Medientransparenzgesetz neu in Österreich : Der Kahlschlag der Medienvielfalt

An illustration of businessman arm controling media manipulation

Wie Politik und Gesetze die Medienvielfalt in Österreich gefährden. Analyse des Presseförderungs- und Medientransparenzgesetzes.

- © Getty Images/iStockphoto

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Der Gesetzesentwurf schießt in vielen Punkten weit übers Ziel hinaus und wird in der derzeitigen Fassung zu einem weiteren Kahlschlag der Medienvielfalt führen. Die politische Beeinflussung auf die Berichterstattung wird außerdem keineswegs verhindert. Eine kritische Bestandsaufnahme.

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Es ist das ureigenste Geschäftsmodell der Medien, Reichweite und Zielgruppenansprache für das Kommunikations- und Informationsbedürfnis der Anzeigenkunden entgeltlich zur Verfügung zu stellen. Das Anzeigengeschäft macht im Schnitt bis zu 80 Prozent der Einnahmen der Medienunternehmen aus. Der Anteil öffentlicher Inserate beträgt dabei im Durchschnitt 20 bis 30 Prozent. Man könnte also meinen, eine Politik, der die Medienvielfalt im Land ein Anliegen ist, sollte sich daher bedachter und zurückhaltender über das Hauptgeschäftsmodell der Medien äußern und dieses nicht mutwillig für politische Stimmungsmache beschädigen.

Die Medienbranche, speziell im Printbereich, steht seit Jahren unter Druck. Vor allem kleinere und mittlere Verlage sind finanziell besonders herausgefordert. Nicht nur, dass die Berichterstattung von rechts und links des politischen Spektrums zunehmend unter Kritik steht, auch wird durch die Politik seit Jahren in nicht sehr verantwortungsvoller Weise die wirtschaftliche Haupteinnahmequelle, das Anzeigengeschäft, in Verruf gebracht, was sich inzwischen in der öffentlichen Meinungsbildung negativ niederschlägt. Das ständige Verwenden von Begrifflichkeiten wie „Inseraten-Korruption“ oder der andauernde Vorwurf der gekauften Berichterstattung erzeugt ein allgemeines Wahrnehmungsbild über Werbung in Printmedien sowie über das Geschäftsmodell generell.

Inserate: Eine kurze Geschichte der politischen Einflussnahme

Dass die Politik die ökonomische Macht des Faktischen bei der Inseratenvergabe zur Einflussnahme auf die Berichterstattung nutzt und nutzte, ist leider eine Tatsache. Die aufgedeckten Skandale rund um Kurz-Adlatus Thomas Schmidt haben nicht nur ein missbräuchliches Verhältnis der Politik zu Medien offenbart, sondern auch von Medien zur Politik. Wie durch Chatprotokolle aufflog, umwarb beispielswiese der Ex-Chefredakteur der Presse, Reiner Nowak, für Top-Jobs beim ORF politische Entscheidungsträger. Ein solches vorteilhaschendes Naheverhältnis zur Politik steht Journalistinnen und Journalisten natürlich ebenfalls schlecht zu Gesicht.

Zuletzt gab es sogar beim ORF Rücktritte wegen unsauberer Nähe zur Politik. So trat erst Anfang Februar ORF-NÖ-Landesdirektor Robert Ziegler wegen dem Vorwurf der politischen Einflussnahme auf die Berichterstattung zurück, was zeigt, dass selbst der mit Gebühren (und nicht mit Inseraten!!!) finanzierte ORF davor nicht gefeit ist. Um die Entwicklung der letzten Jahre in der vermurksten Beziehung zwischen Politik und Medien nachvollziehen zu können, muss man in die Ära Faymann zurückblicken. Wie auch das investigative Magazin DOSSIER kürzlich wieder berichtete, war Werner Faymann der erste Bundeskanzler, gegen den die Staatsanwaltschaft noch während seiner Laufzeit wegen „Inseratengeschäften“ ermittelt hat. Faymann und sein Staatssekretär Josef Ostermayer sind die eigentlichen Architekten eines Systems, das sich wohlwollende politische Berichterstattung mit Steuergeld „erkaufte“.

