Bauwirtschaft Österreich 2024 : Wie die Flaute am Bau die Wirtschaft ruiniert
Österreichs Bauwirtschaft rutscht immer tiefer in die Krise. Im ersten Halbjahr 2024 verzeichneten alle Branchen ein reales Minus. Der Wirtschaftsmotor „Bau“, der bis in das Jahr 2022 wie geschmiert gelaufen ist, ist gehörig ins Stottern gekommen.
Viele der kleinen bis mittleren heimischen Gewerbebetriebe befinden sich derzeit im Leerlauf. Baustellen sind verwaist, Häuser stehen halbfertig in der Gegend herum. Zahlreiche Projekte schaffen es nicht einmal mehr bis zur Planung.
„Das Gewerbe und Handwerk steckt weiter in der Rezession, wobei sich der Abschwung noch verschärft hat“, bestätigt Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ.
Nie mehr die wichtigsten Nachrichten über Österreichs Wirtschaft und Politik verpassen. Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter: Hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung!
„Die Hoffnungen von Anfang Juli haben sich nicht bewahrheitet. Die Bauschwäche ist nicht behoben“, so Scheichelbauer-Schuster.
Einmal mehr ist das Minus in den investitionsgüternahen Brachen besonders eklatant. Die Zahlen sprechen für sich: Die Metalltechnik verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 ein Minus von 12,3 Prozent. Der Holzbau lag bei minus 11,9 Prozent und auch das Baugewerbe musste einen Rückgang von 10,9 Prozent hinnehmen. So die Ergebnisse der vierteljährlichen Konjunkturbeobachtung der KMU Forschung Austria.
„Die Rückgänge im Bau sind nun auch voll im Ausbaugewerbe angekommen“, betont Christina Enichlmair von der KMU Forschung Austria. „Auch der Auftragsbestand ist deutlich gesunken: 40 Prozent der Betriebe könnten sofort zusätzliche Aufträge ausführen – ein hoher Wert für das dritte Quartal.“
Das ist ein herber Rückschlag, der die Stimmung drückt und den Ausblick auf das Jahresende eintrübt.
„Nur 16 Prozent der Betriebe erwarten für das vierte Quartal eine positive Umsatzentwicklung, während 29 Prozent von weiteren Rückgängen ausgehen“, sagt Enichlmair.
Besonders düster ist der Ausblick in den investitionsgüternahen Branchen. Mit einem Saldo von minus 19 Prozentpunkten liegt dieser Bereich deutlich unter dem konsumnahen Segment, das zumindest einen neutralen Saldo von 0 Prozentpunkten aufweisen kann.
Kampagne in Oberösterreich soll Lust aufs Bauen machen
Der oberösterreichische Bausektor beschäftigt einschließlich der vielen vor- und nachgelagerten Branchen rund 100.000 Personen. Das reicht vom Landschaftsgärtner und Poolbauer bis zum Bautischler. Die vielen unterschiedlichen Klein- und Mittelbetriebe sind Garanten für viele Arbeitsplätze samt einer nachhaltigen regionalen Wertschöpfung.
„Deshalb ist es besonders wichtig, dass die gesamte Bauwirtschaft in unserem Bundesland wieder mehr Auftrieb und nachhaltige Impulse erhält“, so Norbert Hartl, Landesinnungsmeister Bau OÖ. „Jeder vierte gewerbliche Arbeitsplatz in Oberösterreich entfällt auf die Baubranchen im weitesten Sinn.“
Seit 2019 bilden die fünf Fachgruppen Bau, Bauhilfsgewerbe, Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Dachdecker, Glaser und Spengler sowie Holzbau den Branchenverbund Bauwirtschaft OÖ. Dieser generiert knapp 5,4 Milliarden Euro im Jahr. Im Jänner hat der Branchenverbund gemeinsam mit der Holzindustrie, der Stein- und keramischen Industrie und der Bauindustrie die Kampagne „#wirmachenswahr2024 – wieder Lust am Bauen und Renovieren“ gestartet, um die Flaute am Bau bekämpfen.
