Kaufkraft Österreich : Kaufkraft, Industrie und Bauwirtschaft: Wie drei Krisen zusammenhängen

Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark, sitzt beim Interview an einem Tisch.

Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark: "Was man bisher nicht verstanden hat: Bürokratie und ausufernde Vorschriften verteuern das Bauen massiv."

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Wirtschaftsnachrichten: Für die Bauwirtschaft geht das zweite Krisenjahr zu Ende und Besserung ist kaum in Sicht. Die Europäische Zentralbank hat im Oktober erneut ihre Zinsen auf 3,25 Prozent gesenkt und die Inflation ist inzwischen rückläufig. Kann man sich nun bald einen Effekt auf die Bauwirtschaft erwarten?

Martin Schaller:
Es darf immer bissel mehr sein, speziell bei den Zinssenkungen, und es wäre zu früh, wenn man sich erwarten würde, dass sich durch die Zinssenkungen rasch Effekte zeigen.

Wir gehen davon aus, dass man heuer noch eine weitere Zinssenkung sehen wird und auch 2025 eine weitere folgen wird. Es braucht aber weitaus mehr als nur Zinssenkungen, um in Österreich die Bauwirtschaft wieder anzukurbeln.

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Sie sprechen vermutlich von einer Abschaffung der KIM-Verordnung?

Schaller: Unter anderem, ja. Aber das ist leider bei weitem nicht die einzige Maßnahme, die sich stark hinderlich auf die Bauwirtschaft auswirkt. Wir sind leider Weltmeister beim Gold Plating in Österreich, obwohl immer gesagt wird, man wolle Bürokratie und Regularien abbauen. Doch das passiert schlicht nicht.

Wir bekommen jetzt von der FMA einen neuen Risikopuffer von einem Prozent für Gewerbeimmobilien vorgeschrieben. Wir haben jetzt zusätzliche weitere Einschränkung, beispielsweise das Aussetzen des Hart-Test bei Immobilienfinanzierungen. Das war bisher eine Möglichkeit, bei den Finanzierungskosten im Immobilienbereich ein bisschen runterzukommen, wenn man nachweisen konnte, dass man nicht zu viele Ausfälle hat.

Das heißt, das sind alles zusammen schon sehr große Hindernisse und eigentlich würden wir uns Erleichterungen erwarten und nicht weitere Dinge, die alles erschweren. Es verpufft jede Zinssenkung, wenn sie erst wieder höhere Risikoaufschläge vorgeschrieben bekommen.

Martin Schalle: "Es gibt einfach eine Fülle von Bauvorschriften und Normen, die sich preissteigernd auf den Endkunden auswirken. Und diese Preiswirksamkeit von Gesetzen schaut sich die Politik nicht an."

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Wie Bürokratieabbau die Bauwirtschaft beleben kann

Das heißt, mit einer Maßnahme allein ist es nicht getan. Die Politik versucht mit Wohnbauförderpaketen einerseits der Baubranche zu helfen, andererseits wird diese mit immer neuen Regularien belegt. Wie passt das zusammen?

Schaller:
Mein ganz großer Appell ist Bürokratieabbau. Runter mit den Vorschriften. Anreize statt Verbote. Also ein ganzes Paket. Die Politik muss die Finanzierbarkeit von Bauvorhaben und die Leistbarkeit von Wohnraum im Blick haben. Und was man bisher nicht verstanden hat, ist, dass Bürokratie und ausufernde Vorschriften das Bauen massiv verteuern. Schon allein in der Planungsphase entstehen durch lange Bauverfahren massive Mehrkosten. Es gibt einfach eine Fülle von Bauvorschriften und Normen, die sich preissteigernd auf den Endkunden auswirken. Und diese Preiswirksamkeit von Gesetzen schaut sich die Politik nicht an. Alles, was in irgendeiner Form Mehrkosten verursacht, muss in der Finanzierung berücksichtigt werden und fließt in den Verkaufs- oder Mietpreis ein.

Haben die Wohnbauoffensive des Land Steiermark und das Wohnbaupaket der Bundesregierung bisher gewirkt?


Schaller: Man merkt den Stimulus schon. Die steirische Landesregierung war eine der ersten, die das Wohnbaupaket des Bundes umgesetzt hat. Also das ist auch was Positives. Natürlich darf es immer mehr sein. Aber wie gesagt, es hängt nicht nur von einer Maßnahme ab, um die Bauwirtschaft wieder anzukurbeln. Aktuell ist die Wohnbauoffensive zwar etwas mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn wir sehen schon, dass es ohne diese so einige Projekte, die jetzt angegangen werden, nicht geben würde, aber es muss natürlich noch mehr passieren.