Mit der Inseratenvergabe wurde durch sogenannte „Medienkooperationen“ auf die rein redaktionelle Berichterstattung in reichweitenstarken Boulevardmedien Einfluss genommen. Große Medienbosse haben bereitwillig mitgespielt, da die Branche zu diesem Zeitpunkt gerade die digitale Konkurrenz von Google, Facebook und Co. besonders stark zu spüren begann. Die Inseratenaffäre rund um Faymann und Ostermayer führte zum ersten Medientransparenzgesetz (MedKF-TG) und zum Kopf-Verbot öffentlicher Amtsträger auf Inseraten. 2013 wurden die Ermittlungen eingestellt. Unter Sebastian Kurz wurde das System fortgeführt und sogar noch weiter auf die Spitze getrieben. Die Medienagenden für die Regierung wurden im Bundeskanzleramt zentral gebündelt und vom Ballhausplatz wehte fortan ein rauer Wind in Form der Message Control in die Redaktionsstuben der Republik.

Keine Inserate für kritische Medien

Sich mit Inseraten wohlwollende Berichterstattung quasi „mitzukaufen“ ist nur eine Form der Beeinflussung. Bedenklich, wenn das positive redaktionelle Umfeld zur Voraussetzung für das Inserat wird. Demokratiepolitisch absolut gefährlich, wenn kritische Medien mit der ökonomischen Macht des Inserats mundtot gemacht werden sollen. Kritische Berichterstattung abzustrafen, indem an ein Medium keine Inserate mehr vergeben werden, ist die viel schädlichere Form der Einflussnahme und leider auch wesentlich schwerer zu kontrollieren. Hier kann man wirklich von politischem Machtmissbrauch sprechen. Den Wirtschaftsnachrichten wurde einst aus dem Umfeld des damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider wegen eines kritischen Artikels die Einstellung jeglicher Inserate angedroht.

Auch der Chef der VGN-Medien-Holding, Horst Pirker, berichtete Ende 2021 gegenüber dem Branchenmedium „medianet“, dass ihm aus dem Finanzministerium jegliche Inserate als Reaktion auf kritische Berichterstattung gekündigt worden waren. „Bist du brav, kriegst du mehr, bist du weniger brav, kriegst du weniger. Und bist du überhaupt schlimm, bekommst du gar nichts. Samt den dazugehörigen Mechanismen wie Drohungen, Erpressungen und, und, und. Das ist tatsächlich nach Mafia-Art“, beschrieb Pirker die Praxis der Politik. Doch nur so lange solche Drohungen offen ausgesprochen werden, können sie auch öffentlich angeprangert und sanktioniert werden. Macht die Politik gute Miene zum bösen Spiel, ist der Nachweis kaum zu erbringen. Klarerweise lässt es sich nicht belegen, wenn Inserate von Ministerien bevorzugt in nicht kritisch berichtenden Medien geschalten werden. Bleibt der direkte Drohanruf beim Herausgeber oder dem Chefredakteur aus, fehlt jeglicher Beweis. Aber auch mit Schweigen kann man strafen.

Picture of a press kiosk in the center of Vienna, Austria, filled with newspapers aligned in a magazine rack, all in German language.
In Österreich gibt es nach der Einstellung der Wiener Zeitung noch 13 Tageszeitungen. 50 Prozent der Reichweite konzentriert sich dabei auf vier Titel. Demgegenüber stehen über 1.700 Printtitel bei Wochen-, und Monatszeitschriften sowie Periodika. Nur etwa 500 Titel unterziehen sich einer Auflagenkontrolle durch die ÖAK. - © Getty Images

Das Spiel mit der vierten Macht

Um das ungesunde Naheverhältnis zwischen Politik und Medien wieder in eine vernünftige Distanz zu rücken, hat die Bundesregierung nun ein neues Presseförderungs- und Medienkooperations- und Transparenzgesetz beschlossen. Die Begutachtungsfrist dafür lief am 19.12.2022 aus. Es beinhaltet u.a. eine deutliche Aufstockung der Presseförderung auf 20 Millionen Euro sowie weitere 15 Millionen Euro für Qualitätsjournalismus-Förderung. Auch Wochen- und Monatstitel sollen in den Bezugskreis der Förderungen aufgenommen werden, was zunächst positiv für die Medienvielfalt klingt. Dennoch stoßen die Förderkriterien in den zahlreichen Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf viele Branchenvertreter vor den Kopf. Beispielsweise monieren zahlreiche kleinere Medienverlage, dass Magazine mindestens drei hauptberufliche Journalistinnen bzw. Journalisten beschäftigen müssen, um Presseförderung zu erhalten, was kleinere Verlage tendenziell schlechter stellt.

