Lohnsteuer Österreich 2024 : Wie erreichen wir Steuergerechtigkeit in Österreich – oder haben wir sie bereits?
Steuern sind zur Finanzierung des Staates und seiner Aufgaben unerlässlich. Sie begleiten uns auf Schritt und Tritt und belasten das tägliche Leben eines jeden Bürgers. Steuern belasten aber auch das Wirtschaftsleben vom KMU bis zum Konzern. Die Alpenrepublik ist ein Hochsteuerland. Österreich weist im jährlichen OECD-Vergleich bei der Steuer- und Abgabenquote neuerlich den dritthöchsten Wert auf. Nur in Belgien und Deutschland muss der Steuerpflichtige noch mehr abliefern. Die Diskussion um die Gestaltung des Steuersystems eines Staates ist daher ein Dauerbrenner und äußerst facettenreich, durch die verschiedene Interessen, die es zu berücksichtigen gibt.
Eine Steuer oder Abgabe, die auf Gegenliebe stößt, ist noch nicht erfunden, dennoch ist das Steuersystem ein schwer durchschaubares Konstrukt mit vielen Ausnahmen und Schlupflöchern. Nur ein Bruchteil der Bevölkerung zahlt in das System ein und hält unser aufgeblähtes Sozialsystem am Leben. 130 Milliarden Euro fließen in den sozialen Ausgleich, das ist etwa ein Drittel des heimischen Bruttoinlandsprodukts.
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Obwohl das gesamte Lohn- und Einkommensteueraufkommen stetig wächst, zahlen immer weniger Personen überhaupt Steuer. Eine Auswertung der Agenda Austria zeigt, dass der Anteil der Arbeitnehmer, die keine Einkommensteuer bezahlen, 2020 ihren neuen Höchststand erreicht hat. Waren es vor 20 Jahren noch weniger als ein Viertel, tragen inzwischen ganze 34 Prozent nichts mehr zum Einkommensteuer-Topf bei.
„Die Politik kümmert sich seit Jahren nur mehr um Bürger mit niedrigen Einkommen. Unten wird entlastet, oben wird abgeschöpft. Die hohe Steuerbelastung in Österreich lässt immer mehr Menschen erkennen, dass sich Mehrarbeit nicht mehr lohnt“, erklärt Agenda Austria-Direktor Franz Schellhorn. Das Jahrzehntelange Entlasten von Geringverdienern hat Folgen, wie Schellhorn betont. Dieses System treibt die Menschen in Teilzeitbeschäftigung und Geringfügigkeit. „Es braucht Entlastungen für die mittleren und höheren Einkommen, damit sich Mehrarbeit wieder lohnt und wieder mehr Menschen zu Nettozahlern werden. Einer Gesellschaft tut es nicht gut, wenn die Steuerlast nur von einer kleinen Gruppe zu tragen ist.“
In Österreich haben unselbstständig Erwerbstätige das Nachsehen. Der Staat schöpft den Großteil der Einkommen über Sozialabgaben und Steuern ab.
Lohnsteuer: Zehntel zahlt mehr als die Hälfte
Ab einem Bruttojahreseinkommen von knapp 50.000 Euro zählt man hierzulande zum obersten Viertel der Einkommensbezieher. Diese Gruppe schultert drei Viertel des Lohnsteueraufkommens. Mit rund 70.000 Euro zählt man in Österreich zu den Top-10 Prozent der Einkommensbezieher, die mehr als die Hälfte der gesamten Lohnsteuer zu bezahlen hat.
Durch die großteils abgeschaffte kalte Progression werden laut den Berechnungen der Agenda Austria die Lohnsteuerzahler jetzt zumindest ein wenig entlastet. Dennoch wurde in der politischen Debatte viel Unwahres in der Öffentlichkeit verbreitet. Es wurde dabei bemängelt, dass geringe Einkommen von der Abschaffung der kalten Progression nicht profitieren würden. Das wäre einfach zu erklären: bei Einkommen in geringer Höhe muss überhaupt keine Lohnsteuer bezahlt werden und folglich waren sie auch nicht von der kalten Progression betroffen. Auch die Kritik, dass die Tarifreform Pensionisten stärker als Arbeitnehmer entlastet, ist leicht erläutert: Pensionisten verfügen oft über höhere Einkommen als aktive Arbeitnehmer und sind deshalb auch stärker von der Lohnsteuer betroffen.
Die Sorge um die soziale Gerechtigkeit wird gerade in Wahlkampfzeiten von den linken politischen Parteien wieder strapaziert. Die Reichen sollen bezahlen.
