Kredit Österreich : Rekordgewinne und zu wenig Kredite: Das Banken-Dilemma

alte Wohnhäuser aus dem Neoklassizismus in Wien, Österreich

Österreichs Banken sitzen auf Geld, das sie nicht verleihen dürfen, und die Häuslbauer bekommen keine Kredite, weil sie die KIM-Vorgaben nicht erfüllen können. Ein Mismatch der österreichischen Bürokratie.

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Der Traum vom Eigenheim ist groß. In Österreich streben rund 80 Prozent nach eigenen vier Wänden, wie eine aktuelle Studie von ImmoScout belegt.

Weil die Wohnkredite eingebrochen sind, müssen Menschen ungewollt zur Miete wohnen und Geld ausgeben, anstatt den Kredit für ihr späteres Eigentum abzubezahlen.

Die heimischen Banken drosseln beim Geldverleihen und sitzen auf Milliardengewinnen, die ins Auge stechen: Im Jahr 2022 betrug der Jahresüberschuss 10,2 Milliarden Euro, das waren über vier Milliarden mehr als im Jahr davor. Das Jahr 2023 ließ die Kassen noch lauter klingeln: Mit einem aggregierten Jahresergebnis von rund 14,1 Milliarden Euro toppten die österreichischen Kreditinstitutsgruppen und Einzelkreditinstitute den bereits hohen Vorjahresvergleichswert von 2022 um 38,4 Prozent. Die Hälfte davon haben die Institute im Inland verdient, den Rest im Ausland.

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Hauptverantwortlich für diese Entwicklung war der Anstieg beim Zinsergebnis um 6,1 Milliarden Euro. Ermöglicht wird diese Bilanz durch die Europäische Zentralbank (EZB), die mit einer Hochzinspolitik die Inflation zu bekämpfen versucht. Die Banken machen sich das aktuelle Zinsumfeld zunutze, indem sie unter anderem die Kreditzinsen umgehend erhöhen, die Zinsen für Sparer hingegen nur im Schneckentempo anheben.

Die Gewinne der Kreditinstitute entstehen nicht ausschließlich durch höhere Investitionen, sondern auch, weil die Profitabilität steigt. Der Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital, der sogenannte „Return on Assets“, nimmt zu. Die Kennzahl für Rentabilität hat sich in den ersten drei Quartalen 2023 gegenüber dem langjährigen Durchschnitt mehr als verdoppelt und lag zuletzt bei 1,35 Prozent. Österreichs Banken zählen damit eindeutig zu den Krisenprofiteuren.

Für das Jahr 2024 erwartet die Österreichische Nationalbank (OeNB), dass ein schwächeres Kreditwachstum, steigende Refinanzierungskosten sowie eine sich verschlechternde Kreditqualität die Profitabilität der Banken potenziell belasten wird.

Auch die laufenden Anhebungen der Bankgebühren sind dieser Gewinnentwicklung in den Kreditinstituten förderlich. Wie man auf der Seite der OeNB nachlesen kann, wurden seit Mitte 2021 die Bankgebühren um über 26 Prozent angehoben. Ebenso legte das Provisionsergebnis der heimischen Banken im Jahr 2022 im Vorjahresvergleich um 2,1 Milliarden Euro zu, das sind stattliche 25 Prozent. Noch eklatanter: der Vergleich in der Vorkrisenzeit von 2015 bis 2019 mit rund drei Milliarden Euro bzw. 42 Prozent.

  • Achim Ertl, Remax Immobilienmakler
    „Die Politik muss die KIM-VO verantworten: Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) und Fiskalrat werden politisch besetzt."

    Achim Ertl, Remax Immobilienmakler

Eigenkapitalaufbau als Streitpunkt

Die hohen „Übergewinne“ der Banken sind der Gewerkschaft ein Dorn im Auge. Die Großbank UBS errechnete Erträge für Aktionäre in Höhe von 120 Milliarden Euro im abgelaufenen Jahr. Dieses Geld würde der Gewerkschaftsbund lieber bei den Häuslbauern verorten als bei den Investoren.

Und die SPÖ wird seit einem Jahr nicht müde, die schwarz-grüne Bundesregierung dafür verantwortlich zu machen. Einer Abschöpfung der Übergewinne durch eine Sondersteuer für den Bankensektor könnte auch das gewerkschaftsnahe Momentum Institut etwas abgewinnen. Menschen, die am Wohnmarkt investieren wollen, sollten ihrer Meinung nach die Nutznießer dieser Übergewinn-Steuer sein.

