Korruption und Transparenz in Österreich : Der schmale Grat zwischen politischem Engagement und Korruption

A businessman balancing on a tightrope high above a big city. He looks down at the rope before his next step as he nears the midpoint of the tightrope. Metal spikes are anchored into the concrete to help support the tightrope. The New York City skyline can be seen in the distance as a fog persists over the buildings.

Macht sich ein Politiker für ein bestimmtes Thema stark, kann dies für ihn rasch zum Drahtseilakt werden.

- © Getty Images

Österreich gibt sich auf der internationalen Bühne gerne als Musterschüler. Geht es allerdings um Transparenz und Korruptionsbekämpfung ist die Alpenrepublik weit von diesem Ziel entfernt. So verliert Österreich seit Jahren im Korruptionsindex von Transparency International (CPI) laufend an Punkten und ist nun erstmals gar aus den Top 20 geflogen. Dem Ende Jänner präsentierten Index 2022 zufolge hat Österreich im Vergleich zu 2021 neun Plätze verloren und rangiert mit einem Wert von 71 von 100 Punkten nun global auf Platz 22. Im Vorjahr hatte Österreich noch 74 Punkte erreicht, vor zwei Jahren waren es 76 Punkte. Diese Tendenz sei der NGO zufolge nicht nur negativ, sondern inzwischen auch besorgniserregend. Nur wenige Tage zuvor hatte bereits die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO) Österreich neuerlich grobe Mängel bei der Bekämpfung und Prävention von Korruption vorgeworfen. Moniert wurden unter anderem mangelnde Transparenz sowie politische Einflussnahme bei Postenbesetzungen in der Polizei.

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Doch ab wann kann man eigentlich von einem Zuviel an Engagement von Seiten der Politiker, aber auch der Behördenvertreter, reden? Denn eigentlich wird ja gerade von Ersteren verlangt, sich für Interessen von Wählern, und dazu gehört nun auch einmal die Wirtschaft, einzusetzen. „Die Grenze liegt dort, wo es um den Missbrauch des Mandats geht“, sagt Antikorruptionsexperte Martin Kreutner. Dabei sei nicht alles, was gerade noch legal ist, auch legitim. „Wenn sich ein deklarierter Umweltpolitiker auf einmal nachdrücklich für die Ansiedlung eines Fracking-Unternehmens einsetzt, muss das nicht illegal sein.

Aber er muss damit rechnen, dass ihm berechtigterweise Fragen zu den Gründen für seinen Gesinnungswechsel gestellt werden“, so Kreutner. Eine schiefe Optik entstehe auch, wenn ein Politiker häufig Termine bei oder mit Vertretern eines bestimmten Unternehmens absolviere und dann ein Kind desselben dort zu arbeiten beginne. „Und dann für die Position womöglich gar nicht ausreichend qualifiziert ist“, so Kreutner.

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Antikorruptionsexperte Martin Kreutner. - © Martin Kreutner
Die Bevölkerung muss sich informieren können, wessen Interessen hinter dem Engagement eines Politikers stehen.
Martin Kreutner

Den Einzelfall bewerten

Vertreten Mandatare nachdrücklich die Interessen jener Berufsgruppen, der sie selbst angehören, so müsse das im Einzelfall bewertet werden. „Setzt sich ein Nationalratsabgeordneter für den gesamten heimischen Tourismus ein, ist es kein Problem. Dazu wird es, wenn er sich nur für jenen in seiner Region stark macht, wo er noch dazu Inhaber eines Tourismusbetriebes ist – das wäre ebenfalls ein Mandatsmissbrauch“, beschreibt Kreutner. Für sein Demokratieverständnis sei es aber absolut wünschenswert, wenn im Parlament nicht nur Berufspolitiker sitzen, sondern dort die gesamte Bevölkerung und somit auch die Berufsgruppen ausgewogen vertreten seien, so der Experte weiter. Für die erforderliche Transparenz in diesem Zusammenhang sorge die Verpflichtung, dass Nationalrats- und Landtagsabgeordnete ihre Nebentätigkeiten im so genannten Transparenzregister offenlegen müssen. Mitglieder der Bundesregierung müssen auch ehrenamtliche Tätigkeiten offenlegen.

