Infrastrukturprojekte Europa : Hannes Androsch im Interview: „Bürokratie und Fachkräftemangel bremsen uns“

Hannes Androsch blickt auf eine politische Karriere als Finanzminister und Vizekanzler zurück und ist als Industrieller mit seinem Selbstverständnis als Citoyen gesellschafts-, wirtschafts- und wissenschaftspolitisch engagiert.

Hannes Androsch blickt auf eine politische Karriere als Finanzminister und Vizekanzler zurück und ist als Industrieller mit seinem Selbstverständnis als Citoyen gesellschafts-, wirtschafts- und wissenschaftspolitisch engagiert.

- © AIT / Johannes Zinner

Herr Dr. Androsch, Energiewende und Mobilitätswende machen große infrastrukturelle Änderungen in Österreich notwendig. Europten besitzt für beide Bereiche wichtige Kern-Kompetenzen. Doch damit Unternehmen ihre Leistungen auch auf den Boden bringen können, braucht es standortpolitische Rahmenbedingungen. Wie gestalten sich diese aktuell in Österreich für ein Leitungsbauunternehmen wie Europten?

Hannes Androsch:
Die Auftragsbücher sind für die nächsten Jahre gut gefüllt. Und das Auftragsvolumen steigt. Natürlich profitieren wir bei Europten von der Energie- und Mobilitätswende, die sowohl bei den Stromnetzen als auch bei den Fahrleitungen im Bahnbereich Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen erfordern. Angesichts der politischen Ziele muss man aber sagen, dass Infrastrukturprojekte immer noch viel zu lange dauern. Wir haben es derzeit mit einer Überregulierung zu tun, die uns wirklich ausbremst. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Das Problem ist, dass die Bürokratie das noch verstärkt, weil wir heute so viele Berichtspflichten haben, dass wir natürlich auch entsprechend viele Mitarbeiter brauchen, die das leisten können.


Es wird immer deutlicher, dass die Energiewende eine rasche Erneuerung sowie den Ausbau der Netzinfrastruktur erfordert. Europten ist dafür der Spezialist vor Ort. Was ist sozusagen Ihr Expertentipp an die Politik, um den Leitungsbau zu beschleunigen?

Androsch:
Was komplett fehlt, ist eine Gesamtplanung. Man kann nicht hergehen und quasi planwirtschaftliche Beschlüsse fassen, aber keinen Plan für die Wirtschaft haben. In ein Gesetz kann ich schnell etwas hineinschreiben, doch die Politik muss sich Gedanken darüber machen, wie das wirtschaftlich umsetzbar ist. Dabei geht es nicht nur ums Geld, das ist das geringste Problem dabei. Es müssen Produktionskapazitäten, die Verfügbarkeit von Fachkräften sowie Genehmigungsverfahren und Zeitpläne aufeinander abgestimmt werden. Das wurde überhaupt nicht gemacht. Zudem brauchen die Unternehmen attraktive Rahmenbedingungen. Wir haben die höchsten Steigerungen bei den Lohnkosten in ganz Europa. Wie wollen sie da vernünftig mehrjährige Infrastrukturprojekte kalkulieren?

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"Wenn die qualifizierten Fachkräfte fehlen, kann die Politik Pläne schmieden, wie sie will, es werden zu wenige da sein, um diese umzusetzen"
Hannes Androsch

Unternehmen in Österreich brauchen bessere Rahmenbedingungen

Der Ausbau der Bahninfrastruktur ist für die Mobilitätswende ebenfalls essenziell: Wie beurteilen Sie das aktuelle Ausbautempo in Österreich?

Androsch:
Schlichtweg unzureichend. Sehen Sie sich an, wie lange der Bau vom Koralm- und Semmering-Basistunnel dauert. Den Arlbergtunnel haben wir von 1974 bis 1978 quasi in nur vier Jahren gebaut. Gekostet hat das damals 4,8 Milliarden Schilling, also inflationsbereinigt rund 980 Millionen Euro. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was wir heute für vergleichbare Infrastrukturprojekte aufwenden müssen. Essenzielle Projekte wie die Pyhrn-Schober-Achse müssten schon längst weiter fortgeschritten sein und auch auf europäischer Ebene stockt es an allen Ecken und Enden. Dass wir noch keine Harmonisierung des Eisenbahnwesens auf europäischer Ebene haben, führt zu gewaltigen Ineffizienten im Bahnausbau.


