allem kleine und mittlere Betriebe besonders hart.
Zehn Prozent der Arbeitszeit für Verwaltung, Forderungen an die Politik
Eine Studie der KMU Forschung Austria zeigt: Fast zehn Prozent der Personalkapazitäten im Gastronomiebereich werden für bürokratische Verpflichtungen aufgewendet.
Konkret bedeutet das: In einem Betrieb mit fünf Mitarbeitern ist eine Halbtagskraft ausschließlich mit Verwaltungstätigkeiten beschäftigt - anstatt sich um die Gäste zu kümmern.
Wenn die steirische Wirtshauskultur weiterhin bestehen bleiben soll, dann muss jetzt gehandelt werden.
Vonseiten der Wirtschaftskammer wird ein Vorwarnsystem gefordert: Betriebe sollen bei Verfehlungen zuerst beraten werden, bevor Strafen verhängt werden.
"Betriebe werden erst informiert, was verbessert werden muss, und erst dann wird gestraft", konkretisiert Gastronomie-Obmann Klaus Friedl.
Lösungsvorschläge gegen Dokumentationswahnsinn
Strafen sind das eine, lange Wartezeiten bei Genehmigungen das andere. Gastronomen reichen ihre Unterlagen fristgerecht ein, warten aber oft monatelang auf eine Rückmeldung der Behörden.
Hier soll die "Rote Karte" helfen: "Wenn eine Entscheidung nicht innerhalb einer klar definierten Frist getroffen wird, gilt das Projekt automatisch als genehmigt", erklärt Alfred Grabner, Hotellerieobmann der WK-Steiermark.
Ein Beispiel: Ein Wirt wartete über ein Jahr auf die Genehmigung seiner Wärmepumpe – das sei schlicht unzumutbar.
Um zeitnahe Entlastungen zu schaffen, hat die Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft gemeinsam mit Gastronominnen und Gastronomen einen Katalog mit Lösungsvorschlägen erarbeitet.
Von Dokumentationsvorgaben über Hygienerichtlinien bis hin zu einer Sofort-Hilfe im "Bürokratienotfall" reichen die Vorschläge, die der Politik präsentiert werden sollen.
"Der Kampf gegen die Bürokratie in der Gastronomie ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Aber wir Wirte haben zum Glück einen langen Atem", so Spartenobmann Hans Spreitzhofer.
Stillstand auch beim Kärntner Tourismus
Während 2024 andere Regionen wie die Steiermark oder Oberösterreich neue Nächtigungsrekorde verzeichnen konnten, bewegt sich in Kärnten seit Jahren kaum noch etwas. Im Vorjahr verbuchte das Bundesland 13,14 Millionen Nächtigungen, in den besten Zeiten waren es um knapp sechs Millionen mehr (Statistik Austria 1980: 18,98 Millionen).
Spartenobmann Josef Petritsch der WK-Kärnten sieht darin einen klaren Handlungsauftrag: „Unsere Betriebe brauchen Rahmenbedingungen, die Wachstum ermöglichen – und keine, die sie bremsen. Wir fordern eine konsequente Reform, die Strukturen entschlackt, Abläufe vereinfacht und den Tourismus für die Zukunft rüstet.“
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Bürokratieabbau als Schlüssel zum Wachstum
Auch in Kärnten wird die ausufernde Bürokratie als größtes Wachstumshemmnis ausgemacht. Gastronomie und Hotellerie leiden besonders unter langwierigen Verfahren und immer neuen Auflagen.
Stefan Sternad, Obmann der Fachgruppe Gastronomie der WK-Kärnten, fordert daher ebenfalls ein entschlossenes Vorgehen gegen unnötige Regulierungen: „Unsere Betriebe investieren viel Energie in ihre Gäste und ihr Angebot – aber mindestens genauso viel Zeit in die Bewältigung bürokratischer Hürden. Von überlangen Genehmigungsverfahren bis hin zu überzogenen Hygiene- und Brandschutzvorschriften – hier braucht es ein Umdenken. Kärnten muss endlich unternehmerfreundlicher werden!“
Neben der Bürokratie kritisiert Sternad auch das Steuer- und Abgabensystem, das Gastronomie und Hotellerie stark belastet. Gleichzeitig fordert er eine bessere Positionierung Kärntens als kulinarische Top-Destination.
„Die Alpen-Adria-Küche ist ein Alleinstellungsmerkmal, das viel stärker genutzt werden muss. Kulinarik zieht Gäste an, sorgt für Wertschöpfung und stärkt das Image Kärntens. Hier liegt noch viel Potenzial", so Sternad.
Zukunftsperspektiven für Kärntens Tourismus
Die Wirtschaftskammer Kärnten sieht die Tourismusbranche an einem kritischen Punkt: Entweder gelingt jetzt der große Wurf mit mutigen Reformen – oder Kärnten wird weiter an Bedeutung verlieren.
Das Büro von Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig sieht ebenfalls die Notwendigkeit für Reformen. Die Vorschläge der Wirtschaftskammer Kärnten werden positiv bewertet, eine umfassende Neustrukturierung biete Chancen für die Zukunft des Kärntner Tourismus.
Petritsch dazu abschließend: „Die Weichen müssen jetzt gestellt werden. Unsere Betriebe sind bereit, aber sie brauchen die richtigen Rahmenbedingungen, um erfolgreich zu sein.“
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