Lieferkettengesetz in Österreich 2024 : Lieferkettengesetz: Bürokratiemonster oder bessere Welt?

In der Logistikbranche, die innerhalb der Lieferkette eine wichtige Rolle spielt, ist man mit dem EU-Lieferkettengesetz nicht gerade glücklich.

In der Logistikbranche, die innerhalb der Lieferkette eine wichtige Rolle spielt, ist man mit den EU-Vorgaben nicht gerade glücklich.

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Die Absicht war lauter: Unternehmen sollten künftig im Sinne der Nachhaltigkeit weltweit die Menschenrechte und Umweltrisiken entlang ihrer Lieferketten mehr beachten und schützen. So das Ziel der EU.

Die Umsetzung in Gestalt der EU-weiten Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), die mit 374 Ja- sowie 235 Nein-Stimmen und 19 Stimmenthaltungen Ende April beschlossen wurde, lässt Kritikern zufolge allerdings zu wünschen übrig.

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Hauptkritikpunkt dabei sind der bürokratische Aufwand und damit verbundene Kosten. Denn die Richtlinie, die nach der Umsetzung in nationales Recht ab 2027 stufenweise angewendet wird, verpflichtet in der EU ansässige Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und zumindest 450 Millionen Umsatz, in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie dem ihrer direkten und indirekten Lieferanten menschenrechtliche und verschiedene Risiken für Umwelt und Arbeitnehmer zu ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu setzen und darüber zu berichten.

Weiters müssen sie ein Risikomanagementkonzept erarbeiten, wirksame Beschwerdeverfahren einrichten und regelmäßig Wirksamkeitskontrollen durchführen. Großunternehmen sind weiters verpflichtet, in einem Übergangsplan sicherzustellen, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele vereinbar sind.

Aber auch Unternehmen, deren Sitz in einem Drittstaat liegt, sind von der Richtlinie betroffen – und zwar dann, wenn mehr als 450 Millionen Euro Umsatz in der EU generiert werden. Bei Verstößen droht unter anderem eine Strafe in Höhe von bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens.

  • Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV)
    "Um international weiterhin konkurrenzfähig bleiben zu können, braucht es in der kommenden EU-Legislaturperiode dringend ein Umdenken des europäischen Gesetzgebers.“

    Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV)

Lieferkettengesetz und trotzdem keine bessere Welt

„Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa wurde mit dieser Entscheidung einmal mehr nachhaltig beschädigt. Um international weiterhin konkurrenzfähig bleiben zu können, braucht es in der kommenden EU-Legislaturperiode dringend ein Umdenken des europäischen Gesetzgebers“, sagt etwa Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV).

Notwendig sei ein umfassender, horizontaler, proaktiver Rahmen für eine neue europäische Industriepolitik. Aus Sicht der Wirtschaft drohe hier ein Bürokratiemonster, das den hehren Intentionen nicht gerecht werde, die eigentlichen Ziele nach wie vor verfehle und Europas Wettbewerbsfähigkeit massiv schade, heißt es auch aus der Wirtschaftskammer. „Die Absichten mögen die allerbesten sein. Mit mehr Bürokratie ist die Welt aber noch nie besser geworden“, so Rosemarie Schön, Leiterin der Abteilung Rechtspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

In der Logistikbranche, die innerhalb der Lieferkette eine wichtige Rolle spielt, ist man mit den EU-Vorgaben ebenfalls nicht gerade glücklich. „Die Crux ist, dass damit viele Bereiche berührt werden, die uns noch gar nicht bewusst sind“, sagt etwa Beate Färber-Venz, Geschäftsführerin von Venz Logistik in Hagenbrunn. Sie geht davon aus, dass auf die Branche ein „irrsinniger Aufwand“ zukomme. „Das Nächste ist, dass wir wahrscheinlich gleich gebeten werden, die geforderten Dienstleistungen zu erbringen. Wir wissen ja schließlich, wo wir was holen und wohin wir liefern“, so Färber-Venz.

Sie weist im Übrigen auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: „Es heißt zwar, dass nur die Großen in der Verantwortung sind. Aber in der Praxis sind auch KMU betroffen, die diese beliefern. Denn damit Erstere ihren Berichtspflichten nachkommen können, werden auch Zweitere in die Pflicht genommen“, sagt Färber-Venz.

Auch Franz Staberhofer, Leiter des Logistikums an der FH OÖ in Steyr und Obmann des Vereins Netzwerk Logistik (VNL) hadert mit dem Lieferkettengesetz: Es sei zwar essenziell, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltauflagen zu überprüfen. „Aber ich halte die Vorgaben der Richtlinie für sachlich nicht möglich. Für Große ist das vielleicht gerade noch machbar. Aber für mittlere und kleine Unternehmen ist das, was gefordert wird, unlösbar“, ist er überzeugt.

Um den Aufwand für Unternehmen zu reduzieren, ist Staberhofer vor einiger Zeit für eine Listenregelung eingetreten. „Es hätte eine Liste mit freigegebenen Unternehmen geben können und eine mit nicht-freigegebenen“, sagt er.

Nun stellt Staberhofer eine Alternative in Gestalt von Plattformen zur Diskussion: „Man gibt die Daten ein, erhält dann Bewertungen und kann diese priorisieren“, erklärt Staberhofer, der dafür eintritt, dass die Plattform-Lösung rechtliche Akzeptanz und Verbindlichkeit erhält. Denn eines sei unbestritten: „Natürlich muss man Transparenz über das Lieferantennetzwerk herstellen“, sagt er.

Die DHL Group unterliegt als deutscher Konzern bereits seit Jänner 2023 dem deutschen LKSG, heißt es bei DHL Express Austria in Wiener Neustadt. Wie das EU-Lieferkettengesetz in heimisches Recht übergeführt wird, ist noch offen.

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Lieferkettengesetz am Beispiel Deutschland

Unternehmen, die deutschen Betrieben zuliefern, haben diesbezüglich bereits erste Erfahrungen gesammelt. Bereits 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) für Betriebe mit mindestens 3.000 Mitarbeitenden in Kraft getreten, seit heuer gilt es auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern.

Sie sind nun dazu verpflichtet, sich entlang ihrer Lieferkette für den Schutz der Menschenrechte einsetzen und Umweltrisiken zu minimieren.

„Die DHL Group unterliegt als deutscher Konzern bereits seit Jänner 2023 dem deutschen LKSG und unterhält einen auf unsere Risikobewertung abgestimmten menschenrechtlichen Sorgfaltspflichtenansatz, welcher die durch das LKSG gesetzten Anforderungen erfüllt oder übertrifft. Diese Standards sind ebenso Teil unseres Lieferantenkodex, zu dessen Einhaltung sich unsere Vertragspartner verpflichten“, heißt es dazu bei DHL Express Austria in Wiener Neustadt.

Darin finden sich unter anderem Themen wie die Einhaltung von Gesetzen, ethischen Standards, Menschenrechten und fairen Arbeitsbedingungen genauso wie Arbeits- und Datenschutz, Informationssicherheit, Handelsregelungen, Bestechung und Korruption, Umwelt und freier Wettbewerb.

Wie das EU-Lieferkettengesetz in heimisches Recht übergeführt wird, ist noch offen, hat Österreich dazu doch nun zwei Jahre Zeit. „Ich hoffe nur, dass Österreich dabei nicht über das Ziel hinausschießt, wie in anderen Fällen“, sagt Färber-Venz.