Chemische Industrie : Dekarbonisierung auf Kosten der chemischen Industrie?

Eine große Fabrik unter blauem Himmel inmitten grüner Pflanzen, von unten gesehen.

Die chemische Industrie sieht dringenden Handlungsbedarf. Ein smarter Deal soll den Wettbewerb und die Transformation hin zur Klimaneutralität in Einklang bringen.

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Die chemische Industrie in Europa setzt große Hoffnungen auf einen smarten "Industrial Deal" und stellt Forderungen an die neue EU-Kommission.  

Schließlich soll dieser Deal den Wettbewerb und die Transformation hin zur Klimaneutralität in Einklang bringen. Diese Dringlichkeit hat offenbar auch die Europäische Kommission erkannt, wie die aktuellen "Mission Letters" an die neuen Kommissare, darunter Stéphane Séjourné und Teresa Ribera, zeigen. 

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Schließlich hebt der Draghi-Report die Notwendigkeit hervor, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, während gleichzeitig die Ziele des Green Deals verfolgt werden müssen. Ein zügiges Handeln auf nationaler und europäischer Ebene sei unerlässlich, um Herausforderungen wie hohe Energiekosten und übermäßige Bürokratie zu bewältigen. 

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Die zentralen Forderungen  der Mission Letters

In den "Mission Letters" wird u.a. eine Reduktion der Bürokratie um mindestens 25 Prozent gefordert.  Séjourné wird beauftragt, eine neue industrielle Strategie zu entwickeln, die sich eng an den Empfehlungen des Draghi-Berichts orientiert. 

Ribera, zuständig für eine gerechte und wettbewerbsfähige Transformation, soll den "Clean Industrial Deal" in Zusammenarbeit mit Séjourné vorantreiben. 

Bemerkenswert ist, dass dieser innerhalb der ersten 100 Tage nach Amtsantritt entwickelt werden soll. Das zeigt, wie sehr die Zeit drängt. 

  • Hubert Culik, der Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), im Profilbild.
    „Die Kosten für die weitere Transformation sind hoch. Klare Vorgaben und finanzielle Unterstützung sind notwendig."

    Hubert Culik, Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO)

Die Schlüsselrolle der chemischen Industrie

Auch die chemische Industrie sieht dringenden Handlungsbedarf. Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, sind geringere Energiekosten, ein innovationsfreundliches Umfeld und Planungssicherheit erforderlich. 

„Ein umfassender Aktionsplan zur Beseitigung von Überregulierung und unnötiger Komplexität ist entscheidend. Zudem sind klare energiepolitische Weichenstellungen notwendig, um den Produktionsstandort Europa zu sichern. Nur mit ausreichend erneuerbarer Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen kann dies gelingen", sagt Hubert Culik, der Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO).

Culik verweist darauf, dass die Chemie eine Schlüsselbranche für die Energiewende ist. So sind für die Umsetzung der Green Deal-Technologien auch Vorprodukte aus der Chemieindustrie unerlässlich. Europa könne es sich nicht leisten, von wichtigen Rohstoffen und Chemikalien außerhalb der EU abhängig zu sein. Der Rückgang der Produktion in den letzten Jahren verdeutlicht die Dringlichkeit, endlich Maßnahmen zu ergreifen. 

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Die Transformation im Detail

Alle verfügbaren Energiequellen sollten zunächst genutzt werden, um den Energiebedarf der Transformation zu decken. Allein für die chemische Industrie in Österreich sind mehr als 60 TWh erneuerbarer Strom erforderlich, während die Gesamtproduktion 2021 bei etwa 70 TWh lag. 

Regionen müssen daher entsprechend ihrer Ressourcen differenziert unterstützt werden. Windenergie dort, wo der Wind weht; Solarenergie in sonnenreichen Gebieten; und Biomasse in waldreichen Regionen. 

Innovative Technologien wie Geothermie werden ebenfalls an Bedeutung gewinnen. Aber auch fossile Energieträger bleiben für die chemische Industrie als Rohstoffe unverzichtbar. 

Wasserstoff wird als Schlüsseltechnologie für eine nachhaltige Transformation angesehen. Die Erzeugung großer Mengen für Prozesse im industriellen Maßstab könnte jedoch eine Abhängigkeit von Importen zur Folge haben. 

Auch beim Ausbau der Windenergie sollte die Wertschöpfung ebenfalls in Europa gehalten werden. Viele Komponenten für Windkraftanlagen werden von europäischen Unternehmen hergestellt. Um die Zulieferindustrie langfristig zu stärken, könnten Vorgaben zur Bevorzugung europäischer Produkte bei neuen Windparks sinnvoll sein. 

Der Net Zero Industry Act der EU unterstützt solche Ansätze. Schließlich müssen Unternehmen auch bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen unterstützt werden. 

„Die Kosten für die weitere Transformation sind hoch, und zusätzliche Belastungen würden die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Betriebe gefährden. Klare Vorgaben und finanzielle Unterstützung sind notwendig, um die angestrebten Ziele zu erreichen", fordert Culik.