US-Wahl 2024 : Trumps Wiederwahl: Wie muss Europa reagieren?

USA Flaggen und Menschen bei einer Parade.

Die US-Amerikaner hoffen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung.

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Vier Jahre Donald Trump haben die mächtigste Nation der Welt von 2016 bis 2020 tiefer gespalten als je zuvor und die alte Weltordnung endgültig ins Wanken gebracht. Die US-Präsidentschaftswahl am 6. November 2024 wird daher eine erneute Zäsur. Der Trumpismus ist das vorläufige Ende einer fatalen politischen Entwicklung, deren Wurzeln tief in die Geschichte der USA zurückreichen.

Das Phänomen Donald Trump wird seit Jahren unzureichend analysiert und vor allem in Europa hat man noch nicht verstanden, was die US-Amerikaner wirklich an der Wahlurne motiviert. Bereits 2016 ging es um Wirtschaft. "Make America Great Again" war vor allem ein ökonomisch aufgeladener Wahlspruch. 2024 haben abermals die Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufstieg der USA den Ausschlag gemacht.

Und anders als 2020 hat Donald Trump den Zeitgeist und die Themenlage auf seiner Seite. Seine Konkurrentin Kamala Harris konnte mit ihren teils starken Partikularthemen wie Abtreibungsrechte etc. nicht wirklich die Bedürfnisse der amerikanischen Mehrheit ansprechen. Schon seit jeher wird von einem US-Präsidenten vor allem eines erwartet, nämlich, dass er die Wirtschaft stärkt.

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Wirtschaftsthemen waren auch bei der US-Wahl 2024 ein zentrales Thema.

"Make America Great Again" und das Fortschrittsversprechen

"Make America great“, hat sich vielleicht auch schon Präsident James Polk gedacht, als er 1846 gegen Mexiko in den Krieg zog. Er war der elfte Präsident der Vereinigten Staaten und erreichte im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg die bisher größte territoriale Ausdehnung der noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika. Der heute kaum bekannte Polk war einer der erfolgreichsten Machtpolitiker in der amerikanischen Geschichte.

Ohne ihn wären Städte wie San Francisco, Los Angeles oder Las Vegas heute vermutlich mexikanisch. Schon damals gab es jenen politischen Geist, der heute in den Wahlslogans von Donald Trump „Make America great again“ und „America First“ mitschwingt. James Polk glaubte an das zu seiner Zeit sehr populäre „Manifest Destiny“, jenen vom Journalisten John O’Sullivan erstmals geprägten Begriff, der den USA ein schicksalhaftes Sendungsbewusstsein verlieh. Donald Trump spricht also auch einen Urmythos der Vereinigten Staaten an.

Der Fortschritt Amerikas (John Gast, ca. 1872). Allegorische Darstellung des Manifest Destiny: Die Figur Columbia personifiziert die USA, die den amerikanischen Siedlern das „Licht der Zivilisation“ nach Westen tragen und Indianer und wilde Tiere vertreiben. Columbia zieht einen Telegraphendraht und hält ein Schulbuch in der rechten Hand.
Der Fortschritt Amerikas (John Gast, ca. 1872). Allegorische Darstellung des Manifest Destiny: Die Figur Columbia personifiziert die USA, die den amerikanischen Siedlern das „Licht der Zivilisation“ nach Westen tragen und Indianer und wilde Tiere vertreiben. Columbia zieht einen Telegraphendraht und hält ein Schulbuch in der rechten Hand. - © wikimedia

Amerika den Amerikanern

Ideologischer Vordenker war US-Präsident James Monroe, der mit seiner „Monroe-Doktrin“ 1823 die Grundzüge langfristiger Außenpolitik festlegte und das Prinzip der Nichteinmischung in europäische Konflikte und ein Ende des Kolonialismus vertrat.

Auch er legte mit dem Ausspruch „Amerika den Amerikanern“ in gewisser Weise eine historische Vorlage für Trump und schuf die Grundlage für die territoriale Expansion der USA.

James Polk war überzeugt, dass die Vereinigten Staaten zu Großem bestimmt wären. Dahinter stand die Expansionsidee einer amerikanischen Nation, die von der Ost- bis zur Westküste reichen sollte und darüber hinaus.