Wie viele Journalisten ein Medium hat und in welcher Form diese für ein Medium tätig sind, ist streng genommen kein Kriterium für Qualitätsjournalismus. Gerade zahlreiche freie, investigativ arbeitende Journalistinnen und Journalisten sind davon nicht erfasst. Auch, dass Onlinemedien mindestens 30 Millionen Zeichen an Inhalt produzieren müssen und pro Monat mindestens 300.000 Unique User aufweisen solle, wird von vielen als praxisfern, weil viel zu hoch angesetzt, beurteilt. Generell ist die Tendenz der Politik erkennbar, die Presseförderung als Finanzierungsquelle der Medien auszubauen.

Man muss sich aber hier auch die Frage stellen, inwieweit eine Abhängigkeit entstehen kann, die zu einer politischen Einflussnahme führt. Wenn die Politik die Kriterien für Presseförderung und vor allem zur Definition von Qualitätsjournalismus vorgibt und allzu eng absteckt, sind die Medien erst wieder der politischen Großwetterlage ausgesetzt. Zur Beurteilung der Kriterien soll nämlich ein Fachbeirat bei der KommAustria eingerichtet werden, der aus fünf Mitgliedern bestehen soll, die von der Bundesregierung für die Dauer von drei Jahren ernannt werden. Dass eine FPÖ in der Regierung vielleicht ein ganz anderes Medienverständnis anlegen und entsprechend genehme Expertinnen und Experten entsenden würde als etwa die Grünen, sollte die Volatilität der politischen Einflussnahme auf die Presseförderung hinreichend deutlich machen. Der ach so „parteiunabhängige" ORF-Stiftungsrat lässt grüßen.

Verschärfte Transparenzregeln torpedieren Medienvielfalt

Die größten Auswirkungen sind aber durch die Verschärfungen der Medientransparenzregeln zu erwarten. Ab einen Betrag von 5.000 Euro pro Quartal müssen alle Werbesujets jeglicher Art veröffentlicht werden. Ab einem Kampagnenwert von 150.000 Euro müssen die öffentlichen Rechtsträger einen umfangreichen Bericht über Inhalt und Ziel der Werbekampagne abliefern und die Auswahl der Medien, in denen geschaltet wird, begründen. Ab 750.000 Euro ist zusätzlich eine umfangreiche Wirkungsanalyse vorgeschrieben. Die beiden großen Print-Branchenverbände VÖZ (Verband Österreichischer Zeitungen) und ÖZV (Österreichischer Zeitschriftenverband) kritisieren diese Maßnahmen deutlich.

Nicht ohne Grund gibt es international bis dato keine Vergleichbare Verpflichtung zu einer solchen Wirkungsanalyse und auch keinerlei Best-Practice-Beispiele, kommentieren VÖZ und ÖZV auf Nachfrage. Abgesehen von den immensen Kosten, die auf Gebietskörperschaften und Medienhäuser zukommen, um diese Analysen durchzuführen, ist es beinahe unmöglich, die Wirkung von Anzeigen in gedruckten Produkten zu messen. Eine diesbezügliche Verpflichtung würde den bestehenden Trend hin zu digitalen Kommunikationsträgern und Werbung auf Onlineplattformen weiter verschärfen, werden VÖZ und ÖZV sehr deutlich. Beide vertreten zusammen den Großteil aller Tages- Wochen- und Monatstitel in Österreich.

Das Problem ist folgendes: Wenn öffentliche Rechtsträger ihre Werbekampagnen umfangreich dokumentieren und begründen müssen, brauchen sie dafür auch verlässliche Mediendaten über Reichweite, Zielgruppenansprache, Leserverhalten, etc. etc. Diese Daten müssen aber die Medien selbst für viel Geld bei Umfrageinstituten in Auftrag geben und das regelmäßig.

