Konjunktur Österreich : Androsch-Interview: Welche Reformen braucht das Land sofort?

Hannes Androsch, Industrieller und ehemaliger Finanzminister Österreichs, sitzt beim Interview an einem Tisch.

„Wir haben alles andere als eine rosige Wirtschaftssituation“, resümiert Hannes Androsch, Industrieller und ehemaliger Finanzminister.

- © AIT / Johannes Zinner

WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN: Herr Androsch, was fehlt in Österreich, damit wir von der Kriechspur wieder auf die Überholspur kommen?  

Hannes Androsch: Es ist unendlich vieles faul geworden im Staate Österreich. Und zwar selbstgemacht. Die Ausrede mit den Multikrisen, die es ohne Frage gegeben hat, zieht nicht, denn die hatten auch andere Länder. 

Warum geht’s in der Schweiz so viel besser, warum geht’s in Dänemark, in den skandinavischen Ländern oder in Spanien deutlich besser? Wir haben uns das selbst eingebrockt, weil wir zu lang über die Verhältnisse gelebt haben. Und der Versuch, dieses mit Helikoptergeld zuzukleistern, ist à la bonne heure gescheitert. Jetzt sitzen wir auf einem riesigen Haufen von Problemen, die einer Lösung bedürfen. 

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Notwendige Reformen

Bei welchen Problemen würden Sie mit Reformen beginnen? 

Androsch: Das erste Problem sind die explodierenden Staatsschulden von mittlerweile 400 Milliarden, die einer Budgetsanierung bedürfen. Trotz höchster Steuerbelastung wurden die Staatsfinanzen an die Wand gefahren. Dabei müssen wir auch rechnen, dass wir die Bonität verlieren und über kurz oder lang weiter herabgestuft werden.  

Zum zweiten haben wir auch ein Konjunkturproblem. Das wäre wohl am leichtesten durch Überwindung des Stillstands beim Wohnbau oder durch Ausbau der Infrastruktur zu beseitigen. Ein Drittel der Landesstraßen ist marod und keiner hat mehr Geld, das zu beheben. Es ließen sich noch viel Notwendigkeiten anführen, wo man konjunkturpolitisch Gas geben könnte, hätte man das Geld. Aber das haben wir ja bereits verschwendet. 

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Österreichs Problem der Produktivität

Wie könnte die Produktivität wieder in Gang gesetzt werden?  

Androsch: Das wirkliche Problem ist das über die Jahre angewachsene Strukturproblem, das sich mit dem Absturz in der Wettbewerbsfähigkeit zeigt. Daher jagt eine Hiobsbotschaft aus der Wirtschaft die nächste: Einmal ist es KTM, dann ist es Magna, dann ist es die VOEST - von den mittleren und kleineren Unternehmen ganz zu schweigen. 

Wir haben den Esel überladen: mit Energiekosten, die bei uns höher sind als anderswo oder mit den höchsten Arbeitskosten in Europa. Wir haben überbordende Steuerbelastungen, vor allem, was den Faktor Arbeit anlangt. Wir haben einen wirren Vorschriftendschungel, der stranguliert, und eine überbordete Bürokratie, die teuer ist und wächst. Außerdem haben wir eine Nulltarifsmentalität, nur blöderweise sind Nulltarife nicht mit null Kosten verbunden, und daher geht es sich an allen Ecken und Enden nicht aus. Und wir haben Querulantenfreiheit. Jeder Querulant kann Einspruch gegen alles erheben. Das verhindert jede Winterbiene, jeden Straßenbau, jeden Kraftwerksbau und viele mehr.   

Was wäre der Ausweg?  

Androsch: Wir brauchen eine General-Sanierung der Republik. Eine Radikalkur mit einem Projekt „Österreich 2030“ – oder wie immer man das nennen will. Dazu braucht es einen Modernisierungsschub, ein Konzept sowie Mut, Entschlossenheit und auch die Durchsetzungskraft, all das umzusetzen.