Immobilienprognose Österreich : Steuert Österreich auf eine Wohnungsnot zu?

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Österreich steht vor der schwersten Krise am Wohnbau- und Wohnsanierungsmarkt mit gravierenden Auswirkungen auf viele Unternehmen und tausende Arbeitsplätze.

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In den kommenden Jahren wird Wohnraum knapp werden. Die aktuelle Situation ist geprägt durch stark gestiegene Bodenpreise, hohe Baupreise und gestiegene Kapitalmarktzinsen, Diese bringen die österreichische Bauwirtschaft zum Erliegen.

„Die Baugenehmigungen sind stark zurückgegangen. Dazu kommt, dass viele genehmigte Bauprojekte ,on-hold‘ sind oder vorerst nicht begonnen werden sollen“, sagt Andreas Köttl, Präsident der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE).

Der Rückgang der Neubauleistung beträgt heuer rund zehn Prozent, ab 2025 werden die Fertigstellungszahlen bundesweit um bis zu 80 Prozent einbrechen, ist im 1. Österreichischen Neubaubericht, der die Fertigstellungszahlen von Neubauimmobilien in Österreich erhebt und prognostiziert, nachzulesen.

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Laut Statistik Austria wurden 2019 vor Corona noch rund 85.000 Baugenehmigungen erteilt, für 2023 war ein Rückgang auf nur mehr rund 47.000 Genehmigungen zu beobachten. Beim gemeinnützigen Wohnbau lag man 2023 mit 14.900 fertiggestellten Wohnungen um zehn Prozent unter dem Zehn-Jahres-Schnitt.

Häufig wird die Vorlaufzeit von Projekten unterschätzt. „Jede Wohnung, die heute nicht geplant wird, wird uns in drei bis fünf Jahren fehlen. Wesentlich für unser Arbeiten sind die Beschleunigung von Verfahren, eine Reduktion von Bürokratie und die Attraktivierung von klimagerechtem Bauen und Sanieren“, so Köttl.

„Die aktuelle Prognose des WIFO für 2024 geht von einem realen Rückgang der Wohnbauinvestitionen um 5,8 Prozent aus. Sie sind auf dem niedrigsten Stand der letzten fünf Jahre,“ warnt Peter Krammer, Obmann Fachverband der Bauindustrie. „Auch das 2,2 Milliarden Euro umfassende ‚Wohn- und Baupaket‘ der Bundesregierung hat bisher nur marginale Verbesserungen bei der Kreditvergabe bewirkt. Auf den Baustellen – da, wo es primär wirken sollte – ist es nicht angekommen.“

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Baubewilligte Wohnungen 2010 bis 2023

Quelle: Statistik Austria

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Preise im Neubau werden anziehen

Für Michael Pisecky, Obmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Wien (WKW), wird das künftig deutlich verknappte Angebot zu massiven Preissteigerungen im Neubaubereich führen.

„Vielen ist nicht bewusst, dass damit die Preise auch ordentlich anziehen werden. Schon jetzt steht der Immobilienmarkt in vielen Segmenten still, beispielsweise bei unsanierten Wohnungen und Einfamilienhäusern in schlechten Lagen. Wer auf sinkende Neubaupreise hofft, liegt jedenfalls falsch. Hier wird es in Zukunft noch weiter nach oben gehen“.

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KIM-Verordnung führt in die Krise

„Die Kreditvergaberichtlinie, die sogenannte KIM-Verordnung, greift massiv in den Immobilienmarkt ein“, weiß Johannes Wild, vom Immobilien-Fachverband in Niederösterreich. „In Wahrheit führen die Auswirkungen der KIM-Verordnung in die Krise“, legt er nach.

„Es kaufen nur jene, die keinen Kredit brauchen. Das obere, teuerste Marktsegment wird weiter funktionieren. Im unsanierten Bereich sinken die Preise zwar leicht, aber es wird nicht gekauft. Von der Notariatskammer wissen wir, dass Teuerung und hohe Zinsen in den letzten Jahren nicht zu mehr Notverkäufen oder Zwangsversteigerungen geführt haben. Die KIM-Verordnung verhindert aber derzeit, dass reguläre Notverkäufe zügig abgewickelt werden können.”

  • „Viele Unternehmen stellen den Bau ein oder verschieben Projekte auf einen späteren Zeitpunkt, was den Immobilienmarkt auf den Kopf stellt“, so Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
    Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich

    „Viele Unternehmen stellen den Bau ein oder verschieben Projekte auf einen späteren Zeitpunkt, was den Immobilienmarkt auf den Kopf stellt."

Durch KIM dreht Markt in Richtung Miete

„Weil immer weniger Menschen einen Kredit für den Kauf bekommen, steigt die Nachfrage nach Mietobjekten. Die Zahl der privaten Immobilienangebote in den sozialen Medien explodiert. Die Folge: Weit überhöhte Mieten, rechtswidrige Befristungen und Betrug sind keine Seltenheit”, meint Fachverbandsobmann-Stellvertreter Michael Pisecky.

„Unser Land steht vor der schwersten Krise am Wohnbau- und Wohnsanierungsmarkt mit gravierenden Auswirkungen auf viele Unternehmen und zigtausende Arbeitsplätze. Der sofortige Stopp der KIM-Verordnung wäre zumindest ein positiver Anfang“, ist Fachverbandsobmann Gerald Gollenz überzeugt.

Baukrise gefährdet Arbeitsplätze

„Mit über 300.000 Beschäftigten in der Bauwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen ist diese Situation für einen der wichtigsten Konjunkturbereiche mehr als nur alarmierend. Es geht hier um tausende Betroffene und ihre Familien, die ihre Arbeitsplätze verlieren und deren Existenz gefährdet ist“, fordert Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender Gewerkschaft BAU-HOLZ Maßnahmen ein.

„Mittlerweile haben wir allein am Bau knapp 10.000 gemeldete Arbeitnehmer bei der BUAK (Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse) weniger als im Vorjahr (142.031 zu 132.349) und die Tendenz der Beschäftigtenzahlen zeigt leider weiter deutlich nach unten.“

Wir brauchen eine neue Perspektive für neue Strukturen. Was hilft es, wenn die Bundespolitik Geld bereitstellt, dieses aber nicht auf unseren Baustellen ankommt? Das zugesagte Geld muss vom ‚Papier in Wien‘ so schnell wie möglich auf den Baustellen in ganz Österreich ankommen – sowohl in der Sanierung als auch im bedarfsorientierten Wohnungsneubau.“

Allianz aus Politik und Wirtschaft

Ermöglichen würde das auch eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft. Klaus Baringer: „Wir schlagen eine Allianz vor, in der Bund, Länder und Kommunen vertreten sind und auf Augenhöhe mit allen Branchenverbänden, Vorschläge und Maßnahmen erarbeiten. In Deutschland ist etwas Vergleichbares bereits eingerichtet und nennt sich ‚Bündnis für bezahlbaren Wohnraum‘."

Betont wurde, dass beginnend mit der Pressekonferenz ein Angebot der Praktiker an die Politik gemacht wird, im Sinne der Gesellschaft mitzuarbeiten. Nur ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen, eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft gewährleiste es, die Bau- und Immobilienbranche zu stärken, und so bezahlbaren Wohnraum in Österreich zu schaffen.