Diskussionen rund um Red-Bull-Steuern
Zeiten von Inflation und Rezession beflügeln naturgemäß die Diskussionen rund um Reichtum und Steuerabgaben im Land. So will das Netzwerk Steuergerechtigkeit berechnet haben, dass der Milliarden-Erbe Mark Mateschitz weniger Steuern als eine Mittelstandsfamilie zahlt. Red Bull-Gründer Dietrich Mateschitz soll seinem Sohn ein Vermögen von mehr als 30 Milliarde Euro hinterlassen haben, das Neiddebatten hervorruft und von ideologisch motivierten Instituten noch befeuert wird. Mateschitz würde – im Vergleich zu anderen Bürgern – zu wenig Steuern in Österreich bezahlen.
Das Netzwerk Steuergerechtigkeit unterstellte Mark Mateschitz ein fiktives Jahreseinkommen von 1,3 Milliarden Euro und leitete daraus seine Steuerleistung ab, die mit jener einer Mittelstandsfamilie - mit einem angenommenen Jahreseinkommen von 94.000 Euro vor Steuern - verglichen wurde.
Die wirtschaftsnahe Denkfabrik Agenda Austria hat nachgerechnet und ist zu einem anderen Ergebnis gekommen: Tatsächlich zahlt jemand wie Mark Mateschitz unter den erwähnten Annahmen mehr Steuern als 47.000 Mittelschicht-Haushalte zusammen, wie Agenda Austria-Direktor Franz Schellhorn bestätigt. „Das Leistungsprinzip wird im Steuersystem also auch gelebt. Wer es sich leisten kann, soll auch mehr beitragen. So zu tun, als wäre es umgekehrt, ist zwar für die eine oder andere Schlagzeile gut, geht aber an der Realität vorbei“, ist Schellhorn überzeugt.
„Mateschitz zahlt bis zu 500 Millionen an Steuern pro Jahr. Mittelschicht-Familien zahlen durchschnittlich 7,6 Prozent, Mateschitz liefert 25,9 Prozent ab, bei einem Millionär sind es über 28 Prozent,“ rechnet der Ökonom vor.
„Die Belastung in Relation zum Einkommen ist bei den Mittelstandsfamilien nur dann höher, wenn auch die Sozialversicherungsbeiträge eingerechnet werden. Diese sind erstens keine Steuern und zweitens gedeckelt. Nicht nur die Einzahlungen sind aber mit der Höchstbeitragsgrundlage, das sind 6.060 Euro brutto im Monat, gedeckelt – sondern auch die damit verbundenen Leistungen“, rechnet man bei der Agenda Austria vor. „Unser Problem ist auch nicht, dass so wenige so viel haben, sondern dass so viele so wenig haben. Wer mehr Gerechtigkeit will, muss für niedrigere Steuern sein, nicht für höhere“, erklärt der Ökonom.
Für Schellhorn ist Mateschitz überdies das falsche Beispiel. „Solche Leute sorgen dafür, dass Hunderte Millionen wieder investiert werden können.“ Das schätzt die Bevölkerung auch an Menschen wie Mateschitz. Beispielsweise hat Red Bull mehr historische Gebäude saniert als das Land Salzburg und die Steiermark zusammen. Auch Millionenspenden für medizinische Forschung, Sportsponsoring oder Investments in die Formel 1 machen ihn zum Sympathieträger.
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„Die politische Diskussion kann als sinnvoller Anlass gelten, sich mit etwaigen Handlungsschritten zur Nachfolgeregelung auseinanderzusetzen – je früher desto besser"
Steuerberater Florian Meindl, Partner bei BDO
Steuern runter für Vermögensaufbau
Wer mehr Gerechtigkeit will, muss generell weniger Steuern einheben. Die Erzählung der ungleichen Vermögensverteilung in Österreich ist auch auf die ungleiche steuerliche Behandlung zurückzuführen. „Weil der Staat so stark auf die Steuern auf Arbeit zugreift, können sich die Österreicher kein Vermögen aufbauen,“ moniert Schellhorn.
Der Staat nimmt derzeit Steuern in Rekordhöhe ein, ruft jedoch reflexartig nach neuen Steuern wie der Vermögenssteuer und Abgaben wie beispielsweise der Leerstandsabgabe. In Anbetracht der günstigen Rahmenbedingungen sollte die Staatsschuldenquote sinken, was jedoch nicht der Fall ist.
„Die Inflation hat zu Beginn enorme Spielräume verschafft. Mit den Preisen stiegen auch die Einnahmen aus Umsatz-, Lohn-, und Körperschaftsteuer massiv an. Lagen die Einnahmen des Bundes nach Überweisungen an Länder, Gemeinden und EU 2019 noch bei knapp unter 80 Milliarden Euro, so werden sie heuer erstmalig die 100 Milliarden-Euro-Marke sprengen. Immerhin ein Plus von rund 30 Prozent in fünf Jahren und nebenbei auch mehr als die Preissteigerung im gleichen Zeitraum. Unter einer Regierung, die sich rühmt, die Bürger entlastet zu haben, sind die Einnahmen aus Steuern und Abgaben in Relation zur Wirtschaftsleistung sogar gestiegen. Vor diesem Hintergrund wirken auch die Forderungen nach neuen Steuern in Österreich grotesk“, sind sich die beiden Ökonomen Dénes Kucsera, Hanno Lorenz einig.
