Fernwärme Graz : Wie das Projekt Helios lokale Fernwärme nachhaltig macht
2022 betrug der Gesamtenergieverbrauch Österreichs 317 Terrawattstunden. Davon fielen 156 TWh oder 49,2 Prozent auf die Wärmeerzeugung.
Der Anteil an erneuerbarer Energie betrug dabei lediglich 31 Prozent. Speziell in urbaner Umgebung bietet Fernwärme eine klima- und umweltfreundliche Alternative für Heizung und Warmwasser.
Am Beispiel der Fernwärmeerzeugung in Graz lässt sich aufzeigen, wie sich die Fernwärme entwickelt hat, welche Potentiale bereits genutzt werden und welche es noch gibt.
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„Besonders im Wohnbau, bei der Nutzung von Abwärme und zur Spitzenlastabdeckung macht die Nutzung von Wärmepumpen Sinn."
Adolf Melcher, Sprecher der Geschäftsführung Kelag Energie & Wärme
Sukzessive Ökologisierung der Fernwärme im Lauf der Jahre
Ihren Anfang nahm die Fernwärme in Graz vor gut 60 Jahren mit der Errichtung des Fernheizkraftwerkes Graz 1963. Dies wurde zunächst mit Braunkohle befeuert, um den Absatz der weststeirischen Braunkohlereviere zu steigern.
Ende der 1980er Jahre wurde in Mellach ein Kohlekraftwerk in Betrieb genommen, welches über eine 18 Kilometer lange Leitung Fernwärme nach Graz transportierte, die mit Hilfe der Kraft-Wärme-Kopplung als Nebenprodukt der Stromerzeugung gewonnen wurde. Mellach wurde als letztes Kohlekraftwerk Österreichs im Frühjahr 2020 stillgelegt und lieferte zwischenzeitlich bis zu 80 Prozent des Grazer Fernwämebedarfs.
Eine erste Ökologisierung erfolgte 1992 mit der Errichtung einer Hochtemperaturauskoppelungsanlage im Stahl- und Walzwerk Marienhütte.
Ein Jahr später wurde das Fernheizkraftwerk Graz von Braunkohle auf Erdgas umgestellt. Die Versorgung mit industrieller Abwärme wurde über die Jahre weiter sukzessive ausgebaut.
So wurde 2017 eine Leitung zum Papier- und Zellstoffwerk Sappi nach Gratkorn errichtet, mit der Abwärme aus dem Herstellungsprozess in das Grazer Fernwärmenetz eingespeist werden kann. Mittlerweile wird ein Viertel der Wärmemenge aus diesen Quellen bezogen.
Diese stieg in den vergangenen 15 Jahren von 800 auf 1.120 Gigawattstunden an. Im selben Zeitraum stieg die Kundenanzahl von 35.000 auf 90.000 Kunden an. Somit nutzen rund 60 Prozent der Grazer Haushalte Fernwärme.
Der Ausbau der Fernwärme war zugleich die wichtigste Maßnahme zum Umwelt- und Luftschutz in Graz, denn die Anzahl der Feinstaubtage konnte innerhalb eines Jahrzehnts um 70 Prozent gesenkt werden.
Durch den Ausbau der Fernwärme konnte die Anzahl der Feinstaubtage in Graz innerhalb eines Jahrzehnts um 70 Prozent gesenkt werden.
Projekt Helios: nachhaltige Fernwärme
Im Jahr 2018 wurde mit dem Projekt „Helios“ eine weitere Quelle für nachhaltige Wärmeaufbringung in Betrieb genommen. Dort fungiert ein 27 Meter hoher Turm als Wärmespeicher für Energie, die aus einer 6.000 Quadratmeter großen thermosolaren Anlage und einem mit Deponiegas betriebenen Blockheizkraftwerk gewonnen werden.
Seit 2015 konnte der Anteil an grüner Fernwärme aus erneuerbarer Energie und industrieller Abwärme so von 70 auf 300 GWh gesteigert werden. Dieser Anteil soll mit weiteren Ausbauten noch gesteigert werden. Zudem soll in Graz bis zum Ende des Jahrzehnts ein weiteres Standbein der Fernwärmeversorgung hinzukommen.
So sollen ab 2029 mit dem Energiewerk Graz und der Energetischen Klärschlammverwertung Gössendorf zwei weitere Anlagen Fernwärme produzieren können. Das Energiewerk Graz soll mit einer Leistung von 180 GWh Wärme in Zukunft rund 18 Prozent des Grazer Fernwärmebedarfs decken können. Gleichzeitig sollen auch 50 GWh Strom erzeugt werden.