Das "Darüber-hinaus" erreichte ein knappes halbes Jahrhundert später der fast schon legendäre Präsident Theodore „Teddy“ Roosevelt, der mit seiner „Big Stick“ (englisch für „großer Knüppel“) genannten Außenpolitik den Einflussbereich der USA nicht nur in der Karibik, sondern auch im Pazifischen Ozean massiv ausdehnte.

Das expansive Sendungsstreben eines Polk und die Wildwest-Außenpolitik eines Teddy Roosevelt sind, wenn man so will, historische Vorläufer der heutigen Politik von Präsident Donald Trump. Teddy Roosevelt wird der Spruch zugeschrieben: „Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, dann wirst du weit kommen“.

Das scheint geradezu das Motto von Trumps Außenpolitik zu sein, wenn er bei Staatsbesuchen stets freundlich lächelt und die geballte wirtschaftliche und militärische Macht der USA bei Handelskonflikten im Köcher hat.

Auch innenpolitisch sind Polk und Roosevelt vor ganz ähnlichen Problemen gestanden wie heute Trump. Polk musste sich mit massiven sozialen Ungleichheiten und Spannungen in den Metropolen der Ostküste herumschlagen, die durch ständige Migration aus Europa angeheizt wurden und die er nur durch die Expansion nach Westen entschärfen konnte. Außerdem warfen Sklaverei und Bürgerkrieg ihre Schatten bereits voraus.

Theodore Roosevelt trat Anfang des 20. Jahrhunderts in seinen Wahlkämpfen massiv für die Rechte der amerikanischen Arbeiter ein und ging auf Konfrontationskurs mit den damaligen Eliten, allen voran mit John D. Rockefeller, J.P. Morgan und Andrew Carnegie, welche die damals reichsten und mächtigsten Wirtschaftsmagnaten waren und fast monopolartig die amerikanische Wirtschaft kontrollierten.

Präsident Theodore „Teddy“ Roosevelt galt ähnlich wie Trump als Populist und Anti-Establishment-Präsident.
Präsident Theodore „Teddy“ Roosevelt galt ähnlich wie Trump als Populist und Anti-Establishment-Präsident. - © wikimedia
„Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, dann wirst du weit kommen“
Präsident Theodore „Teddy“ Roosevelt

Der amerikanische Arbeiter

Auch Trump hat den „Blue Collar Worker“, den amerikanischen Arbeiter, als seine Zielgruppe auserkoren und verspricht mit seiner protektionistischen Wirtschaftspolitik vor allem eines: Jobs zu schaffen. Die Wurzeln der Trumpschen Politik ziehen sich quer durch die amerikanische Geschichte.

Er nimmt wahlweise Anleihen bei Ronald Reagan, der bereits „Let’s make America great again“ 1980 als Wahlslogan hatte, oder bei John Macains „Country first“ -Kampagne 2008. Die Themen, mit denen Donald Trump heute polarisiert, waren schon immer Teil der politischen Kultur der USA, nichts ist im Grunde neu daran. Dem amerikanischen Traum wohnte immer ein gewisser nationaler und populistischer Geist inne.

Die Errungenschaften der USA für die heutige Zivilisation sind unbestritten, doch dass der Aufstieg zur Weltmacht expansionistisch und zuweilen kriegerisch war, wurde lange Zeit von der Welt ausgeblendet. Die Vereinigten Staaten schwankten stets zwischen der Verheißung imperialistischer Macht, wie etwa unter James Polk und der Rückbesinnung auf einen progressiven Idealismus ,wie etwa unter Fanklin D. Roosevelt. Von den einstigen Gründungsidealen, demokratisch, egalitär und vor allem antiimperialistisch zu sein, sind die USA heute wieder sehr weit entfernt. Amerika hat seinen moralischen Kompass verloren.

Doch Trump bedient sich in seinem protektionistischen und isolationistischen Programminhalten stark an dem einstigen Idealen der USA. Seine Kampagne mit skurilen Aufritten, wie dem EX-Wrestler Hulk Hogan, mutet streckenweise lachhaft, überzeichnet, populistisch und wenig stringent an, doch er bedient eine Gefühlslage der Amerikaner, die historisch stark verwurzelt ist.