Infrastrukturausbau ist eng mit der Standortqualität verbunden und erfordert, in Zusammenhängen zu denken, wie man sehr eindrucksvoll bei der Energiewende sieht. Wie kann Österreich seine Infrastrukturpolitik effizienter gestalten?


Androsch:
Zuallererst müssen die Rahmenbedingungen für Unternehmen deutlich verbessert werden. Die hohen Lohnkosten habe ich bereits angesprochen. Die Energiekosten sind ein weiteres Problem. Aber von immenser Bedeutung ist auch der Bildungssektor. Hier bewegt sich in der Politik überhaupt nichts. Wir können aber nicht Spitzenforschung betreiben, wenn von unten kein entsprechendes Potenzial nachkommt. Das Bildungsvolksbegehren mit über 380.000 Unterschriften verstaubt in der Schublade. Täglich lesen wir in den Medien, wie es in unseren Schulen zugeht. Im Bildungsbereich sehe ich u.a. den höchsten Handlungsbedarf, wenn es um Standortqualität geht. Ein Land braucht schließlich genügend clevere Leute, damit irgendetwas effizient funktioniert.

Aufsichtsrat und Geschäftsführung von EUROPTEN bei einer Baustellenbesichtigung. Franz Rossler, CFO; Harald Haller, Mitglied des Aufsichtsrates; Alexander Hoffmann, Mitglied des Aufsichtsrates;  Dr. Hannes Androsch, Aufsichtsratsvorsitzender; Wilfried Rendl, CEO
Aufsichtsrat und Geschäftsführung von EUROPTEN bei einer Baustellenbesichtigung. Franz Rossler, CFO; Harald Haller, Mitglied des Aufsichtsrates; Alexander Hoffmann, Mitglied des Aufsichtsrates;  Dr. Hannes Androsch, Aufsichtsratsvorsitzender; Wilfried Rendl, CEO Aufsichtsrat und Geschäftsführung von EUROPTEN bei einer Baustellenbesichtigung. Franz Rossler, CFO; Harald Haller, Mitglied des Aufsichtsrates; Alexander Hoffmann, Mitglied des Aufsichtsrates;  Dr. Hannes Androsch, Aufsichtsratsvorsitzender; Wilfried Rendl, CEO - © pixelmaker.at (Robert Sommerauer)
"Man kann nicht hergehen und quasi planwirtschaftliche Beschlüsse fassen, aber keinen Plan für die Wirtschaft haben"
Hannes Androsch

Wer gewinnt denn Wettlauf in der Industrie?

Europa verliert insgesamt an Standortattraktivität. Wenn Sie den Blick ausweiten, was macht man in den USA oder in Asien besser?

Androsch:
Nun, die USA haben eine bemerkenswerte Wandlung hingelegt und sind heute als Industriestandort wieder attraktiv. Ein Großteil der Infrastruktur ist aber dort auch desolat. Dennoch gehen die Amerikaner die Dinge pragmatischer an und es ist auch wesentlich mehr Kapital verfügbar. Asien hingegen kann man nicht vereinheitlichen. Hier gibt es völlig unterschiedliche Geschwindigkeiten. Sie können nicht China beispielsweise mit Indien vergleichen.

Entscheidend ist, dass wir uns in Europa nicht ständig selbst blockieren dürfen. Wir lähmen unsere unternehmerischen Kräfte durch zu viel Bürokratie und dürfen uns daher nicht wundern, wenn uns etwa China und die USA bei der Digitalisierung abhängen. Ich komme zurück zum Bildungsbereich: Wir sind eines der wenigen Länder, wo die Kinder nicht von der Unterstufe weg Programmieren lernen. Und um das abschließend abzurunden: Sie brauchen auch für die Energiewende und Co. gut ausgebildete Meschen. Wenn die qualifizierten Fachkräfte fehlen, kann die Politik Pläne schmieden, wie sie will, es werden zu wenige da sein, um diese umzusetzen.