Newspapers being printed in printing press.
An den heimischen Printmedien hängen direkt und indirekt ca. 20.000 Arbeitsplätze von den Redaktionen bis zu den Druckereien. - © Getty Images

Medientransparenzgesetz: neu und verschärft

Größe Medienhäuser tun sich wesentlich leichter, solche Analysen zu finanzieren. Aber die überwiegende Mehrheit kleinerer und vor allem regionaler Medien in Österreich kann sich das nicht leisten. Das neue verschärfte Medientransparenzgesetz droht, für diese zur gläsernen Decke zu werden. Denn kann ein Medium keine validen und unabhängig überprüften Daten vorlegen, wird es für die öffentlichen Rechtsträger nicht mehr begründbar sein, in diesem zu schalten. Durch die verschärften Transparenzregeln werden große Medienhäuser mit kleinen Zeitschriftenverlagen und österreichweite mit regionalen Titeln in einen Topf geworfen. Das erzeugt eine Ungleichheit am Markt beim Zugang zu öffentlichen Inseraten, die so von der Politik und den Bürgerinnen und Bürgern sicher nicht gewollt sein kann. Dass je nach Finanzkraft eines Verlagsunternehmens sehr unterschiedliche Voraussetzungen zur Erfüllung der Transparenzkriterien vorliegen, sollte klar sein. Und wer denkt, dass dies nur Werbeeinschaltungen von Bundesministerien betrifft, irrt.

Die Regelungen gelten für alle öffentlichen Rechtsträger, vom Bund abwärts bis zu den Gemeinden und für alle Unternehmen und Institutionen mit staatlicher Beteiligung. „Der Transparenzbericht und die Wirkungsanalyse begünstigen tendenziell Reichweitenmodelle, kleinere Medien wie z. B. Fachmedien sind in ihren Leistungswerten anders zu beurteilen und würden dadurch benachteiligt“, heißt es auch vonseiten des VÖZ und des ÖZV. Der Gesetzesentwurf berücksichtigt bisher die Vielzahl an heimischen Medien im Bereich der Special-Interest-Magazine bzw. Fachzeitschriften nicht. Mit mehr als 1.700 Titeln sind diese jedoch ein wesentlicher Bestandteil der Meinungs- und Medienvielfalt und leisten qualitative journalistische Arbeit.

„Vonseiten des Zeitschriftenverbands appellieren wir für eine entsprechende Berücksichtigung der Fachmedien im neuen Gesetz ein, da die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung zu einem Kahlschlag bei der Titelvielfalt führen kann“, resümiert etwa der für Fachmedien zuständige ÖZV. Beide großen Printverbände fordern daher die „ersatzlose Streichung“ der Wirkungsanalyse. Für viele kleinere Verlage kommt aber auch die Presseförderung wegen der aktuell hohen Einstiegshürden dann nicht infrage.

Gerade qualitätsvoller Journalismus – und das neue Gesetz heißt ja Qualitätsjournalismus-Förderungsgesetz – basiert auf intensiver Recherche und sollte nicht an zu hoch angesetzten Zeichenzahlen gemessen werden.
Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen

Kleine Medien kommen unter Druck

Dieser Umstand scheint der Politik bisher kaum bewusst gewesen zu sein. Zumindest teilweise hat man die Problematik bei der Opposition verstanden. SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried sieht die Kriterien für die Presseförderung für viele Medien als zu hoch angelegt. Kleinere und innovative digitale Medien sieht er dadurch ausgeschlossen. Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen kündigt auf Nachfrage der Wirtschaftsnachrichten zumindest teilweise Nachbesserungen beim Zugang zur Presseförderung an.

„Wir nehmen die Stellungnahmen sehr ernst und sehen bei den genannten Hürden ebenfalls Anpassungsbedarf. Gerade qualitätsvoller Journalismus – und das neue Gesetz heißt ja Qualitätsjournalismus-Förderungsgesetz – basiert auf intensiver Recherche und sollte nicht an zu hoch angesetzten Zeichenzahlen gemessen werden“, so Blimlinger. Dass aber kleinere Medien durch die Transparenzregeln unter Druck kommen, sehen beide so nicht „Die Berichtspflichten sind erst bei Kampagnen ab 150.000 Euro sowie ab 750.000 Euro („Wirkungsanalysen“) durchzuführen, das betrifft kleinere Medien in der Regel nicht“, befindet Blimlinger. Eine Erklärung, warum kleinere Medien nicht betroffen sein sollten, liefert sie auf Nachfrage jedoch nicht.

Auch die Stellungnahme des VÖZ und des ÖZV hinsichtlich der Wirkungsanalyse weist sie zurück. „Selbstverständlich ist die Wirkung einer Kampagne messbar, das geschieht auch jetzt schon und ist eine Frage der Professionalität von Kommunikationsmaßnahmen. Das Gesetz legt hier klare Kriterien fest und es sollen sowohl quantitative als auch qualitative Parameter gemessen werden“, so Blimlinger. Auch Leichtfried sieht die Transparenzgesetze nicht als Hindernis für die Medienvielfalt: „Da öffentlichen Rechtsträgern für eine faktenbasierte Entscheidung, wo und in welchem Ausmaß Inserate geschaltet werden und wer damit erreicht werden soll, ohnehin Informationen über Auflage, Reichweite und erreichbare Zielgruppen vorliegen müssen“.