Österreich, die Schuldenburg
Während die Steuern sprudeln und der Staat mehr einnimmt als jemals zuvor, steigen die Schulden der Republik auf Rekordniveau. Frei nach dem Motto des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz „Koste es, was es wolle“, verteilt die Bundesregierung das Geld der österreichischen Steuerzahler weiter mit beiden Händen. Und die üppigen Coronahilfen im Gießkannenprinzip, um den Fortbestand der Unternehmen zu erhalten und den Wohlstand der Bevölkerung zu sichern, haben ein Loch im Staatshaushalt hinterlassen, das nach wie vor Anlass zur Sorge gibt.
„Es ist unverantwortlich, in Zeiten stark steigender Einnahmen und Zinsen den Bürgern immer neue Schulden aufzubürden“, mahnt Agenda Austria-Ökonom Dénes Kucsera. In der Europäischen Union weisen nur noch Belgien, Italien, Frankreich und Irland höhere Schulden pro Kopf aus als Österreich. Noch vor Griechenland oder Spanien.
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„Das Problem ist nicht, dass so wenige so viel haben, sondern dass so viele so wenig haben"
Agenda Austria-Direktor Franz Schellhorn
Wiedereinführung von Substanzsteuern
Um die maroden Staatsfinanzen zu sanieren, sind Substanzsteuern – in Form der Wiedereinführung einer Erbschaft- und Vermögensteuer angedacht, die zu einer kontroversen Diskussion in der Öffentlichkeit geführt hat. Ob und in welcher Form diese Steuern erneut eingeführt werden, ist primär vom Ausgang der nächsten Wahlen abhängig.
„Die Besteuerung von Erbschaften hat sich in Österreich in der Vergangenheit einerseits am Verwandtschaftsgrad, andererseits am Wert sowie an der Art des zu übertragenden Vermögens orientiert. In den höheren Steuerklassen war mit einem durchaus substanziellen Steueraufwand zu rechnen. Trotz der Freibeträge konnte es gerade bei großen Erbschaften zu einer Besteuerung bis zu 60 Prozent kommen. Davon ausgehend, dass sich eine potenzielle Neueinführung der Erbschaftsteuer wiederum nach ähnlichen Parametern richtet, ist die damit verbundene Steuerlast keinesfalls zu vernachlässigen,“ gibt Florian Meindl, Partner bei der renommierten Wirtschafts- und Steuerberatungsagentur BDO, zu bedenken.
Grundsätzlich lehnt sich die österreichische Gesetzgebung häufig an der deutschen an. Daher lohnt sich auch im Fall einer möglichen Erbschaft- und Vermögensteuer ein Blick über die Grenze. „In Deutschland wird Erbe – vergleichbar mit dem alten österreichischen Modell - in verschiedenen Steuerklassen je nach Nähe des Verwandtschaftsverhältnisses besteuert. Auch die jeweiligen Freibeträge sind gestaffelt von 20.000 Euro für Personen, die mit dem Hinterlassenden nicht verwandt oder verschwägert sind, bis zu 500.000 Euro für Ehepartner. Die Vererbung von selbst genutzten Immobilien ist unter bestimmten Voraussetzungen gänzlich steuerfrei, ähnlich wie die Übernahme von Betrieben, die z.T. für bis zu 85 Prozent bzw. 100 Prozent steuerfrei erfolgen kann. Ob auch wirklich alle Details für eine neue Steuergesetzgebung in Österreich übernommen werden würden, bleibt allerdings abzuwarten. Gerade für Personen mit Immobilienbesitz und/oder Unternehmerinnen und Unternehmer kann es jedoch lohnend sein, sich schon frühzeitig mit den Gegebenheiten auseinanderzusetzen, da einige Bedingungen lange Fristen beinhalten“, so Manfred Mauk, Senior Manager bei BDO.
„Eine Besonderheit stellt das deutsche Erbsatzsteuerrecht in Bezug auf Stiftungen dar, da hier alle 30 Jahre ein Erbfall fingiert wird, was mit einer Erbersatzsteuer einhergeht,“ ergänzt Florian Meindl. „Ein ähnliches Vorgehen wäre auch für Österreich denkbar, wo aktuell noch keine vergleichbare Steuer eingehoben wird.“