Als Brennstoff dienen dem Kraftwerk jene Reste der 110.000 Tonnen Rest- und Gewerbemüll, die jährlich in Graz anfallen und nicht recycelt werden können. Die Baukosten dafür werden 250 Millionen Euro betragen. Der zweite Baustein soll die Energetische Klärschlammverwertung sein, die in unmittelbarer Nähe zur Kläranlage Gössendorf errichtet wird, welche ebenfalls erweitert und modernisiert wird. Die Kläranlage ist seit 1979 in Betrieb und wurde zuletzt 2001 erweitert.
Aktuell ist sie auf einen sogenannten „Einwohnerwert“ von 500.000 Menschen ausgelegt und soll ab dem Beginn des kommenden Jahres auf 850.000 Menschen ausgebaut werden. Der sogenannte „Einwohnerwert“ ist dabei eine Messgröße, der sowohl Einwohner als auch sämtliche industriellen und gewerblichen Abwässer umfasst.
Mit dem Ausbau wird auch eine Großwärmepumpe installiert, um die Wärme des Abwassers aus dem Ablauf der Kläranlage für Fernwärme nutzbar zu machen. Die Kosten für den Ausbau betragen 83 Millionen Euro und sollen bis 2028 abgeschlossen sein.
Der bei der Reinigung des Abwassers anfallende Klärschlamm soll in Zukunft in unmittelbarer Nähe energetisch genutzt werden können. Die Klärschlammverbrennung soll dabei Wärme in der Größenordnung von 56 GWh liefern, was etwa vier Prozent der Gesamtmenge in Graz entspricht.
Diese Anlage wird 70 Millionen Euro kosten. Diese beiden Projekte sollen sowohl die Ent- als auch die Versorgungssicherheit langfristig sicherstellen, die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen bei der Wärmeerzeugung weiter reduzieren und zur Dekarbonisierung beitragen.
Seit 2015 konnte der Anteil an grüner Fernwärme aus erneuerbarer Energie und industrieller Abwärme von 70 auf 300 GWh gesteigert werden.
Lokale Fernwärme: ein Thema für die Energiedienstleister
Versorgungssicherheit und Dekarbonisierung sind auch Themen, mit denen sich nicht nur kommunale Anbieter, sondern auch Energiedienstleistungsunternehmen wie die Kelag Energie & Wärme auseinandersetzen.
Die Kelag Energie & Wärme betreibt 85 Fernwärmenetze und rund 900 Heizzentralen in ganz Österreich mit einem beachtlichen Wärmeabsatz von rund zwei Terawattstunden und ist damit eine der größten Energiedienstleistungsunternehmen Österreichs.
Auch hier wird vermehrt auf Biomasse und industrielle Abwärme gesetzt, sodass der Anteil an erneuerbaren Energieträgern in den Fernwärmenetzen bei durchschnittliche etwa 90 Prozent liegt. Fernwärmenetze machen dabei drei Viertel des Wärmeabsatzes des Unternehmens aus. Viele Netze werden nahezu vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben.
„Für die verbleibenden fossilen Netze haben wir bereits umfassende Pläne zur Ökologisierung entwickelt und sind aktiv dabei, diese umzusetzen“, skizziert Adolf Melcher, Sprecher der Geschäftsführung Kelag Energie & Wärme.
„Wir sind überzeugt, dass eine Fernwärmeversorgung ohne fossile Energieträger möglich sein wird. Wichtig ist aber, dass wir uns nicht nur von den 100 Prozent leiten lassen, sondern rasch bei allen Fernwärmesystemen in die Nähe von 80 bis 90 Prozent erneuerbar kommen. Dies schafft schnelle Klimaschutzeffekte und dafür haben wir auch bereits alle Instrumente in der Hand“, mahnt der Energieexperte.
Die Kelag Energie & Wärme bietet in ganz Österreich auch dort nachhaltige Wärmelösungen an, wo keine Fernwärme verfügbar ist, beispielsweise mit Wärmepumpen.
„Besonders im Wohnbau, bei der Nutzung von Abwärme und zur Spitzenlastabdeckung macht die Nutzung von Wärmepumpen Sinn. Hier haben wir ein außergewöhnliches Projekt in Graz realisiert, wo wir aus der Bierabwärme 800 Wohnungen mit Warmwasser und Heizung versorgen – dies mit Hilfe von Wärmepumpen“, ergänzt Melcher.