Daseinsvorsorge : Österreichs Gemeinden finanziell unter Druck: Wie wird 2025?
Wie eine Gemeinde ihrer Verpflichtung zur Daseinsvorsorge nachkommt, gilt als ein wichtiger Faktor in der Standortfrage. Der antiquiert anmutende Begriff der Daseinsvorsorge umfasst die gesamte kommunale Infrastruktur in sozialer, technischer und ökologischer Hinsicht.
Dazu zählen im technischen Bereich neben Verkehr, Energieversorgung, Ausbau des Telekommunikationsnetzes auch die Wasser- und Abwasserversorgung.
Die soziale Infrastruktur umfasst die Themenbereiche Fürsorge, Gesundheit und Kultur. Und die ökologische Infrastruktur besteht aus natürlichen und naturnahen Flächen wie Parks und Gewässer.
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Die Lebensqualität der Bevölkerung hängt von der Qualität der gesamten kommunalen Infrastruktur ab. Schließlich sind doch die Gemeinden in der Lebensrealität der Menschen wichtiger als der Bund und die Länder.
Die Lebensqualität der Bevölkerung bemisst sich an der Qualität der kommunalen Infrastruktur in ihrer Gesamtheit.
Kinderbetreuung und Pflege als größte Brennpunkte
Die aktuellen Herausforderungen sind vielfältig. Sie reichen im technischen Bereich vom Umbau der Energieversorgung über die adäquate Antwort auf Starkwetter-Ereignisse in Folge des Klimawandels bis zum vordringlichen Ausbau des digitalen Netzes und des digitalisierten Amtsverkehrs.
In sozialer Hinsicht gelten der Ausbau der Pflege und der Erhalt einer ausreichenden medizinischen Versorgung sowie die Sicherstellung der Kinderbetreuung zu den Brennpunkten.
Den größten Brocken macht dabei zweifellos der Pflegebereich aus, und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen belasten die Kostensteigerungen das Budget, zum anderen ist es im Zuge der Covid-Pandemie zu einer massiven Abwanderung des Pflegepersonals in andere Berufszweige gekommen, die nur schwer zu kompensieren ist.
Drittens geht es, wie von Experten und auch vom Gemeindebund gefordert, um einen Umbau des Pflegewesens. Denn die Fortschreibung der jetzigen Situation ist den Erfordernissen in den kommenden Jahren keineswegs gewachsen.
2024 werden die Ausgaben deutlich stärker steigen als die Einnahmen.
Die Gemeindefinanzen im Westen
Generell stehen die Gemeinden im Westen Österreichs finanziell besser da als im übrigen Bundesgebiet. So betrug der Schuldenstand 2022 in Salzburg 1,1 Prozent des BIP. In Tirol betrug er 0,2 und in Vorarlberg 0,1 Prozent.
Trotzdem sagt Andrea Kaufmann, Präsidentin des Vorarlberger Gemeindeverbandes, die Gemeinden stünden mit dem Rücken zur Wand.
Auch der Tiroler Finanzbericht weist für 2022 aus, dass „die Gemeinden auf finanziell stabilen Steinen stehen, die Situation für die kommenden Jahre aber keine leichte sein wird."
Für Salzburg stellt sich die Situation schon prekär dar, denn rund ein Drittel der 119 Salzburger Gemeinden kann sich die laufenden Ausgaben nicht mehr leisten. Das liegt daran, dass die Steuereinnahmen stagnieren, während die Ausgaben vor allem im Sozialbereich stark ansteigen.
Landeshauptmann-Stellvertreter Stefan Schnöll, auch zuständig für die Gemeinden, hat kurz vor dem Sommer ein Paket von 15 Millionen geschnürt. Er versichert, sich für eine weitere Milliarde auf Bundesebene einzusetzen.
Günther Mitterer, früherer Bürgermeister von St. Johann und Präsident des Salzburger Gemeindeverbandes, unterstützte diese Forderung. Er machte aber auch deutlich, dass die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben immer weiter aufgehe und dass das gesamte Finanzierungssystem auf neue Beine gestellt gehöre.
Davon ist zwar im Forderungskatalog des Österreichischen Gemeindebundes an die neue Bundesregierung für die 28. Gesetzgebungsperiode keine Rede mehr. Dennoch wird deutlich eine Erhöhung des sogenannten Ertragsanteils um drei auf 15 Prozent gefordert. Ergänzend wird auf eine dringende Reform der Grundsteuer eingefordert –Geld, das die Gemeinden direkt einnehmen.
Prognose 2024 bis 2027: Ausgaben, Einnahmen und Investitionen der Gemeinden
Das Dreiecksverhältnis zwischen Bund, Land und Kommunen in der Gemeindefinanzierung ist höchst komplex und hält selbst für Kenner der Materie immer wieder Fallstricke bereit.
So wesentlich wie offensichtlich ist aber, dass die Prognose der Gemeindefinanzen trotz des neuen Finanzausgleichs weiterhin eine Einnahmen-Ausgabenschere zeigt.
„Ohne Gegensteuerungsmaßnahmen ist davon auszugehen, dass rund jede zweite Gemeinde eine negative freie Finanzspitze haben wird“, wie es in einer Studie des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung – heißt.
Damit wird es auch schwierig, die erforderlichen Investitionen insbesondere beim Klimaschutz und im Mobilitätsbereich zu finanzieren. In den nächsten Jahren ist eine höhere Zahl an Abgangsgemeinden zu erwarten, die de facto keine eigenen finanziellen Spielräume zur Gestaltung haben.
Um Investitionen tätigen zu können, bedarf es der Überschüsse im laufenden Bereich. Während vor der Krise regelmäßig Überschüsse von 13 bis 15 Prozent erzielt wurden, werden es mittelfristig nur mehr fünf bis neun Prozent sein. Damit stehen deutlich weniger Eigenmittel für Investitionen zur Verfügung.
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2024 werden die Ausgaben deutlich stärker steigen als die Einnahmen. Dies ist primär auf zwei Faktoren zurückzuführen. Erstens werden die Ertragsanteile, welche knapp 40 Prozent der Einnahmen der Gemeinden ausmachen, 2024 bis 2027 aufgrund von Steuerreformen und Entlastungspaketen des Bundes nur um 2,5 bis 4,9 Prozent p.a. steigen.
Zweitens sind die Städte und Gemeinden mit hohen Ausgabensteigerungen konfrontiert. Zu nennen sind insbesondere inflationsbedingte Anstiege bei Sach- und Personalkosten.
Auch die Ko-Finanzierungsleistungen der Gemeinden in den Bereichen Gesundheit und Soziales entwickeln sich aufgrund von Demografie und Preissteigerungen äußerst dynamisch, wie es in der KDZ-Analyse heißt.
Wesentlich – auch für die bevorstehenden Verhandlungen mit der neuen Bundesregierung über eine ausreichende Finanzierung der Gemeinden – ist, dass „die Finanzierbarkeit der kommunalen Daseinsvorsorge abgesichert und die Investitionsfähigkeit in klimafreundliche Infrastruktur im notwendigen Maß ermöglicht wird, um die Leistungen aufrecht erhalten zu können und Strafzahlungen zu vermeiden“, so Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes.