Fredrik Hassel Saab : Fredrik Hassel über Europas Verteidigung: Warum Zeit das größte Problem ist

"Man kann keinen großen Verteidigungssektor aufbauen, wenn er nicht von wirtschaftlicher Stärke getragen wird." – Fredrik Hassel, Senior Advisor bei Saab.
- © Fredrik HasselDas sich rasch verändernde geopolitische Umfeld zwingt Europa dazu, mehr in seine Sicherheit zu investieren. Doch die Erhöhung der Rüstungsausgaben ist eine Sache, der Aufbau einer starken Verteidigungswirtschaft eine andere.
Der schwedische Verteidigungsexperte Fredrik Hassel gab den WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN Antworten, wie das gelingen kann.
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WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN: Mit den USA scheint Europa den letzten verlässlichen Partner verloren zu haben. Wie kann Europa seine Sicherheit und Verteidigung selbst in die Hand nehmen und den Verteidigungssektor wirklich stärken?
Fredrik Hassel: Ich würde sagen, das Wichtigste für Europa ist zunächst einmal, dass wir zusammenbleiben und zusammenhalten. Wir brauchen auch einen starken Fokus auf wirtschaftliches Wachstum, denn man kann keinen großen Verteidigungssektor aufbauen, wenn er nicht von wirtschaftlicher Stärke getragen wird.
Wir brauchen also wirtschaftliche Wachstumsstrategien. Einheit und wirtschaftliche Stärke sind die beiden wichtigsten Faktoren, auf die Europa jetzt setzen muss. Erst dann kann man sich an den Aufbau robuster militärisch-industrieller Strukturen machen. Hier liegen wir 30 Jahre zurück. Uns muss folgendes bewusst sein.
Ich glaube, wir sollten die USA nicht vorschnell ausschließen. Die USA sind nach wie vor die größte Militärmacht und es ist gut, sie an unserer Seite zu wissen. Aber es geht um die Balance der Verantwortung, und die müssen wir herstellen.
Verteidigungsindustrie in Schweden als Vorbild für Österreich
Schweden ist für seine effiziente Verteidigungswirtschaft bekannt. Was macht Schweden anders und was können Länder wie Österreich lernen?
Hassel: Das hat viel mit der schwedischen Geschichte zu tun. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg begann ein Prozess des Aufbaus industrieller Kapazitäten, um als neutrales Land überleben zu können. Seitdem haben wir unsere Rüstungsindustrie und unsere Streitkräfte kontinuierlich weiterentwickelt.
Während des Kalten Krieges war Schweden jedoch eines der am stärksten militarisierten Länder der westlichen Welt. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges gab es einen Rückgang, aber durch Innovation und Exportorientierung konnten wir unsere Verteidigungsindustrie in wichtigen Kernbereichen aufrechterhalten.
Aber Kooperationen sind wichtig. Aus diesem Grund haben wir während des Kalten Krieges eine enge Zusammenarbeit mit anderen Ländern wie dem Vereinigten Königreich und den USA aufgebaut und setzen diese Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern auch heute fort.
Auch für kleinere Länder ist es entscheidend, auf der Ebene der Gesetzgebung, auf der Ebene der Wirtschaftsstrukturen ein Umfeld zu schaffen, in dem die Industrien zusammenarbeiten können, um die Produktionskapazitäten zu entwickeln, die wir brauchen.
Fredrik Hassel über Lieferketten und europäische Zusammenarbeit
Nicht nur die Zusammenarbeit bei den Produktionskapazitäten spielt eine Rolle, sondern auch bei den Lieferketten. Wie kann die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern auf der Ebene der Lieferketten gestärkt werden?
Hassel: Lieferketten sind stark unternehmensorientiert. Die Schaffung von Möglichkeiten zur Erleichterung der Organisation und Entwicklung von Lieferketten ist ein weiteres Schlüsselelement. Hier geht es um Technologie- und Wissenstransfer zwischen Unternehmen und Streitkräften verschiedener Länder.
Lesen Sie hier, wie etwa die Maschinenfabrik Liezen (MFL) Teile für Panzer liefert und wie dafür die europäischen Lieferketten funktionieren müssen.
Wir werden darüber reden müssen, wie wir unsere nationalen Regelwerke so gestalten, dass Kooperationen auf der Ebene von Lieferketten erleichtert werden, anstatt rein nationalen Interessen den Vorrang zu geben; denn wir müssen uns folgendes bewusst machen:
Wir kommen aus einer Ära, in der fast niemand etwas gekauft hat. Das heißt, unsere Strukturen sind nicht darauf ausgelegt, in Masse zu produzieren. Auch Zeit war kein Problem. Jetzt ist Zeit das Problem. Wir müssen jetzt sehr rasch Strukturen für eine Massenproduktion schaffen und das ist ein sehr großer Schritt.
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Wer ist Fredrik Hassel?
Fredrik Hassel ist Senior Advisor beim Rüstungs- und Sicherheitsunternehmen Saab. Zuvor war er unter anderem stellvertretender Generaldirektor der Schwedischen Strahlenschutzbehörde (2007–2019) sowie Leiter des Stabes bei der Schwedischen Katastrophenschutzbehörde (2001–2007).
Von 1999 bis 2001 war er politischer Berater des schwedischen Verteidigungsministers.
Hassel verfügt über eine militärische Ausbildung und war als Infanterieoffizier im Einsatz.