Verbrenner-Aus : Wie kann die Autoindustrie aus der Krise kommen?
Es sind dramatische Meldungen, die in den letzten Tagen aus dem Norden Deutschlands von Volkswagen kommen. Der Konzern aus Wolfsburg muss einen radikalen Sparkurs einschlagen. Laut Finanzchef Arno Antlitz fehlen Volkswagen „die Verkäufe von rund 500.000 Autos“.
„Der Markt ist schlicht nicht mehr da“, sagt der Finanzchef. Allein im ersten Halbjahr 2024 musste VW 14 Prozent weniger Gewinn vermelden. Medien berichten, dass rund 30.000 Stellen abgebaut und Investitionen drastisch gekürzt werden sollen.
Die Beschäftigungssicherung, welche seit 1994 bestand, wurde bereits aufgekündigt. Eine Neuregelung soll ausverhandelt werden. Ohne Beschäftigungssicherung sind ab Mitte 2025 betriebsbedingte Kündigungen möglich, wogegen der Betriebsrat und die Gewerkschaft bereits Widerstand angekündigt haben.
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Doch wie konnte es so weit kommen? Schon vor den Hiobsbotschaften der letzten Wochen hat Volkswagen seine Strategie revidiert. Bereits im Sommer letzten Jahres wurden Einsparungen im Umfang von zehn Milliarden Euro angekündigt, Stellenabbau inklusive.
Dabei rechnete man bei VW im Frühjahr 2023 noch, dass bis 2030 mindestens 80 Prozent aller Neuwagen mit elektrischem Antrieb ausgestattet sein werden. Für die Elektrifizierung und Digitalisierung der Fahrzeugpalette wurden allein bis 2028 120 Milliarden Euro budgetiert. Insgesamt sollte der Entwicklungsetat für diesen Zeitraum 180 Milliarden Euro betragen, wobei die verbleibenden 60 Milliarden Euro für die Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren vorgesehen waren, um diese „wettbewerbsfähig zu halten“.
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„Grundsätzlich sind Elektroautos in Europa noch zu teuer, um den Massenmarkt wirklich durchdringen zu können. Um das zu ändern, sind Fahrzeuge erforderlich, die unter 30.000 € kosten und dennoch Reichweiten von über 400 km bieten.“
Jürgen Rechberger, Vice President - Hydrogen & Industrial Energy bei AVL
Wie volatil ist der Automarkt?
Wie dynamisch die Lage auf dem Automobilmarkt aktuell ist, zeigt auch der Überblick über die Zahlen für Neuzulassungen. In der EU betrug der Rückgang im August, verglichen mit dem Jahr davor, 18 Prozent, im Vergleich zum letzten Jahr vor der Krise, 2019, sogar 32 Prozent, wie der Verband der europäischen Automobilhersteller ACEA mitteilte.
Der sinkende Absatz wurde vor allem durch den Einbruch bei Elektroautos befeuert. Dieser brach um 44 Prozent ein, wodurch sich deren Marktanteil von 21 Prozent im Vorjahr auf 14,4 Prozent verringerte. Negativer Spitzenreiter ist Deutschland mit einem Minus von 70 Prozent, nachdem dort der Kauf eines E-Autos nicht mehr gefördert wird.
Ein wenig versöhnlich stimmt da die Gesamtbetrachtung des europäischen Autoabsatzes 2024 bisher, denn der stieg von Jänner bis August um 1,4 Prozent. Ein Rückgang war im August auch in Österreich spürbar, wie die Zahlen der Statistik Austria zeigen. So verzeichnete man im August im Jahresvergleich einen Rückgang um 8,9 Prozent, der Fünf-Jahres Vergleich schlägt sich mit einem Minus von 43 Prozent zu Buche.
Besonders stark waren die Rückgänge bei Dieselfahrzeugen mit minus 36,5 Prozent und Elektrofahrzeugen mit minus 21,4 Prozent, während Benzin-Hybride um 11,5 Prozent und Fahrzeuge mit konventionellen Benzinmotoren um 3,4 Prozent zulegten. Diese Entwicklung zeichnete sich in Österreich bereits im ersten Halbjahr 2024 ab. Während die gesamten Zulassungszahlen um 6,6 Prozent zulegten, verloren E-Autos an Fahrt.
