Rohstoffe Investitionen : Rohstoffhunger als Achillesferse des Green Deals
Bis 2050 soll der Bedarf an Kobalt um 460 Prozent wachsen, bei Indium um 230 Prozent, bei Vanadium 189 Prozent. Bei Grafit und Lithium soll die Nachfrage sogar um 494 bzw. 488 Prozent steigen. Fast schon moderat sieht dagegen der Anstieg bei Kupfer aus, mit einem Wachstum von „nur“ 99 Prozent. Studien der Weltbank, der deutschen Rohstoffagentur Dera und des Fraunhofer Instituts bestätigen das. All diese Rohstoffe sind für die Produktion von Batterien, Windturbinen, Elektromotoren und Photovoltaikzellen, Halbleitern etc. unerlässlich. Über 30 Rohstoffe werden von der EU inzwischen aufgrund ihrer Verfügbarkeit auf den Weltmärkten als kritisch eingestuft. Wie von den Wirtschaftsnachrichten bereits mehrfach berichtet, sind die Importabhängigkeiten von China für die europäische Industrie eine geostrategische Achillesferse. Im März dieses Jahres schlug die EU mit dem „Critical Raw Materials Act“, kurz CRMA, eine Gegenstrategie vor. 40 Prozent der strategischen Materialien sollen laut EU zukünftig in Europa verarbeitet und hergestellt werden.
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Nationale Regierungen wollen sogar mehr und bis 2030 die Quote auf 50 Prozent heben. Ohne weitreichende Recyclingstrategien der Mitgliedsländer ist das nicht schaffbar. Der österreichische Masterplan Rohstoffe 2030 kommt mit der Umsetzung von Maßnahmen nur sehr überschaubar voran und auch anderen EU-Ländern fehlt das Tempo. Die Strategiepapiere hinken augenblicklich der Realität hinterher. Dass man mit der Energie- und der Mobilitätswende auf diesen Rohstoffengpass zusteuern würde, weiß man seit Jahren. Trotz des großen Bedarfs an Rohstoffen, gibt es auch viele Vorbehalte, denn neue Abbaugebiete vertragen sich nicht mit dem Umweltschutz.
Tiefseeabbau und Grönland als neuer Rohstoffgigant
Weil der steigende Rohstoffbedarf eine massive Ausweitung der Abbaukapazitäten erfordert, die an Land kaum oder nur mit immens steigendem Aufwand zu erschließen sind, rückt die Tiefsee plötzlich wieder in den Fokus der Bergbauunternehmen. Seit Juli 2023 können Unternehmen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) Anträge auf Abbau in der Tiefsee stellen. Dort liegen in 4.000 bis 6.000 Meter Tiefe gigantische Vorkommen von Mangan, Kobalt, Kupfer, Nickel und vermutlich einer ganzen Reihe weiterer seltener Rohstoffe in Form von Knollen und Krusten herum.
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Besonders die so genannte Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik zwischen Hawaii und Mexiko, ein Gebiet größer als die Europäische Union, weckt die Begehrlichkeiten. Aufgrund der steigenden Unsicherheiten bei der Rohstoffversorgung gerät außerdem ein Land in den Fokus, das weltweit nach China die größten Vorkommen an seltenen Erden besitzt: Grönland. Das Abschmelzen der Gletscher legt dort gigantische Mengen an Bodenschätzen frei. Uran, Zink, Eisenerz, Kupfer, Gold sowie Lithium und eine ganze Reihe von seltenen Erden liegen dort.
Milliardeninvestitionen für neue Projekte in Nordamerika, China, Südamerika und Europa
In rohstoffreichen Ländern werden im großen Stil neue Abbaugenehmigungen erteilt oder vorbereitet. Laut dem Global Mining Investment Outlook 2021 des Engineering & Mining Journals sind aktuell in Nordamerika Investitionen von 268 Milliarden US-Dollar in neue Bergbauprojekte geplant. In China sind es 213 Milliarden US-Dollar. In Südamerika stehen Investitionen von 199 Milliarden an und in Afrika 113,7 Milliarden. Auch in Europa steht der Bergbau vor einer Renaissance, wenn auch mit rund 73 Milliarden US-Dollar auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Bis 2020 war der Bergbau in Europa mit einem Minus von 19 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 stark rückläufig. Das hat sich nun geändert. In Schweden wurde Anfang des Jahres das größte Vorkommen seltener Erden in Europa entdeckt und für den Abbau freigegeben. Generell gilt Skandinavien als größte Lagerstätte in Europa für wertvolle Industriemetalle.
