Mietpreisdeckel Österreich : Mietpreisbremse in Österreich: Wer profitiert, wer kritisiert? Alle Stimmen zur aktuellen Wohnpolitik

Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) am Montag, 2. Juni 2025, anl. der PK SPÖ "Mietpreisdeckel - Leistbares Wohnen" im Parlament in Wien, blitzblauer Hintergrund.

"Wir haben mit großer Geschwindigkeit die Mieterhöhungen im regulierten Bereich, die ab 1. April über 1 Million Wohnungen betroffen hätten, abgefangen", erklärte der SPÖ-Chef am 2. Juni im Rahmen einer Pressekonferenz. 

- © APA/HELMUT FOHRINGER

Mit dem im Parlament beschlossenen 4. Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetz (4. MILG) werden die ab 1. April vorgesehenen Inflationsanpassungen der Richtwert- und Kategorie-Mieten ausgesetzt. 

Konkret bedeutet das: Für 2025 werden Richtwert- und Kategoriemieten sowie indexgebundene Entgelte für Genossenschafts- und Gemeindewohnungen eingefroren. Eine Erhöhung darf 2026 maximal ein Prozent, 2027 zwei Prozent und ab 2028 drei Prozent betragen.

Laut Vizekanzler und Wohnbauminister Andreas Babler profitieren rund 2,7 Millionen Menschen in Österreich von der im Regierungsprogramm vereinbarten Mietpreisbremse. 

"Wir haben mit großer Geschwindigkeit die Mieterhöhungen im regulierten Bereich, die ab 1. April über 1 Million Wohnungen betroffen hätten, abgefangen", erklärte der SPÖ-Chef am 2. Juni im Rahmen einer Pressekonferenz. 

Die Maßnahme betrifft rund 1,2 Millionen Wohnungen. Ohne den Eingriff wären die Mieten laut Babler im April um durchschnittlich 3,16 Prozent gestiegen. Die Entlastung beziffert er mit rund 138 Millionen Euro für das Jahr 2025.

Doch Kritik gibt es von vielen Stellen, wie die nächsten Absätze zeigen.

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Einkommensverluste für Vermieter in Wien?

„Die Einführung des verschärften Preisdeckels würde bereits bis Ende 2027 für einen Vermieter einer 60 Quadratmeter großen Wohnung im neunten Wiener Gemeindebezirk, die unter die Richtwertmiete fällt, einen Einkommensverlust von rund 1.100 Euro bedeuten“, berechnet Agenda Austria-Ökonom Hanno Lorenz

„Unter Berücksichtigung der Änderungen aus dem Vorjahr, steigt der Verlust aufgrund der hohen Inflation der letzten Jahre sogar auf 3.500 Euro an.“ 

© Thomas Reimer

Scharfe Kritik durch ÖVI und ÖHGB

Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) warnt indes vor wirtschaftlichen Fehlanreizen. Laut Verband wurde der Richtwert bereits 2023 eingefroren, und auch die Inflationsraten von 2023 (7,8 Prozent) und 2024 (2,9 Prozent) konnten nicht berücksichtigt werden. 

"Real ist die Miete günstiger geworden", so der ÖVI. Man fordert einen konstruktiven Dialog zwischen Politik und Branche.

Noch deutlicher wird der Österreichische Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB). Präsident Martin Prunbauer spricht von einem "wirtschaftsfeindlichen Eingriff in Eigentumsrechte" und einem "ideologisch motivierten Feldzug gegen das private Eigentum". 

Er warnt vor Investitionsrückgang, Wohnraumverknappung und negativen Folgen für alle Beteiligten.

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Prunbauer kritisiert auch konkret die Ansichten der Vorsitzenden der Wiener Mietervereinigung und SPÖ-Wohnbausprecherin Elke Hanel-Torsch. Ihre Aussage, Vermieter müssten „nicht jedes Jahr investieren“, sei eine Unkenntnis der laufenden Erhaltungs- und Sanierungspflichten, die Eigentümer zu bewerkstelligen haben.

„Eine Immobilie, die nicht instandgehalten wird, verliert an Wert, denn sie ist kein Sparbuch mit garantierter Verzinsung", so Prunbauer. "Laufende Instandhaltung erfordert Pflege, Wartung, Renovierung und auch kostspielige Sanierungen. Wer dies vernachlässigt, wird feststellen, dass die Immobilie „verbraucht“ ist – im schlimmsten Fall wird sie sogar unbewohnbar.“

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Preisdeckel gleich Wohnraumvernichtung?

Von Seiten des WIFO wurde errechnet, dass der Einfluss einer Valorisierung der Richtwerte und die gemessene Inflationsrate auf den Verbraucherpreisindex gerade einmal 0,1 Prozentpunkte betragen würde. 

„Gleichzeitig zeigt sich, dass die Preisentwicklungen einen Eingriff gar nicht rechtfertigen. Sowohl die allgemeinen Preise als auch die Löhne haben sich in den letzten zehn Jahren stärker entwickelt als die Mieten im regulierten Segment“, erklärt Lorenz. 

In Anbetracht der Tatsache, dass auch viele Besserverdiener im regulierten Segment wohnen, sei das eine sehr fragwürdige Umverteilung. Befristungen würden ebenfalls weiter zunehmen, ist der Ökonom überzeugt. 