Der Traum von der eigenen Immobilie ist für viele Österreicherinnen und Österreicher derzeit in weiter Ferne.
Der Traum von der eigenen Immobilie ist für viele Österreicherinnen und Österreicher derzeit in weiter Ferne. - © RioPatuca Images - stock.adobe.c

Wohnbaukredite in Milliarden Euro

- © OeNB

Leitzins von EZB gesteuert

Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) war und ist auf die Senkung der Inflation ausgerichtet. Das ist auch ihre Aufgabe. Der seit 2022 in insgesamt sechs Schritten auf derzeit 4,5 Prozent angehobene Leitzinssatz soll die Nachfrage durch verteuerte Kredite bremsen. Dies spüren Unternehmer, die bei ihren Investitionen bremsen und Häuslbauer, die hohe Zinsen berappen müssen.

Die gestiegene Zinsspanne zwischen den Einnahmen durch Kreditvergaben - sowohl für variable als auch für neu vergebene Kredite wurden die Zinsen sofort angehoben - und den Ausgaben für Spareinlagen war für die Banken durchaus profitabel. Auch für Geschäftsbanken besteht die Möglichkeit, ihr Geld anzulegen. Das erfolgt in der EZB. Dafür bekommen die Finanzinstitute auch Zinsen, wie jeder Sparer. Nur dass die EZB die Geldreserven der Kreditinstitute mit vier Prozent verzinst, während die Sparzinsen für österreichische Haushalte oft weniger als die Hälfte betragen.

Bringt man die Finanzinstitute um ihre Gewinne, nimmt man ihnen die Möglichkeit, damit Eigenkapital aufzubauen. Das Argument, dass die hohen Reserven von Banken zur Eigenkapitalbildung dienen und eine Folge der lockeren Geldpolitik seien, ist für den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) nicht schlüssig. Die Chefökonomin des Gewerkschaftsbundes, Helene Schuberth, meint, dass hier eine Umverteilung zu den Banken stattfindet: „Der hohe Gewinn ist kein Ausdruck der gestiegenen Produktivität des Bankensektors.“

Das Argument des Eigenkapitalaufbaus will die Arbeiterkammer (AK) mit ihrem zur Verfügung stehenden Datenmaterial entkräften: Einerseits zeigt der AK-Dividendenreport, dass zumindest die Rekordgewinne des Jahres 2022 nicht einbehalten wurden, um die Banken krisenfester zu machen, sondern in Form von ebenfalls rekordverdächtigen Dividenden an die Eigentümer ausgeschüttet wurden. Im Jahr 2023 - in diesem Jahr wurden die Gewinne des Jahres 2022 ausgeschüttet - fanden sich auf Platz drei, vier und fünf der höchsten Dividendenzahlungen von ATX-Unternehmen an Österreichs Börse drei Bankinstitute.

Die Gewinne der Banken sind jedoch nicht für alle ein Grund zu Kritik. Wie im Standard zitiert, fragt sich Franz Schellhorn, Chef des liberalen Thinktanks Agenda Austria, warum der Staat Zugriff auf die Bankengewinne haben solle. Und welches Signal man damit aussenden wolle. Er moniert, dass in Österreich keine Branche mehr sicher wäre, von einer politisch motivierten Sondersteuer erfasst zu werden. Außerdem würde nach einer solchen Aktion kein ausländischer Investor noch heimische Aktien angreifen.

„Gut die Hälfte aller Kreditnehmer hat sich aus freien Stücken dazu entschlossen, ihr Eigenheim mit einem variablen Kredit zu finanzieren."
Franz Schelhorn, Agenda Austria

Warum Eigenkapitalaufbau von Banken sinnvoll ist

Ohne ausreichendes Eigenkapital könnten Banken keine variabel verzinsten Kredite vergeben, das ist klar. Zinssteigerungen können aber auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht fatal sein, da eine hohe Anzahl von Kreditnehmern, die ihre Kredite nicht mehr bedienen können, das gesamte Finanzsystem gefährden kann. Etwa 500.000 Haushalte in Österreich haben derzeit einen variabel verzinsten Immobilienkredit.

Die Warnungen des Finanzmarktstabilitätsgremium Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG) im März 2022, dass der hohe Anteil an variabel verzinsten Wohnbaukrediten in Österreich bei steigenden Zinsen problematisch sein könnte, blieb ungehört. Österreichs Banken haben den Anteil der variabel verzinsten Kredite am Neugeschäft sogar auf über 50 Prozent gesteigert.