„Wir haben genug freie Kapazitäten. Und die Preise von Material und Energie oder die Finanzierungskosten werden, wenn überhaupt, nur marginal zurückgehen“, macht Hartl Mut zum Handeln. „Es gibt keinen Grund für Zögern und neuerliches Aufschieben.“
Der Grund für die geballten Kommunikationsaktivitäten liegt auf der Hand. Auch in Oberösterreich hat die Bauwirtschaft schon bessere Zeiten gesehen. Die Bauproduktion sank bereits im Jahr 2023 von 6,3 auf 6 Milliarden Euro.
„Nach jeder großen Hitze folgt auch eine Abkühlung. Das kann man auch für die Überhitzung der Baubranche in den letzten Jahren sagen“, bemerkt Martin Greiner, Landesinnungsmeister der Bauhilfsgewerbe. „Die Überhitzung hat sich nun normalisiert, die Preissituation bei vielen Baustoffen hat sich entspannt, Verfügbarkeitsengpässe haben sich aufgelöst und Lieferketten funktionieren wieder.“
Darüber hinaus gibt es genügend Arbeitskräfte, die für eine zeitgerechte Umsetzung bei Bauvorhaben in Oberösterreich sorgen.
-
Die Rückgänge im Bau sind nun auch voll im Ausbaugewerbe angekommen.
Christina Enichlmair, KMU Forschung Austria
Baustoffindustrie als Alarmindikator
Zudem wird in Zukunft mehr Wohnraum benötigt werden, da die österreichische Bevölkerung laut Statistik Austria bis 2026 um 106.000 Personen zulegen wird.
2022 gab es in Österreich nur 58.900 Baubewilligungen – 2019 waren es noch 85.000. In Oberösterreich sind die Baubewilligungen von 13.000 im Jahr 2022 auf 8.000 Wohneinheiten im Vorjahr gesunken. Der Bedarf an Wohnungen und Häusern wird künftig also wieder steigen.
„Jetzt müssen die Infrastrukturprojekte der nächsten Jahre geplant werden, um eine Umsetzung in absehbarer Zeit möglich zu machen“, mahnt Manfred Asamer, der Fachvertretungsvorsitzende der oö. Stein- und keramischen Industrie.
„Im Bereich des Wohnhausneubaus hat die Regierung das Heft in der Hand und kann schnell und wirksam tätig werden. Denn wenn die österreichische Baustoffindustrie hustet, steht die nachgelagerte Wirtschaft knapp vor einer Lungenentzündung. Wenn mit der Baustoffindustrie bereits das Fundament wackelt, dann herrscht auch höchste Alarmstufe für die nachgelagerten Baubranchen.“
-
Wer jetzt überlegt, in Immobilien zu investieren, sollte das heute tun. Das Einzige, was nämlich in Zukunft nicht fallen wird, sind die Preise für Neubauten und ökologisch nachhaltig sanierte Altbauten.
Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ)
Niederösterreichs Bauwirtschaft weiter unter Druck
„Wie in den ersten beiden Quartalen ist die gesamtökonomische Stimmungslage aufgrund schwacher Nachfrage in Industrie und Baugewerbe negativ“, bringt es Wirtschaftskammer NÖ-Präsident Wolfgang Ecker auf den Punkt. „Positiver könnte sich möglicherweise die Zukunft im Hochbau darstellen. Hier hat sich die Fallgeschwindigkeit in letzter Zeit bereits verlangsamt, was auf einen Wendepunkt hindeutet.“
Niederösterreich liegt bei der Arbeitslosenquote im Bausektor mit 5,7 Prozent weiterhin unter dem Österreich-Schnitt von 6,2 Prozent. Dennoch stieg die Arbeitslosenquote auch in NÖ im Juni auf ein Plus von 16,8 Prozent.
„Im Hoch- und Tiefbau gibt es allerdings wieder mehr offene Stellen als im Vorjahreszeitraum“, bestätigt Ecker.