Hulk Hogan bei einer Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump
A real American: Hulk Hogan, einst gefeierter Wrestler, fiel mit skurilen Auftritten im Trump-Wahlkampf auf aber er hatte eine Botschaft: er sehe nur hart arbeitende Amerikaner unter Trumps Anhängern. - © Reuters

Die USA, eine mediale Oligarchie

Es ist erstaunlich, dass jene Studie aus 2015 von der renommierten Princeton Universität über den Zustand der amerikanischen Demokratie nicht mehr Aufsehen erregt hat. Die Studienautoren Martin Gilens und Benjamin I. Page untersuchten den Einfluss von Eliten auf die amerikanische Politik und kamen zum nüchternen Befund, dass sich die Interessen der Masse der Amerikaner so gut wie gar nicht mehr im politischen Entscheidungsprozess durchsetzen können, sondern kleine elitäre Gruppen substanziellen Einfluss auf die US-Regierung ausüben.

In ihrer Studie sprechen sie von „Biased Pluralism“ oder von „Popularistic Democracy“, was irgendwie sehr nach „gelenkte Demokratie“ klingt. In ihrer Schlussfolgerung sprachen Gilens und Page davon, dass „die Behauptung Amerikas, eine demokratische Gesellschaft zu sein, ernsthaft gefährdet“ sei. Tatsächlich ist der Einfluss wirtschaftlicher Eliten auf die US-Politik immens.

Ohne massive finanzielle Unterstützung vonseiten der Wirtschaft schafft es kaum ein Politiker, selbst auf Lokalebene, in ein Amt. Klarerweise favorisieren die mächtigen Geldgeber immer jene Kandidatinnen und Kandidaten, die ihre wirtschaftlichen Interessen vertreten.

Ohne die Unterstützung sogenannter „Super PACs“ (PAC steht für Political Action Committee), wie die großen Lobbygruppen in den USA genannt werden, schafft es niemand ins Weiße Haus. Einer der einflussreichsten PACs ist seit Jahrzehnten der der Gebrüder Charles und David Koch, die mit der Koch Industries Inc. eines der mächtigsten Unternehmen in den USA führen. Die Koch-Stiftung unterhält ein gigantisches Netzwerk an NGOs und Lobbyorganisationen und setzt sich vorrangig für neoliberale, libertäre und rechtskonservative Interessen ein.

Bekannt wurde sie mit ihrer massiven Propaganda gegen den von Menschen gemachten Klimawandel. Am anderen Ende des politischen Spektrums finden sich nicht minder einflussreiche Lobbygruppen. Diese elitäre Polit-Maschinerie existiert in den USA seit Jahrzehnten und ist inzwischen eng mit dem medialen Komplex verschränkt. Donald Trump ist die logische Entwicklung einer politischen Kultur, die immer stärker auf Empörung, Emotionalisierung und Popularisierung aufbaute. Die Medien erzeugten den „Biased Popularism“ schon lange vor Trump, doch niemand vor ihm trieb die medial inszenierte Polarisierung der politischen Botschaft so auf die Spitze.

Im Wahlkampf sprang der reichte Mann der Welt, Elon Musk, Trump zur Seite und unterstützte ihn mit Millionen-Spenden. Außerdem konnte er mit dem Nachrichtendienst X wesentlich auf Trumps Wählerschaft einwirken. Einerseits ist Trump also ganz klar ein Vertreter der Geldelite, denn Elon Musks Motivation ist weitgehend wirtschaftlicher Natur, andererseits bedient Trump aber auch den Wunsch der Bevölkerung, wieder eine starke Demokratie zu werden.

Seine Anti-Establishment-Rhetorik entspringt der Erkenntnis der Studie von Giles und Page, wonach die US-Politik stark von Eliten beeinflusst ist. Das fällt beim einfachen amerikanischen Volk auf fruchtbaren Boden.

Donald Trump mit Elon Musk
Donald Trump durfte auf die Hilfe des reichsten Mannes der Welt, Elon Musk, zählen, der mit dem Kurznachrichtendienst X ein wesentlicher Medienmogul geworden ist. - © AFP

Trumpismus als Inszenierung: Verkörperung des amerikanischen Traums

Inzwischen ist es fast eine Legende, dass Donald Trump ausgerechnet durch Barack Obama angestachelt wurde, für die Präsidentschaft zu kandidieren, als dieser sich über Trump bei einem Galadinner öffentlich lustig machte. Obama beherrschte die mediale Inszenierung bereits meisterlich und auch er spielte mit der Herabwürdigung politischer Gegner. Präsidial war die Rede von Obama über Trump damals jedenfalls nicht.