„Je stärker die Regulierung, desto teurer und schlechter wird Wohnen – und für junge Menschen wird die Wohnungssuche zum Albtraum.“

„Regulierungen vermindern das Angebot an Mietwohnungen, weil sich das Vermieten nicht mehr lohnt. Investitionen in den Gebäudebestand bleiben aus, Wohnungen werden parifiziert und abverkauft,“ ergänzt Prunbauer. „Kein Investor wird in Österreich in Wohnbauten investieren, zumal künftig – nach den Vorstellungen der Bundesregierung – auch beim Neubau eine Mietzinsbremse kommen soll.“

Seit dem Jahr 2020 sind die Hauptmietzinse geringer gestiegen als die allgemeine Inflation. Laut Statistik Austria war die allgemeine Preissteigerung um 4,4 Prozent höher als die Steigerung der Hauptmietzinse.

Graph zeigt Entwicklung von Mietpreisen und Löhnen/Gehältern in Wien.
Löhne und Mieten klaffen immer weiter auseinander. Anmerkung: Richtwertmiete für Wien. Schätzungen ab Februar 2025. - © Agenda Austria/Statistik Austria

Mietrenditen unter Druck

„Wer im Monat 1.000 Euro Bruttomiete zu zahlen hat, muss dafür fast 1.800 Euro erwirtschaften, dem Vermieter bleiben am Ende kaum mehr als 420 Euro übrig, während 1.150 Euro an den Staat gehen“, so Agenda Austria-Ökonom Dénes Kucsera.

„Wenn sich die Mieten unterhalb der allgemeinen Teuerung entwickeln, dann tun das bei gegebenen Mietrenditen auch die Kaufpreise“, betont Jan Kluge, Ökonom in der Agenda Austria. 

"Wenn die SPÖ verlauten lässt, dass sich die Mieter 140 Millionen Euro pro Jahr sparen, dann ist der Immobilienbestand in Österreich selbst bei einer großzügigen Rendite von drei Prozent auf einen Schlag real um fast fünf Milliarden Euro weniger wert.“

Energiekosten statt Mieten als Preistreiber

„Die wahren Preistreiber sind die explodierenden Kosten für Gas, Strom und andere Energieträger, doch wird diese Tatsache – so wie auch in den früheren Diskussionen rund um eine Wertanpassung der Hauptmietzinse – ignoriert", so Kluge.

Statt zielgerichteter Maßnahmen wird erneut mit der Gießkanne im ohnehin stark preisregulierten Mietsektor auf Kosten der Vermieter verteilt. In diesem Sektor wohnen zu einem beträchtlichen Teil Mieter und Mieterinnen, die gut verdienen. 

Die inflationsbedingte Teuerung hat sich auch in steigenden Gehältern niedergeschlagen, wodurch die Mehrbelastung weitgehend ausgeglichen wurde. Faktum ist, dass die Wohnkostenbelastung in Österreich seit Jahren stabil ist und seit 2010 rund 19 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens beträgt.

  • ÖGHB-Präsident RA Martin Prunbauer auf einer Dachterrasse in schöner Wiener Lage.
    „Ein Mietpreisdeckel ist weder sozial treffsicher noch zielführend, sondern schadet mehr als er nutzt."

    ÖGHB-Präsident RA Martin Prunbauer

VÖPE präsentiert eigenen Wohnkostenindex und warnt vor Investitionsstau

Die Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) geht einen eigenen Weg. Mangels Umsetzung des geplanten Beratungsgremiums präsentiert sie am 11. Juni einen neuen Wohnkostenindex, der als transparent, fair und planbar beschrieben wird.

VÖPE-Präsident Andreas Köttl kritisiert den Mietpreis-Stopp deutlich. Er sei "eine schlechte Nachricht für alle gemeinnützigen Mieter:innen und alle Alt-Mieter:innen in Gründerzeithäusern im Land." 

Zwar seien die monatlichen Einsparungen pro Wohnung gering, die Summe aller Einsparungen bedeute jedoch einen jährlichen Investitionsverlust von mehr als 100 Millionen Euro, die bei Sanierungen fehlen. 

Köttl betont: "Wer die Indexierung der Mieten einfach deckelt, schiebt das Problem nur auf."

Gebührenanstieg in Wien belastet zusätzlich

Während die Regierung die Mietpreise reguliert, erhöht die Stadt Wien die Gebühren für Abwasser, Wasser und Müll. So wurden beispielsweise die Tarife für kommunale Dienstleistungen ab 2025 um 5,9 Prozent angehoben.

„Dass Wien über einen Bestand von 220.000 Wohnungen verfügt, die man Haushalten mit wenig Geld sofort zur Verfügung stellen könnte, ist ein Vorteil, den nur wenige Städte haben“, erklärt man von Seiten der Agenda Austria.

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Die öffentliche Hand ist überfordert, einen der umfassendsten Sozialstaaten der Welt zu betreiben und gleichzeitig den gigantischen Wohnungsbestand zu erhalten. 

„Statt den populistischen Mörtel anzurühren, sollte die öffentliche Hand stärker auf den Markt setzen,“ rät der Think Tank Agenda Austria. Denn: „Die Tatsache, dass die allermeisten Mieter in Österreich staatliche Unterstützung erhalten, ist schon sehr speziell.“ (MTE/APA/LB)

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Weitere Reformen geplant – Mindestbefristungen, Mietrechtsreform, Mustermietvertrag

Die Bundesregierung plant noch mehr Reformen im Bereich Miete: etwa eine Ausweitung der Mindestbefristungen von aktuell drei auf fünf Jahre. Diese werde laut Babler "nicht mehr vor dem Sommer" beschlossen, sei aber weiterhin geplant. 

Auch eine Vereinheitlichung des Mietrechts und eine mögliche Ausdehnung der Mietpreisbremse auf bisher unregulierte Bereiche wie Geschäftsraummieten und Privatvermietung sind in Arbeit. 

Babler betonte: "Das Mietrecht ist ein sehr komplexer Bereich. Es ist gesetzlich auch eine Herausforderung, das auszuarbeiten."