Die Zahlen der niederösterreichweiten Baubewilligungen bereiten dem WKNÖ-Präsidenten derzeit noch größere Sorgen: „Im ersten Quartal 2022 gab es noch 1.264 Baubewilligungen bei Wohngebäuden, wogegen es im ersten Quartal 2024 nur mehr 573 Baubewilligungen waren. Wir sprechen hier von einem Minus von fast 55 Prozent. Niederösterreich als traditionelles Land der Häuslbauer trifft das stark.“
-
Wir müssen die KIM-Verordnung sofort aussetzen.
Michael Pisecky, Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Wien (WKW) und stellvertretender WKÖ-Fachverbandsobmann.
Bauwirtschaft als Bremsklotz für Wiener Wirtschaft
Pro Woche melden in Wien durchschnittlich acht Betriebe aus der Baubranche Insolvenz an. Die Arbeitslosigkeit im Bau und Baunebengewerbe stieg im September um zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Das über die Jahrzehnte erfolgreiche Traditionsunternehmen EVVA, mit ihrem Headquarter in Wien, produziert jährlich mehrere Millionen Schlüssel und Schließsysteme, die bislang jeder Krise trotzten. Auch derzeit laufen die Produktionsanlagen, wenngleich der Wirtschaftsmotor stottert.
„Es gibt weniger Aufträge“, bekennt EVVA-Geschäftsführer Stefan Ehrlich-Adam. „Daher müssen wir uns jetzt umschauen, wie wir die Auslastung halbwegs auf einem Niveau halten können, das sich als zufriedenstellend erweist. Die Zeiten werden nicht leichter und wir sehen auch nicht unbedingt Licht am Ende des Tunnels.“
-
Steuerliche Entlastungen, Investitionsanreize und eine Erleichterung des Bürokratie-Wahnsinns sind das Gebot der Stunde.
Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ
Wohnungsnot und tausende Arbeitsplätze in Gefahr
Weil nicht gebaut wird, steht die Immobilienwirtschaft mit ihren 12.000 Betrieben und 26.000 Beschäftigten mit dem Rücken zur Wand.
„Die Zahl der freifinanziert errichteten Eigentumswohnungen sinkt von rund 17.380 Einheiten bis 2026 auf nicht einmal mehr 1.793. Während wir heuer freifinanziert noch 7.350 neue Mietwohnungen errichtet haben, werde wir ab 2026 nur noch bei 1.350 neuen Einheiten stehen“, so der Branchensprecher der Immobilienwirtschaft Österreichs, Gerald Gollenz. „Das sind Zahlen, hinter denen in Wahrheit das Aus Zigtausender Unternehmen und ihrer Beschäftigten steht“, appelliert Gollenz in Richtung Politik.
„Aufgrund der KIM-Verordnung wird nicht gekauft und viel mehr gemietet – ein herber Rückschlag für Bauträger“, beanstandet Michael Pisecky, Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Wien (WKW). „Und die unüberschaubaren rechtlichen Rahmenbedingungen werden für Hausverwaltungen oft schon zum unüberwindbaren Hindernis.“
Rechtsgrundlagen nicht mehr stabil
„Zum massiven Entgeltverlust für Maklerinnen und Makler durch das Bestellerprinzip und dem Verlust an Käufern für Bauträger kommt bei Hausverwaltern der enorme Mehraufwand durch die instabile Rechtslage in nahezu allen rechtlichen Belangen rund um das Wohnen hinzu“, konstatiert Johannes Wild, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ).
Rechtsgültige Mietverträge aufzusetzen ist durch die Judikatur u.a. rund um Wertsicherungsklauseln mittlerweile zu einem unlösbaren Rätsel geworden. Länderspezifische Sanierungsförderungen oder Rahmenbedingungen für Wohnbeihilfen verlangen Hausverwaltern mittlerweile schon ein Studium ab. Die Kosten für den Mehraufwand sind für viele kleine Betriebe kaum mehr tragbar.
„Wir brauchen dringend politische Maßnahmen, um die aktuellen Tendenzen sofort zu stoppen. Die Bedrohung ist nicht nur für unsere Mitgliedsbetriebe gegeben, denn die Auswirkungen sind für alle fatal“, warnt Fachverbandsobmann Gollenz.