Man muss den Negativkreislauf politisch durchbrechen. Das wird nur mit einem starken Bekenntnis gehen, Wohnungseigentum wieder stark zu fördern.
Martin Schaller

Wie Industriekrise und Bauwirtschaftskrise zusammenhängen

Die Industrie investiert kaum, was sich auch auf die Bauwirtschaft auswirkt. Warum ist die Investitionstätigkeit eingebraucht? Sehen Sie neben den hohen Lohn- und Energiekosten auch weitere Gründe?

Schaller:
Also, wir sehen jetzt gerade in der Steiermark, die ein traditionelles Industrieland ist, dass die Schwäche aus der Immobilienwirtschaft in der Realwirtschaft angekommen ist, und das ist natürlich für Industrie und die Gesamtwirtschaft nicht vorteilhaft. Für die Misere der Industrie gibt es zwei Hauptfaktoren: die hohen Energiekosten im Vergleich zum Ausland und die Lohnerhöhungen der letzten Jahre, die für die produzierende Industrie zu hoch waren, um sich in einem internationalen Umfeld behaupten zu können. Mit der schwachen Bauwirtschaft bricht aber auch ein Teil des Innlandgeschäfts weg. Eine Vielzahl von Industrieprodukten kommt im Hausbau zum Einsatz, von Elektroinstallationen, Heizungstechnik bis hin zum Leitungsbau. Wenn wenig gebaut wird, dann gibt es auch in vielen Industriebereichen weniger Abnehmer.

Das heißt, die Krise in der Industrie hängt in gewisser Weise auch mit der Krise in der Bauwirtschaft zusammen.


Schaller:
Ja, und auch mit der Konsumflaute im Handel. Industrie und Bauwirtschaft sind beides große Arbeitgeber. Wenn hier die Arbeitsplätze aber nicht sicher scheinen, dann neigen die Menschen zum Sparen. Wir sehen, dass die Sparquote aktuell steigt. Aber ein Großteil davon ist kein strategisches Sparen, sondern schlicht Konsumzurückhaltung.

Konjunkturprognose 2025: Wird Neubautätigkeit zunehmen?

Wie sehen ihre Prognosen für die Konjunktur und auch für die Investitionsbereitschaft aus?

Schaller:
Wir sehen aktuell eine große Zurückhaltung bei Investitionen. Die Stimmung in der Industrie ist gerade alles andere als gut. Stimmung ist aber die halbe Konjunktur.

Wenn die Auftragslage nicht mehr stimmt, ist die erste Reaktion von Unternehmen, Personal freizusetzen, um die Kosten im Griff zu haben. An Investitionen denkt man erst, wenn man stabil planen kann. Aktuell sind aber viele Unternehmen in der Phase der Redimensionierung. Das sorgt natürlich noch nicht für Aufbruchsstimmung, ist aber unerlässlich. Zuerst muss man sich den Marktgegebenheiten wieder anpassen.

Zu hoffen ist, dass im nächsten Jahr, begleitet von Zinssenkungen und andere Maßnahmen, die ich vorhin schon erwähnt habe, die Stimmung sich wieder verbessert, und dann wird hoffentlich im nächsten Jahr auch die Investitionsbereitschaft wieder zurückkehren.

Wird es 2025 auch eine Trendwende bei der Neubautätigkeit geben? Die Nachfrage nach Wohnraum ist ja ungebremst hoch.


Schaller: Vorausgesetzt es passieren wesentliche Reformen können wir 2025 und spätestens 2026 wieder auf eine Normalisierung hoffen. Für viele sind die letzten Jahre aber dennoch verlorene Jahre. Wer sich kein Eigenheim leisten konnte, wurde in die Miete gedrängt und weil das Angebot an Kaufimmobilien so verknappt ist, steigen die Mietkosten ständig an. Das wirkt sich wiederum auf die Finanzierbarkeit von Eigentum aus. Man muss den Negativkreislauf politisch durchbrechen. Das wird nur mit einem starken Bekenntnis gehen, Wohnungseigentum in Österreich wieder auf verschiedenen Ebenen stark zu fördern. Das ist letztendlich das, was die Mehrheit der Menschen auch will: ein Leben in den eigenen vier Wänden.