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„Die Bevölkerung muss sich informieren können, wessen Interessen hinter dem Engagement eines Politikers stehen“, sagt Kreutner. Dazu würde auch der „legislative Fussabdruck“ beitragen. Einem Beschluss des Europaparlaments zufolge müssen an neuen Parlamentsbeschlüssen mitwirkende Europaabgeordnete ihre Treffen mit Lobbyisten öffentlich auflisten. „In Österreich gibt es dazu eine Empfehlung. Aber es wäre definitiv sinnvoll, wenn man sehen könnte, wer zu Gesetzen beigetragen, wer Textbausteine dazu geliefert und wer interveniert hat“, ist der Experte überzeugt. Eindeutig geregelt ist übrigens ein Zuviel des Engagements im Strafrecht: Sobald, etwa für ein Gesetz, der Austausch von Gütern erfolgt oder intendiert worden sei, würde das als Korruption gehandelt. Apropos Bevölkerung: Vorgangsweisen wie die eben erwähnten sind zwar hierzulande nach wie vor üblich, doch die Toleranz der Bevölkerung ihnen sowie der „Verhaberung“ gegenüber hat Kreutner zufolge in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen.

Übrigens
: Den Missbrauch von Mandaten gibt es ihm zufolge in allen Bereichen des Lebens: „Es ist durchaus positiv und legal, wenn Lehrer und Eltern Kontakt pflegen. Aber wenn Eltern den Lehrer öfter einladen oder sich als Begleitpersonen bei Schulausflügen aufdrängen, in der Intention, ihrem Kind so zu einer besseren Note zu verhelfen, dann ist die Grenze überschritten – ohne, dass dieses Ziel jemals laut ausgesprochen wurde“, so der Initiator des Antikorruptionsvolksbegehrens, das im Vorjahr von mehr als 300.000 Menschen unterzeichnet wurde.

Strengeres Antikorruptionsgesetz

Prinzipiell positiv sieht er das revidierte Antikorruptionsgesetz, dessen Begutachtungsphase Anfang März endete. „Damit werden zwei große Lücken im Strafrecht geschlossen“, sagt Kreutner. Zum einen soll der Begriff des Amtsträgers auf Personen, die realistische Aussichten auf ein Amt haben, ausgeweitet und somit die Kandidatenbestechung strafbar werden. Zum anderen ist geplant, den Mandatskauf unter Strafe zu stellen. „Aber es gibt noch einige größere Brocken, die offen sind. Dazu gehört das Informationsfreiheitsgesetz“, sagt Kreutner. Österreich sei eine der letzten Demokratien weltweit mit einem Amtsgeheimnis. Ebenfalls noch nicht befriedigend sichergestellt sei die Unabhängigkeit der Justiz, und da vor allem der Staatsanwaltschaften - etwa durch eine Bundesstaatsanwaltschaft.

„Würden wir heute einen Antrag zum EU-Beitritt stellen, würde dieser aus diesem Grund abgelehnt oder wir müssen nachbessern“, weiß der Antikorruptionsexperte. Nicht zuletzt sollte das Bundesarchivgesetz, das regelt, welche Informationen im Staatsarchiv abgelegt werden, dringend reformiert werden. So gäbe es für Papierakten und dergleichen genaue Vorschriften, nicht aber für die Archivierung von virtuellen beziehungsweise digitalen Daten auf dienstlich genutzten Handys, Terminkalendern und Festplatten.

Image depicting corporate greed and corruption
Mit dem geplanten Antikorruptionsgesetz werden zwei große Lücken im Strafrecht geschlossen. - © Getty Images/iStockphoto

Zur Person:

Martin Kreutner war acht Jahre lang Dekan und Geschäftsführer (Dean and Executive Secretary) der International Anti-Corruption Acadamy (IACA). Von 2001 bis 2010 war der studierte Jurist und Sozialwissenschaftler Leiter der österreichischen Anti-Korruptionsbehörde, ebenfalls neun Jahre war er Präsident des europäischen AC-Dienstellennetzwerkes European Partners against Corruption (EPAC/EACN). Der Initiator des Antikorruptionsvolksbegehrens berät darüber hinaus seit Jahren Organisationen wie die UN, Europarat, Europäische Union, OSCE, Transparency International und Weltbank in Anti-Korruptions- und Compliancefragen.