Vor allem bei Firmenkunden, die zuletzt sieben von zehn E-Autos kauften, sank die Nachfrage um 23 Prozent. Benziner hingegen konnten um 11,5 Prozent, Diesel um 6,5 Prozent zulegen. Den größten Zuwachs verzeichneten allerdings Benzin-Hybride mit 15,1 Prozent.
„Wir betrachten diese Entwicklung derzeit stark aus einer lokalen Perspektive“, gibt Jürgen Rechberger, Business Field Leader Wasserstoff bei AVL List, zu bedenken. „Global gesehen wächst der BEV-Markt weiterhin dynamisch. In Europa wird dieser Trend jedoch durch Deutschland gebremst, während Märkte wie das Vereinigte Königreich und Frankreich nach wie vor ein starkes Wachstum verzeichnen“, so der Experte weiter.
„Grundsätzlich sind Elektroautos in Europa noch zu teuer, um den Massenmarkt wirklich durchdringen zu können. Um das zu ändern, sind Fahrzeuge erforderlich, die unter 30.000 W kosten und dennoch Reichweiten von über 400 km bieten. Solche Modelle sind in Europa derzeit kaum verfügbar. Wir gehen davon aus, dass der BEV-Markt weiter stark wachsen wird, sobald erschwinglichere Modelle auf den Markt kommen, auch in Ländern wie Deutschland und Österreich“, ergänzt Rechberger.
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„Für die Hersteller ist der Hybrid der nächste Rettungsanker“
Klaus Edelsbrunner, Bundesobmann der Sparte Fahrzeughandel bei der Wirtschaftskammer Österreich
Ist das E-Auto wirklich das Problem?
Klaus Edelsbrunner, Bundesobmann der Sparte Fahrzeughandel bei der Wirtschaftskammer Österreich, sieht das Problem für Elektrofahrzeuge vor allem in deren Umfeld. Die Hersteller haben mit einer breiten Palette an Fahrzeugen mit gesteigerten Reichweiten und fallenden Preisen ihre Hausaufgaben gemacht, so Edelsbrunner.
Nachzubessern ist aus Sicht des Experten bei der Ladeinfrastruktur, vor allem im städtischen Bereich. Zudem fehlt es bei Ladesäulen an der Preisauszeichnung und es gibt kein einheitliches Bezahlsystem wie bei Tankstellen, gibt Edelsbrunner zu bedenken. Das verschreckt viele Kunden, denen unterschiedliche Ladekarten und der Tarifdschungel zu kompliziert sind.
Weiters führt er die hohen Strompreise ins Treffen, die den Preisvorteil schwinden lassen und insbesondere jene treffen, die nicht an der hauseigenen Photovoltaikanlage laden können. Die steigende Beliebtheit des Hybrids hingegen liegt für den Spartenobmann des Fahrzeughandels auf der Hand, da der Hybrid für den Kunden beide Welten, sowohl Elektro als auch den konventionellen Verbrenner, verbindet, trotzdem an regulären Tankstellen betankt werden kann, aber das ökologische Gewissen beruhigt.
Für die Hersteller ist der Hybrid, laut Edelsbrunner, der „nächste Rettungsanker“, ihre Flottenziele für den CO2- Ausstoß zu erreichen. Jürgen Rechberger sieht weitere Vorteile darin, dass der Hybrid „nicht nur die Rekuperation von ansonsten verlorener Bremsenergie“ ermöglicht, sondern auch den „Betrieb des Verbrennungsmotors in den Bereich seines optimalen Wirkungsgrads“ verlagert.
So hat laut Rechberger AVL selbst bei Ottomotoren Maximalwirkungsgrade von 45 Prozent erreicht, was im realen Fahrbetrieb 30 Prozent Spritersparnis gegenüber konventionellen Antrieben bringt. Einen weiteren Vorteil sieht der Experte von AVL durch die „signifikante Reduktion konventioneller Schadstoffe“, wodurch der Hybrid „eine solide Grundlage [ist], um strengere Emissionsvorschriften zu erfüllen.“
Die Beschäftigungssicherung, die seit 1994 bei VW bestand, wurde gekündigt.
Die Politik um den Verbrennungsmotor
Es ist erst gut eineinhalb Jahre her ist, dass die Europäische Union mit dem Zulassungsverbot für Verbrennungsmotoren ab 2035 endgültig die Weichen in Richtung Elektromobilität gestellt hat. Doch die Einigung war von Anfang an brüchig, beginnend mit der Ausnahme für E-Fuels.
