Verschuldung Österreich : Sparpaket: Die Party ist vorbei
Spare in der Zeit, dann hast du in der Not – davon ist in der österreichischen Politik derzeit wenig zu bemerken. Die Bundesregierung verteilt das Geld der Steuerzahler mit beiden Händen.
Jenes Geld, das als Förderungen in Zeiten der Coronapandemie oder in Form von Gutschriften als Anti-Teuerungsbonus oder Strompreisbremse oft wahllos verteilt wurde, fehlt jetzt im Staatssäckel. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der österreichische Fiskalrat die aktuelle Budgetpolitik als zu spendierfreudig bezeichnet und ein Auslaufen der massiven Unterstützungsmaßnahmen gefordert hat.
„Vieles davon war nicht ordentlich gegenfinanziert“, meint Holger Bonin, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) bei der Präsentation der IHS-Konjunkturprognose bis zum Jahr 2028.
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Österreichs Ausgaben im Europäischen Vergleich
Bei den Staatsausgaben liegt Österreich im europäischen Vergleich im absoluten Spitzenfeld. „Diese liegen auf Grundlage der zuletzt verfügbaren Daten um über 8.500 Euro pro Person höher als im Durchschnitt der Europäischen Union“, erklärt Martin Gundinger, Senior Research Fellow am Hayek Institut sowie am Austrian Economics Center.
„Nun könnte eingewendet werden, dass unter anderem die Personalkosten höher sind als in anderen EU-Ländern, was automatisch die staatlichen Ausgaben nach oben treibt“, so der Wirtschaftswissenschaftler. „Das ist zwar richtig, aber: Erstens sind die Personalkosten unter anderem deshalb so hoch, weil sie durch staatliche Abgaben nach oben getrieben werden. Zweitens gilt dieser Einwand primär für die personalintensiven Bereiche – Österreich liegt aber in fast allen Bereichen im Spitzenfeld bei den Ausgaben.“
Dass die österreichische Politik sehr großzügig ist, wenn es um das Ausgeben des Geldes der Steuerzahler geht, stellt auch Gundinger fest. „Was ausgegeben werden soll, muss auch eingenommen werden – was eine hohe Abgabenbelastung mit sich bringt. Eine Senkung der Ausgaben ist daher eine Voraussetzung für eine Senkung der Abgaben.“
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„Österreich hat mittlerweile eine höhere Staatsverschuldung als Griechenland. Da kann man doch nicht sagen ‚Der Kurs stimmt, wir machen so weiter"
Barbara Kolm, Direktorin des Hayek Instituts und Präsidentin des Austrian Economics Centers
Lernen von Europas Sparmeistern
Um den Einwand der unterschiedlichen Personalkosten und die mindere Qualität der Leistungen weitgehend zu entkräften, stellt Gundinger die Ausgaben in Österreich jenen anderer nordwesteuropäischer Länder gegenüber. Dabei hat er die COFOG-Kategorien (Classification of the Functions of Government) der UNO herangezogen, die nach den staatlichen Ausgaben in verschiedenen Bereichen unterteilt werden.
„Würde Österreich seine Ausgaben in jedem der Bereiche auf das Niveau der sparsamsten nordwesteuropäischen Länder reduzieren, so wären Einsparungen von knapp 7.300 Euro pro Person und Jahr möglich. Je nach Bereich müsste man sich hier an Irland, Finnland, Niederlande, Dänemark und sogar Frankreich orientieren. Das Einsparungspotenzial entspricht auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet einer Summe von über 65 Milliarden Euro.“
Europäische Länder zeigen es vor
„Puncto Sparsamkeit im Staatshaushalt ist Irland in Westeuropa in den meisten Bereichen vorbildlich - vor allem bereinigt um die Wirtschaftskraft. Vor allem zeigt Irland, dass staatliche Sparsamkeit zu sehr hohem Wirtschaftswachstum führen kann und so den Wohlstand nachhaltig hebt. Skandinavische Länder sind - obwohl sie oft als Vorbilder im Bereich des Sozialsystems genannt werden -, großteils deutlich sparsamer im Bereich der Sozialen Sicherung als Österreich.
Je nach Berechnungsmethode und Land würde sich hier für Österreich ein Einsparpotenzial zwischen acht und 30 Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Schweden zeigt außerdem, dass ein nachhaltiger Rückgang der Abgabenquote zu erreichen ist - und das trotz der teilweisen Umstellung des Pensionssystems auf eine Kapitaldeckung.