Dass diese aber, wie bereits erwähnt, mit erheblichem Kostenaufwand verbunden sind (weswegen kleinere Medien finanziell benachteiligt werden), kann damit nicht entkräftet werden. Auch wird es für kleine, regionale und lokale Medien nicht nur finanziell, sondern auch aus rein pragmatischen Gründen, keinen Sinn machen, bei den großen nationalen Medienerhebungen, wie der Media-Analyse oder der LAE, teilzunehmen.

Wie die Politik weiterhin Inseratenvergabe steuern kann

Während man vieles im Gesetz durch Streichung oder Nachbesserung reparieren kann, so liefert es in einem Punkt nicht, was die Politik verspricht, nämlich das Verhindern einer politisch motivierten Vergabe von Werbegeldern. Denn begründet werden muss nur die Auswahl der Medien, an die Inserate vergeben werden, nicht aber, warum ein Medium keine erhält. Der bereits eingangs beschriebenen Falls, dass kritische Berichterstattung mit einem Inseratenstopp abgestraft werden kann, beugt man damit nicht vor.

Bleibt das unausgesprochen und wird ein kritisches Medium bei der nächsten Kampagne einfach nicht mehr berücksichtigt, dann braucht es dafür keine Begründung. Das schafft nicht mehr, sondern weniger Transparenz. Durch die Berichtspflichten ließen sich kaum vergleichbare und objektivierbare Gründe ableiten, warum, wo, weshalb Inserate geschalten werden. Für ein Medium, dass sich bei der Vergabe benachteiligt oder nicht berücksichtigt, fühlt ist es kaum möglich, dagegen anzugehen.

An einem ungesunden Naheverhältnis von Politik und Medien dürfte sich daher wenig ändern. Wer sich jetzt schon abgesprochen hat, wird das weiterhin tun können und seine Berichterstattung so ausrichten, dass man bei der nächsten Werbekampagne wieder dabei ist. Ob nun Presseförderung oder Inseratenvergabe, das neue Gesetz unterwirft die vierte Macht im Staat, die Medien, den Kriterien der Politik. Man könnte es in diesem Zusammenhang fast schon als ironisches Indiz verstehen, dass die Wörter „Medienvielfalt“ und „Pressefreiheit“ im neuen Bundesgesetz kein einziges Mal vorkommen und „kritische Berichterstattung“ oder „investigativer Journalismus“ als Kriterien für eine Presseförderung nicht genannt werden.

Die Krux mit der Wirkungsmessung

Dass es mit einer Wirkungsanalyse aber auch medienwissenschaftlich nicht so einfach ist, zeigt ein Blick in das österreichische Medienhandbuch 2021. Darin schreibt Clarissa Moughrabi, Forschungsdirektorin beim deutschen Axel Springer Verlag, über die „(Un-)Berechenbarkeit“ in der Wirkungsforschung. Oft sei methodisch nicht klar, was man wirklich messen würde. Auch Sie stellt fest: Gute Forschung kostet Geld.

Es gibt einen deutlichen Unterschied, ob man etwa die Werbewirkung für ein Produkt misst, oder für politische Inhalte. Bei ersterem lässt sich zumindest eine Korrelation zwischen Werbekampagne und dem Produktverkauf oder dem Marktanteil herstellen. Doch wie misst man z.B. die Wirkung einer Informationskampagne eines Bundesministeriums für ein neues Gesetz? Die Bewerbung politischer Maßnahmen lässt sich letztendlich nur an politischen Umfrageergebnissen objektiv messen. Sind diese für die Regierung schlecht, lag es dann an der Werbekampagne oder doch an den politischen Inhalten?

Wie viel darf Kontrolle kosten?

Sowohl mehrere Landesregierungen als auch die Medienregulierungsbehörde KommAustria weisen in ihren Stellungnahmen daraufhin, dass der Verwaltungsaufwand durch das neue Bundesgesetzt erheblich steigen wird. Die Stadt Wien geht von einem finanziellen Mehraufwand von 450.000 Euro pro Jahr aus, um den Dokumentationsaufwand zu bewerkstelligen. Ähnliche Sorgen äußern etwa die Arbeiterkammer sowie der Österreichische Städtebund.