„Gut die Hälfte aller Kreditnehmer hat sich aus freien Stücken dazu entschlossen, ihr Eigenheim mit einem variablen Kredit zu finanzieren. Und das in einer Zeit, in der völlig risikofreie Fixzinskredite um historisch günstige 1,5 Prozent pro Jahr zu haben waren“, wie Franz Schelhorn von der Agenda Austria betont. Zwischen März 2022 und Dezember 2023 wurden insgesamt bis zu 22,3 Milliarden Euro an variablen Wohnbaukrediten vergeben.

Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung. Oder: KIM-VO

Die österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) hat im Juli 2022 zur Begrenzung der systemischen Risiken bei Fremdkapitalfinanzierungen von Wohnimmobilien die „Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung“ kurz KIM-VO erlassen, die mit August 2022 schlagend wurde.

Diese KIM-Verordnung enthält erstmals bindende Regelungen für Wohnkredite und hat den Vergabespielraum der Banken deutlich einschränkt. Sie wurde zu einem Zeitpunkt erlassen, als die Kreditzinsen kräftig angestiegensind. Die Vorgaben dieser KIM-Verordnung hätten in einer Nullzinsphase ihre Berechtigung, um den Markt nicht zu überhitzen, doch aktuell sorgt sie als Verhinderungsprogramm für den Eigentumserwerb. Seit Inkrafttreten der KIM-Verordnung ist die Zahl von Wohnbaudarlehen nämlich drastisch zurückgegangen.

Die grundsätzlichen Vergabekriterien der KIM-Verordnung sehen eine Beleihungsquote von 90 Prozent, eine Schuldendienstquote von 40 Prozent und eine maximale Laufzeit von 35 Jahren vor. Immobilienexperten beklagen und meinen hinter vorgehaltener Hand, dass die KIM-Verordnung ein österreichisches Golden Plating ist und Teile des Immobilienkreditgeschäftes derzeit nach Deutschland umleitet. Wer kein Feind seiner eigenen Brieftasche ist, wird sich eine Immobilie über eine deutsche Bank finanzieren, was auch durchaus legal ist. Daraus ergibt sich die provokante Frage, ob die kleinen Häuslbauer über die KIM-Verordnungsvorgaben die Zeche des Herrn Benko zahlen müssen? Keine Bank gibt einem kleinen Häuslbauer eine Besicherung auf Firmenanteile, die letztendlich nichts wert waren.

„Ein bisschen Eigenkapital ist nie schlecht“, meint Achim Ertl, Immobilienmakler bei Remax. „Schon allein deshalb, weil man die Preisschwankungen, die ein Immobilienkauf in sich birgt, abfangen kann. Mit dieser etwas strengeren Regulierung können wir in der Branche gut leben. Womit wir aber nicht leben können, sind die beiden anderen Punkte. Vor allem damit, dass man nur 40 Prozent des Haushaltseinkommens in Zinsrückführungen investieren darf.“

Als Beispiel bringt der Immo-Profi ein gutverdienendes Fachärzte-Ehepaar. „Beide Chirurgen mit einem Haushaltseinkommen von 10.000 Euro netto. Die 20 Prozent Eigenkapital für ihren Wohntraum, eine Luxusvilla in Döbling, haben sie bereits beisammen. Wollen die beiden 6.000 Euro im Monat für den Schuldendienst aufwenden und 4.000 Euro zum Leben verwenden, macht ihnen die KIM-Verordnung einen Strich durch die Rechnung. Durch die KIM-Verordnung dürfen sie nur 40 Prozent des Haushaltseinkommens, also 4.000 Euro, in die Kreditrückführung investieren.“ Und Ertl ergänzt: „Wenn ich netto nur 2.000 Euro verdiene und damit eine ganze Familie ernähren muss, kann man nicht 1.600 Euro Kredit zurückzahlen, das ist logisch. Das heißt, Einkommensstarke können ihren Kredit nicht finanzieren, weil sie nicht rückführen dürfen, obwohl sie könnten.“

Auch die Laufzeit macht der Immobilien-Wirtschaft das Leben schwer. Die Kreditlaufzeit darf in Österreich nur 35 Jahre betragen. In Deutschland kann man 40 Jahre finanzieren, in den USA werden Kredite weitergegeben oder auch vererbt. „Ich halte einen Generationenkredit für sinnvoll, denn warum soll der Sprössling gratis in einer Wohnung sitzen, für die seine Eltern ein Leben lang gearbeitet haben.“