Auch am Sozialsystem lässt sich die Tendenz ablesen: Unter Kreisky 1968 lag die Sozialquote bei 21,9 Prozent des BIPs, und die allermeisten Menschen hatten ein Gefühl guter sozialer Absicherung. Heute liegt die Sozialquote bei jenseits von 30 Prozent - das Sozialsystem wurde also nicht nur absolut oder inflationsbereinigt, sondern sogar als Anteil des BIPs deutlich teurer. Gleichzeitig hat das Gefühl guter sozialer Absicherung deutlich nachgelassen. Das hat zwar auch andere Gründe, liegt aber zu einem großen Teil auch an der mangelnden Sparsamkeit in der Sozialpolitik“, meint Grundinger.
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„Ein kurzfristiges Sparpaket in der Höhe von zwei bis vier Milliarden Euro." Aber: keine Einsparungen mit der „Rasenmäher-Methode“.
IHS-Chef Holger Bonin
Wo könnte Österreich sparen?
„Allgemein gilt: Österreich hat in fast allen Bereichen sehr hohe Kosten, aber nur mittelmäßige Leistungen. Ein Vergleich der COFOG-Kategorien zwischen verschiedenen westeuropäischen Ländern zeigt, dass sich in praktisch jeder Kategorie Einsparpotenziale ergeben“, erklärt Barbara Kolm, Direktorin des Hayek Instituts und Präsidentin des Austrian Economics Centers.
Besonders hohe Einsparpotentiale gibt es in den Bereichen „Allgemeine öffentliche Verwaltung”, „Wirtschaftliche Angelegenheiten”, „Gesundheitswesen”, „Bildungswesen” und „Soziale Sicherung”.
„In diesen Bereichen würden sich jeweils mehrere Milliarden einsparen lassen, wenn man Systeme aus anderen Ländern umsetzt, in denen die Leistungen nach verschiedenen Kennzahlen mindestens genauso gut sind wie in Österreich. Kurzfristig realisieren lassen sich Einsparungen am ehesten bei Förderungen und bei einer besseren Bedarfsorientierung staatlicher Hilfen, teilweise auch in der Verwaltung.
In anderen Bereichen würden die Einsparungen eher erst mittelfristig wirksam. Wichtig wäre jedenfalls, dass so eingespart wird, dass sich die negativen Konsequenzen in möglichst engen Grenzen halten - daher sollte man sich an den funktionierenden Systemen anderer Länder orientieren, von diesen lernen und die Lehren auch umsetzen“, betont Kolm.
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„Einsparungen sind von knapp 7.300 Euro pro Person pro Jahr möglich."„Je nach Bereich müsste man sich hier an Irland, Finnland, Niederlande, Dänemark und auch Frankreich orientieren. Je nach Bereich müsste man sich hier an Irland, Finnland, Niederlande, Dänemark und auch Frankreich orientieren.“
Martin Gundinger, Senior Research Fellow am Hayek Institut und am Austrian Economics Center
Pensionszahlungen als Schuldenfalle
Als wesentliche Schuldentreiber identifizieren die Experten des Think Tanks Agenda Austria die hohen staatlichen Zuschüsse zum Pensionssystem.
„Derzeit verschlingt das Defizit im staatlichen Pensionssystem ein Viertel des jährlichen Bundeshaushalts. Eine Reform ist unumgänglich“, so Denes Kucera und Hanno Lorenz. Rasch umsetzbar wäre eine Erhöhung des Antrittsalters.
„Wichtig dabei: Das gesetzliche Antrittsalter muss steigen, nicht nur das faktische. Andernfalls würde längeres Arbeiten zu höheren Pensionen führen und das Finanzierungsproblem lediglich in die Zukunft verschieben. Das gesetzliche Pensionsantrittsalter sollte in einem ersten Schritt auf 67 Jahre erhöht werden. Anschließend empfiehlt sich eine automatische Anpassung an die Lebenserwartung.“
Die ausgewiesenen Budgetexperten IHS-Chef Holger Bonin sowie Margit Schratzenstaller vom Wifo möchten das tatsächliche Pensionsantrittsalter an das gesetzliche heranführen, da laut Pensionsversicherungsanstalt (PV) Männer im Durchschnitt mit 62,1 Jahren in Pension gehen, obwohl das Regelpensionsalter 65 Jahre beträgt.