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Das zieht zentrale Fertigungsindustrien für die Energie- und Mobilitätswende an. Neben Batteriefabriken entstehen auch große Recyclinganlagen, etwa im finnischen Harjavalta, wo die größte Wiederaufbereitungsanlage für Lithium-Ionen-Akkus eröffnet wurde. Aber auch anderen europäischen Ländern denken über neue Abbaugenehmigungen nach. In Deutschland lagern etwa im Erzgebirge zur tschechischen Grenze nennenswerte Vorkommen von Lithium, die ebenfalls bald abgebaut werden könnten und selbst in Österreich ist seit Jahren in Kärnten ein Lithiumabbau auf der Agenda.
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Der Druck aus der Automobilbranche ist enorm, um diese europäischen Vorkommen demnächst zu erschließen, schließlich ist allen die geopolitisch heikle Abhängigkeit von China mehr als bewusst. Ende Juli 2023 machte Peking ernst und reagierte auf den von den USA angefachten Handelskrieg mit ersten Exportbeschränkungen für Gallium und Germanium. Für die europäische Automobilherstellung – die Leitbranche des Kontinents – sind diese Materialein systemrelevant. Insidern zufolge sollen weitere Ausfuhrsperren im Herbst folgen!
Investitionen in Rohstoffe
In den letzten Jahren erlebte die globale Bergbaubranche eine rasante Veränderung, geprägt von Milliardeninvestitionen seit 2020. Die aktuellen Zahlen des Global Mining Investment Outlook gewähren faszinierende Einblicke in die dynamischen Aktivitäten der USA, Kanada, China, Lateinamerika, Asien, Afrika, Australien, Europa und Russland. Die nachfolgende Liste zeigt Länder, die maßgeblich in neue Rohstoffprojekte investieren:
- USA & Kanada: 268,2
- China: 213,4
- Latein-Amerika: 199
- Asien (ohne China): 168,9
- Afrika: 113,7
- Australien/Ozeanien: 107,7
- Europa: 73,7
- Russland: 40,7
Quelle: Global Mining Investment Outlook. Daten umfassen Investitionsvolumen für Exploration, Machbarkeitsstudien, Planung und Konstruktion von neuen Bergbauaktivitäten. Zahlen in Milliarden US-Dollar
CO2-Emissionen steigen durch Rohstoffbedarf
Es gibt aber eine weitere Schattenseite abseits der geopolitischen Risiken. Der steigende Rohstoffbardarf durch die Energie- und Mobilitätswende droht, ausgerechnet das massiv zu steigern, was man eigentlich begrenzen wollte, nämlich den CO2-Ausstoß. Abbau, Verarbeitung und Transport all dieser neuen Rohstoffquellen würden zu einer signifikanten Steigerung der CO2-Emissionen in den jeweiligen Sektoren führen. Die enorme Extraktion von Bodenschätzen bis 2050 wäre absolut nicht mit den Nachhaltigkeitszielen der EU und der Vereinten Nationen vereinbar.
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Vor allem die Re-Naturierungsziele der EU würden durch einen verstärkten Abbau in Europa kollidieren. Starke Eingriffe in bisher unberührte Naturräume wären damit verbunden. Einzig umfassende Recyclingstrategien würden dem vorbeugen. Die Idee ist, diese Rohstoffe einmal zu fördern und dann in einem langfristigen Recyclingprozess immer wiederzuverwenden. Sind diese Kreislaufprozesse erst einmal implementiert, sinken die Emissionen in der Wirtschaft rapide. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.