Johanna Mikl-Leitner, Niederösterreichs Landeshauptfrau, kämpft seit rund zwei Jahren gegen die KIM-Verordnung, die für viele Häuslbauer und Banken eine massive Herausforderung ist.
Johanna Mikl-Leitner, Niederösterreichs Landeshauptfrau, kämpft seit rund zwei Jahren gegen die KIM-Verordnung, die für viele Häuslbauer und Banken eine massive Herausforderung ist. - © NLK Filzwieser

KIM-Verordnung erschwert Kreditvergabe auf beiden Seiten

Diese KIM-Verordnung macht sowohl den Kreditnehmern als auch den Banken das Leben schwer. Die Verordnung mit ihren starren Begrenzungen in Bezug auf die Beleihungsquote, die Rückzahlungsrate und die Höchstlaufzeit der Kredite ist eine enorme Hürde für Menschen, die einen Kredit brauchen. Die Ausnahmekontingente, die von der Größe der Bank abhingen, waren verwirrend und wurde von vielen als Willkür empfunden.

Selbst das öffentliche Bekenntnis des Finanzministers, der weiterhin daraufhin hinwirken will, „dass die Schaffung von Eigentum nicht zusätzlich zu den Faktoren Zinsen und Baukosten durch die FMA-Regeln erheblich erschwert wird“, hat nicht wirklich etwas bei dem sechsköpfigen weisungsfreien Entscheidungsgremium bewegt - mit zwei Mitgliedern vom Finanzministerium nominiert, je eines von Nationalbank und FMA und zwei vom Fiskalrat besetzt. Vom volkswirtschaftlichen Schaden dieser Richtline ganz zu schweigen.

Zwar wurde die KIM-Verordnung im März etwas entschärft, aber an den sonstigen Bestimmungen der KIM-Verordnung, die die Vergabe von Wohnbaukrediten regelt, rüttelte das Gremium nicht. Dennoch begrüßt Willi Cernko, Obmann der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), dass Bewegung in die Sache gekommen ist. „Das ist ein enorm wichtiger Schritt, von dem viele Menschen, die sich ihren Wohntraum erfüllen möchten, profitieren werden.”

Seit rund zwei Jahren kämpft Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gegen die Verordnung der FMA an. „Es ist für die FMA offenbar ein weiter Weg vom Elfenbeinturm hinunter auf den Boden der Realität der Häuslbauer. Aber eine Teileinsicht ist endlich vorhanden. Das ist erst einmal eine gute Nachricht für alle, die sich Eigentum schaffen wollen, aber wir sind sicher noch nicht am Ziel.“ Und Niederösterreichs Finanzlandesrat Ludwig Schleritzko ergänzt: „Die Lockerung der KIM-Verordnung ist ein erster Schritt, um den Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern endlich wieder unkompliziert Zugang zu Wohnbaukrediten zu ermöglichen. Die aktuellen Regelungen im Hinblick auf die Kreditvergabe machen die Schaffung von Eigentum schlicht unmöglich und sind damit eine Riesenherausforderung am Weg zur ersten eigenen Wohnung vieler junger Menschen.“

Die wesentliche Erleichterung für Banken ist: die bisher unterschiedlichen Ausnahmekontingente auf ein gemeinsames Kontingent zu vereinheitlichen. „Damit können wir den Bedürfnissen der Kunden besser gerecht werden und bei der Kreditvergabe flexibler agieren", so Cernko. Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass die Inanspruchnahme der verschiedenen Ausnahmekontingente überaus komplex ist und diese daher gar nicht bzw. nur in eingeschränktem Umfang in Anspruch genommen werden. Die Vereinheitlichung auf ein gemeinsames Kontingent wird den bürokratischen Aufwand bei der Vergabe von Immobilienkrediten deutlich reduzieren“, meint der Bankenobmann.

Eine Milliarde nicht genutzt

Diese nicht ausgenutzten Ausnahmekontingente in der österreichischen Bankenlandschaft machten allein im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Euro aus, wie das FMSG vorrechnete. Mit den beschlossenen Änderungen soll sich das nun ändern. Die Ausnahmekontingente sollen die Kreditaufnahme grundsätzlich auch Haushalten ermöglichen, die nicht alle Kriterien der Verordnung erfüllen. „Die nachhaltige Kreditvergabe gemäß den Kriterien der KIM-VO sollte aber der Normalfall bleiben", hielt das FMSG fest.