Donald Trump hingegen ist von jeher ein Medienmensch gewesen, insofern war es nachträglich betrachtet wohl einer der größten Fehler von Barack Obama, Trumps Ehrgeiz und Eitelkeit zu wecken. Betrachtet man das Leben von Donald Trump, dann ist dieser zweifelsohne ein „Gewinner-Typ“, wie ihn die Amerikaner gerne sehen. Jemand, der alles daran setzt, seine Ziele zu erreichen, den Rückschläge scheinbar kaltlassen und der wie mit einem Tunnelblick jegliche Konsequenzen seines Handelns ausblendet.

Trump ist der ultimative Populist, der ohne Reue ist und nur den Angriff kennt. So ist es ihm in den letzten Jahren immer wieder auf erstaunliche Weise gelungen, jeden scheinbar noch so vernichtenden Vorwurf gegen seine Person umzudrehen. Bereits in der Kandidaten-Vorwahl der Republikaner 2016 konnte man erleben, wie Trump den Sexismusvorwurf der damaligen Fox-Moderatorin Megyn Kelly medial so umdrehte, dass Kellys Vorwurf medial als völlig ungerechtfertigt und unfair dargestellt wurde.

Der Trumpsche Populismus ist das logische Ende einer seit Jahrzehnten „popularistisch“ zugespitzten Politik-Kultur in den USA. Er ist nicht Ursache, sondern Symptom des politischen Niedergangs.

Donald Trump mit USA und EU Flagge im Hintergrund
Donald Trump verkörpert den amerikanischen Traum. In Europa sieht er zumindest einen wirtschaftlichen Gegenspieler. - © Evan Vucci/AP/dpa

Zweite Ära Trump wird anders

Die erste Präsidentschaft von Donald Trump von 2016-2020 war von massiver politischer Instabilität geprägt. Außenpolitisch war sein "Handelskrieg" mit China und der EU mehr Show als handfeste Agenda. "Neue" Kriege hat es unter seiner Präsidentschaft tatsächlich keine gegeben.

Außenpolitisch hielt er die Weltlage ruhig und konnte sogar im Nahen Osten eine Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien erwirken. Sein überhasteter Ausstieg aus Afghanistan wirkt aber bis heute nach. Doch er war stets ein starker Verbündeter Israels. Er wird daher im aktuellen Krieg im Nah-Ost Israel zur Seite springen.

Man sollte aber nicht davon ausgehen, dass die zweite Präsidentschaft von Trump so wird, wie die erste. Er wird innenpolitisch mächtiger sein und auch außenpolitisch klarere Ziele verfolgen. Europa muss sich einerseits um eine gute Gesprächsbasis mit den USA bemühen, aber wesentlich unabhängiger werden.

Eine Erkenntnis, die bereits aus Trumps erster Präsidentschaft herrührt. Wirtschaftlich wird Trump auf starken Protektionismus setzen aber auch auf Liberalisierung. Letzteres ist ein Hauptgrund, warum Elon Musk zu seinen Unterstützern zählt. Der Milliardär verspricht sich vor allem den Abbau von Regularien für sein Weltraumgeschäft mit Space X.

Wirtschaftlich könnte Trump 2.0 aber für Europa auch vorteilhaft sein. Trump will nicht nur Zölle erhöhen, sondern auch Produktionen in den USA fördern. Europäische Unternehmen, die in den USA produzieren, könnten also durchaus Vorteile haben. Außerdem könnte Europa für internationale Investoren wieder an Bedeutung gewinnen, wenn sich die USA unter Trump wieder stärker abschotten. Doch man wird in Brüssel und in den europäischen Hauptstädten auch die richtigen Lehren und Erkenntnisse daraus ziehen müssen.

Eine neue Zeit der pragmatischen Realpolitik und der interessengeleiteten Außenpolitik hat gerade begonnen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Rede im EU-Parlament
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird nun mit einem politisch gestärkten US-Präsidenten Donald Trump umgehen müssen. - © EU Parlament