„Die Erhöhung des effektiven Pensionsantrittsalters würde künftige Pensionisten treffen, deren Möglichkeiten für einen vorzeitigen Pensionsantritt eingeschränkt würden“, sagt Schratzenstaller. „Grundsätzlich wäre das eine richtige Stoßrichtung, um die Ausgabendynamik im Pensionssystem zu dämpfen.“
Bonin empfiehlt der Regierung zusätzlich „eine effizienzorientierte Steuerreform“ mit einer Entlastung des Faktors Arbeit und eine Anhebung des faktischen Pensionsalters durch höhere Abschläge bei der Korridorpension.
Eine höhere Besteuerung kann sich der Ökonom bei Alkohol, Treibstoffen, Tabak sowie Grund und Boden vorstellen. Der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) sollte anstatt von den Unternehmern aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden. Bei der Besteuerung von Arbeit sollten die unteren Steuerstufen verbreitert werden.
Dass die nächste Regierung Reformen angehen muss, hält Bonin für unabdingbar. „Wenn man die Probleme aufschiebt, werden sie nur größer."
„Sinnvolle Investitionen, etwa in Forschung und Entwicklung, dürfen nicht zurückgefahren werden“, betont Bonin. Das Institut für Höhere Studien (IHS) erwartet für 2024 in Österreich ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit einen Verstoß gegen die EU-Fiskalregeln.
„Österreich droht ein blauer Brief aus Brüssel“, warnt der IHS-Chef. Für 2024 bis 2028 prognostiziert das IHS hierzulande eine Budgetsaldo von im Schnitt minus 2,8 Prozent pro Jahr. Das Wifo bezifferte das jährliche Budgetdefizit bis 2028 vergangene Woche mit durchschnittlich 3,2 Prozent pro Jahr.
Sparpaket wird kommen müssen
Die Experten von IHS, WIFO und dem Fiskalrat sind sich einig: angesichts des prognostizierten Budgetdefizits bis 2028 wird die Regierung um kurzfristige Sparpakete in Milliardenhöhe nicht umhinkommen.
Ohne Reformen werden die rund 78 Prozent Staatsschulden gemessen an der Wirtschaftsleistung im Jahr 2022 laut Bundesministerium für Finanzen (BMF) bis 2060 auf 121 Prozent des BIP ansteigen. Das wären italienische Verhältnisse.
Weniger optimistisch ist die OECD, die davon ausgeht, dass die Schuldenquote auf 171 Prozent ansteigen wird. Das wäre mehr als heute in Griechenland.
Schulden bremsen wie Schweiz und Schweden
Österreich hat nach wie vor ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem. Damit in Zukunft in guten Jahren regelmäßig Überschüsse erwirtschaftet werden können, muss eine glaubwürdige und strikte Ausgabenbremse installiert werden. „Fiskalregeln haben oft den Ruf, Sozialabbau zu forcieren oder die Infrastruktur kaputtzusparen. Deutschland wird hier immer wieder als Negativbeispiel genannt“, meint Hanno Lorenz.
Länder wie die Schweiz und Schweden zeigen, wie ein Staat auch ohne laufende Defizite gut aufgestellt sein kann. Nachdem die Staatsverschuldung in der Schweiz zu Beginn der 1990er Jahre stetig angestiegen war, wurde Anfang der 2000er Jahre eine Schuldenbremse eingeführt. Gebremst werden aber nicht die Schulden, sondern die Ausgaben.
„In Zeiten wirtschaftlicher Hochphasen darf weniger ausgegeben werden, in Krisenzeiten dafür mehr. Wird gegen die Regel verstoßen, wird die Abweichung auf einem Ausgleichskonto verbucht. Sobald dieses Konto sechs Prozent der öffentlichen Einnahmen überschreitet, ist die Regierung gezwungen, einen Ausgleich in den Folgejahren herzustellen“, erläutert Denes Kucera.
„Seit Einführung konnte die Schuldenquote im Bund um knapp zehn Prozentpunkte sowie im Gesamtstaat um fast 20 Prozentpunkte in Relation zum BIP gesenkt werden. Zum Vergleich: In Österreich stieg die Schuldenquote des Gesamtstaates im gleichen Zeitraum um gut 15 Prozentpunkte an“, so die Experten der Agenda Austria
„Ähnlich der Schweiz sind auch die schwedischen Fiskalregeln. Lag die Staatsverschuldung in Relation zum BIP Mitte der 1990er-Jahre zeitweise sogar oberhalb jener Österreichs, beträgt sie hierzulande mittlerweile mehr als doppelt so viel wie im Norden Europas. Die Regeln waren sogar so erfolgreich, dass die Schweden sie im Laufe der Zeit wieder etwas lockern konnten. Seit 2010 gilt für den Bund und das Pensionssystem ein Überschussziel von 0,33 Prozent des BIP.“