Bereits in ihrer Bewerbungsrede vor der Wahl zur Kommissionspräsidentin am 18. Juli 2024 kündigte Ursula von der Leyen an, eine „gezielte Änderung der Verordnung“ zum Verbrenner-Aus anzustreben. Unmissverständlich äußerte sich auch der Chef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, gegenüber Medien: „Das Verbrenner-Aus ist Geschichte“ lässt dabei wenig Spielraum zur Interpretation.
Zuletzt verlautbarte Italien, der neuen Kommission einen Vorschlag unterbreiten zu wollen, die Evaluierung von 2026 auf 2025 vorzuziehen. „Ich denke, dies sollte das erste Thema sein, mit dem sich die neue Europäische Kommission befassen sollte“, so der italienische Industrieminister Adolfo Urso im Sommer.
Inwiefern diesen Worten Taten folgen werden, werden die nächsten Wochen zeigen.
Damoklesschwert Flottengrenzwerte
Wegen der gesunkenen Verkaufszahlen bereitet ein weiteres unionsrechtliches Regulativ den Herstellern Kopfzerbrechen, denn die Flottengrenzwerte werden in den kommenden Jahren sukzessive gesenkt.
Im Durchschnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge darf dieser Wert nicht überschritten werden. Beträgt die Obergrenze der durchschnittlichen Emissionen von Neuwagen derzeit noch 115,1 Gramm CO2 pro Kilometer, wird dieser im kommenden Jahr auf 93,6 Gramm und 2030 auf 49,5 Gramm sinken.
Aktuell sieht der Strafenkatalog 95 Euro pro überschrittenem Gramm CO2 pro Kilometer multipliziert mit der Anzahl der verkauften Fahrzeuge vor. Laut dem Renault-Chef und Präsidenten des ACEA, Luca de Meo, drohen Strafen in Milliardenhöhe für die europäische Industrie, sollten es bei der sinkenden Nachfrage an E-Autos und den aktuellen gesetzlichen Regelungen bleiben.
2023 stellte Toyota mit 10,3 Millionen Fahrzeugen weltweit die meisten Fahrzeuge her.
Autohersteller unterschiedlich betroffen
Die Hersteller reagierten bereits auf das sich ändernde Marktumfeld mit zum Teil drastischen Kehrtwenden. So kündigte beispielsweise Mercedes Konzernchef Ola Källenius im Juli 2021 noch den Schritt von „Electric first“ zu „Electric only“ an, wenn auch mit dem Zusatz, sofern es die Marktbedingungen zulassen.
Ende Februar 2024 rechnete der Chef des Konzerns aus Stuttgart nur noch mit einem gemeinsamen E- Auto und Hybridanteil von 50 Prozent der verkauften Fahrzeuge bis 2030. Nach der ursprünglichen Planung sollte dieser Wert bereits 2025 bereits erreicht sein, 2023 lag der Anteil bei elf Prozent.
„Das Tempo der Transformation bestimmen die Marktbedingungen und die Wünsche der Kunden“, erklärte Mercedes diesbezüglich gegenüber der Tagesschau. 2024 möchte Mercedes 14 Milliarden Euro in die Schwerpunkte Digitalisierung, Elektromobilität und Verbrennertechnologie investieren. Trotzdem senkte Mercedes seine Gewinnprognose für das Gesamtjahr im September erneut und führte das vor allem auf die schwierige konjunkturelle Lage, allen voran in China, zurück.
Konkurrent BMW agierte in puncto E-Mobilität immer verhaltener. Die Münchner legen und legten sich nicht fest, wie lange sie noch Verbrenner entwickeln werden. Man werde sich an den Marktgegebenheiten orientieren, wobei ein Verbrenner-Aus in der EU ab 2035 eine Richtungsentscheidung für die BMW Group wäre, ließen sie verlauten.