Dieser schreibt: „Die nun geforderten Zusatzinformationen und der enorm gestiegene Umfang werden in einigen Städten und Gemeinden als nicht bewältigbar angesehen.“ Die finanzielle Mehrbelastung für die Verwaltung ist für ganz Österreich nicht absehbar und droht, zu einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu werden. Kontrolle braucht Maß und Ziel.

Welche Regeln es tatsächlich braucht

Kommentar von Stefan Rothbart

Öffentliche Rechtsträger haben eine Informationspflicht. Sie müssen die Bürgerinnen und Bürger über ihr Wirken durch Kampagnen informieren. Dies möglichst effizient und wirtschaftlich zu betreiben, sind die jeweiligen Fachabteilungen bereits jetzt aufgefordert. Insofern verwundert das neue Gesetz von ÖVP und Grüne doch sehr, denn zumindest der Teil mit der Medientransparenz ist eine glatte Themenverfehlung. Dass Ministerien und Co. Inserate schalten ist also nichts Verwerfliches. Wie viel Geld dafür ausgegeben werden soll, muss selbstverständlich die Politik klären. Um aber ein unsauberes Naheverhältnis zwischen Politik und Medien zu verhindern, braucht es gänzlich andere Regelungen als eine so drastische Verschärfung des Medientransparenzgesetzes, welches die ohnehin schwierige Situation der Medien noch verschärft und zudem nichts weiter als ein Kontrollgesetz für Beamtinnen und Beamte ist. Diese müssen den erhöhten Verwaltungsaufwand schultern und bei Verfehlungen mit enorm hohen Strafen rechnen.

Was es braucht, sind weisungsungebundene Fachabteilungen, wo erfahrene und neutrale Beamtinnen und Beamten über die Vergabe von öffentlichen Werbegeldern ohne Politikeinfluss entscheiden. Dass aus den politisch besetzten Kabinetten mitbestimmt wird, welches Medium wie viel Zuwendung bekommt, muss abgestellt werden. Ein Blick in die Schweiz oder nach Deutschland ist hier lohnend, wo es eigene, weit von der Politik getrennte, Beschaffungsstellen gibt, die die Vergabe öffentlicher Werbegelder erledigen. Es braucht Compliance-Regeln für die Politik, was im Umgang mit Medien gestattet ist und was nicht, aber auch für die Medienbrache selbst. Dass Chefredakteure bei großen Verlagshäusern gleichzeitig auch Geschäftsführer oder Herausgeber sein können, ist quasi ein „One-Stop-Shop“ für die Politik, um die Berichterstattung zu beeinflussen. Hier braucht es strengere Vorschriften, dass die redaktionell inhaltliche und die betriebswirtschaftliche Ebene in Medienhäusern ab einer gewissen Größe personell strikt getrennt gehört und solche Strukturen sollten auch ein Kriterium für Presseförderung sein.

Printmedien in Österreich

Daten & Fakten (2019), Quelle: VÖZ

  • 1.790.000.000 Euro Netto-Umsatz
  • 1.215.100.000 Euro Brutto-Wertschöpfung
  • 621.100.000 Euro Steuern und Abgaben
  • Insgesamt 19.874 Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt an Printmedien
"Vienna, Austria - March 12, 2013: People are on the metro station two woman reading while waiting their trains."
Printmedien sind in Österreich sehr stark auf den Raum Wien konzentriert. Die Gratis-Tageszeitung „Heute“ wird ausschließlich in Wien verbreitet und ist mit über 600.000 gedruckter Auflage bereits die zweitgrößte Tageszeitung im Land. - © Getty Images

Werbemarkt in Zahlen

Jahr 2020/2021, Quelle: Medienhandbuch 2021.

Presseförderung: Keine Anreize für investigativen Journalismus?

  • Investigativer Journalismus und kritische Berichterstattung sind keine Kriterien für eine Presseförderung.
  • Die Branchenverbände der Printmedien VÖZ und ÖZV warnen vor einem Kahlschlag der Titelvielfalt.
  • Bis zu 1.700 Titel im Bereich der Fachmedien droht eine Schlechterstellung durch das neue Gesetz.
  • Datenflut statt echter Transparenz: Beeinflussung der Medien durch die Politik weiterhin möglich.