Am Rande des Starts der Vorserienproduktion für neue E-Antriebe im BMW-Werk in Steyr unterstrich der dortige Werksleiter Klaus von Moltke, dass die BMW Group 2030 mit einem E-Anteil von 50 Prozent rechne. Im Vorjahr lag der Anteil bei 14,7 Prozent des Absatzes, ein Jahr davor bei neun Prozent. Die schwachen Absatzzahlen und hohen Investitionskosten schmerzen auch BMW, denn der Gewinn verringerte sich im ersten Halbjahr 2024 um 15 Prozent. Zugleich setzt BMW als einziger der großen Hersteller weiterhin auf Wasserstoff. Für 2028 plant BMW, die Serienproduktion eines Wasserstofffahrzeugs mit Brennstoffzelle beginnen zu können. Dafür wird gemeinsam mit Toyota die nächste Generation der Brennstoffzellentechnik gemeinsam entwickelt.
Der japanische Konzern war 1997 mit dem Prius der Pionier bei Hybridantrieben und hat diese Technologie seitdem zum Erfolgsprodukt gemacht. Denn 40 Prozent aller verkauften Fahrzeuge sind Hybride, E-Autos spielen kaum eine Rolle. Im vergangenen Jahr stellte Toyota mit 10,3 Millionen Fahrzeugen weltweit die meisten Fahrzeuge her und verbuchte einen Rekordgewinn. Ein starkes zweites Quartal 2024 und anhaltend gute Verkaufszahlen legen nahe, dass auch heuer wieder die Marke von zehn Millionen verkauften Fahrzeugen in Reichweite ist.
Aktuell spielt Toyota auch der schwache Yen in die Karten, der japanische Autos günstiger macht. Gut ein Drittel seiner Fahrzeuge verkauft Toyota in Nordamerika. Um diesen Erfolg weiterhin zu sichern, sollen alleine heuer mehr als 13 Milliarden Euro in neue Produktionslinien und Technologien fließen. Der Hybridpionier aus Japan rechnet bis 2030 mit einem Drittel des Absatzes durch E-Fahrzeuge.
Warnung für Europa
Abschließend lässt sich sagen, dass trotz aktuell schlechter Absatzzahlen dem E-Auto wohl die Zukunft gehört. Vor allem der chinesische Markt zeigt das. Doch dort punkten hauptsächlich lokale Größen wie BYD, die durch immense Subventionen preiswerte Autos anbieten können. Teure Fahrzeuge ausländischer Hersteller haben das Nachsehen, jene mit Verbrenner sowieso. Das trifft vor allem europäische Hersteller wie VW oder Mercedes.
Das sich chinesische Hersteller nun auch dem europäischen Markt zuwenden, rief die Europäische Union auf den Plan, Strafzölle zu beschließen. Diese verteuern die E-Mobilität jedoch weiter. Die EU verfolgt mit dem Zulassungsverbot aber auch den Flottengrenzwerten das löbliche Ziel, individuelle Mobilität und Klimaschutz in Einklang zu bringen. Dabei wurde jedoch außer Acht gelassen, dass der Kunde beim Kauf König und Souverän zugleich ist, denn er entscheidet.
Die schlingernde Politik der EU auf dem Weg zum Verbrenner-Aus und auch der Mitgliedsstaaten wie bei der Förderpolitik hat die Kunden tief verunsichert. In Zeiten der Rezession und einer hohen Sparquote hat Deutschland die Förderung komplett, Österreich nur die Förderung für Unternehmen abgeschafft – ein klares politisches Bekenntnis sieht anders aus. Zudem muss sich die Spitzenpolitik in Brüssel fragen, ob der Bogen durch Überregulierung in diesem Bereich nicht überspannt und der Zeithorizont nicht zu kurz bemessen wurde. Denn Konzerne und Kunden sind überfordert.
Die Zulassungszahlen in der EU zeigen deutlich, dass Kunden diese E-Autos aktuell nicht kaufen. Hersteller jedoch müssen einer marktwirtschaftlichen Logik folgen und Neufahrzeuge verkaufen, um bestehen zu können. Von diesen ist wiederum die Zulieferindustrie abhängig und Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, wie das Beispiel Magna aktuell zeigt. Sollten wirklich Strafen wegen überschrittener Flottengrenzwerte ausgesprochen werden, muss man sich auch die Frage stellen, ob dieses Geld in Forschung und Entwicklung nicht besser aufgehoben wäre.
Doch auch die Hersteller sind gefordert. Hubraum, Drehmoment und Höchstgeschwindigkeit wurde von Software und Connectivity abgelöst. Bei beiden gilt es, mindestens up to date zu sein.