Freihandel am Scheideweg : Warum der Megatrend Globalisierung an Bedeutung verliert
Die Intensität der internationalen Handelsbeziehungen lässt nach und „Freihandel“ klingt in vielen Ohren heute so verlockend wie „Warmduscher“ oder „Beckenrandschwimmer“. Globalisierung ist heute vielmehr das Wasser auf den Mühlen populistischer Parteien, die sich von internationalen Verflechtungen abkoppeln wollen, um vorgeblich eigene Märkte und heimische Arbeitsplätze zu schützen. Dabei dürfte es vollkommen egal sein, dass sich durch den Protektionismus bzw. Strafzölle auch die Waren für die Bevölkerung verteuern und der Glassturz, der schützend über die eigenen Industrien gestellt wird, lediglich dazu beiträgt, dass diese noch stärker an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Wie so oft in der Geschichte, wird sich diese Lehre wohl auch nach jenen Handelskonflikten bewahrheiten, die sich derzeit anbahnen.
Lesen Sie auch hier: Ist der Freihandel tot und wer ist sein Nachfolger?
Konflikt mit Tradition
Auch wenn mit der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump eine solche Auseinandersetzung zwischen der EU und den USA mehr oder weniger erneut vorprogrammiert ist, standen die Handelsbeziehungen zwischen diesen beiden Märkten bereits seit den frühen 2000er Jahren stark im Zeichen diverser Querelen. Zu den prominentesten Konflikten zählte der Streit um Subventionen für Airbus (EU) und Boeing (USA). Beide Seiten warfen sich gegenseitig illegale Subventionen vor, was zu langwierigen Verfahren vor der Welthandelsorganisation (WTO) führte.
Nie mehr die wichtigsten Nachrichten über Österreichs Wirtschaft und Politik verpassen. Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter: Hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung!
Zudem gab es Konflikte um das US-Steuergesetz "Foreign Sales Corporation", das die WTO als unzulässig einstufte. Als Reaktion darauf verhängten die EU und die USA Vergeltungszölle. Wichtige europäische Exportprodukte wie Orangen und Tabak gerieten ins Visier der amerikanischen Zollpolitik, während die EU US-amerikanische Waren wie Stahl und landwirtschaftliche Erzeugnisse ins Visier nahm. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Handelskonflikt dann 2018 als die USA unter der Trump-Regierung Zölle von 25 Prozent auf Stahl und 10 Prozent auf Aluminium aus der EU aufschlugen. Die Europäische Union reagierte mit Gegenzöllen auf typische US-Produkte wie Harley-Davidson-Motorräder, Bourbon-Whiskey und Jeans.
Vorübergehendes Tauwetter
Mit der Amtsübernahme von US-Präsident Joe Biden im 2021 kam wieder Bewegung in die festgefahrenen Konflikte. So wurden bei Stahl und Aluminium die Zölle durch ein Quotenmodell ersetzt, das faire Handelsbedingungen schaffen sollte. Im Gegenzug hob die EU ihre Zölle auf. Allerdings blieb auch unter den Demokraten das Verhältnis nicht ungetrübt: Neuer Anlass für Konflikte wurde der US-amerikanische Inflation Reduction Act von 2022. Das Gesetz sieht umfangreiche Subventionen und Steuervorteile für US-Produkte vor, was die EU als Benachteiligung ihrer Exporteure wahrnimmt. Gleichzeitig gibt es Diskussionen um Digitalsteuern, die vor allem US-Technologieunternehmen treffen würden.
-
„Deutschland ist und bleibt für Österreichs Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Eine politische und wirtschaftliche Stabilisierung in Deutschland wird sich auch auf Österreich positiv auswirken."
Gudrun Meierschitz
Ruhe vor dem Sturm
Allerdings fand man jenseits und diesseits des Atlantiks mit Russland und China wenigstens gemeinsame Gegner, die mit Sanktionen, Boykottmaßnahmen und Strafzöllen in die Schranken gewiesen werden sollten. „America first“ von Donald Trump unterscheidet sich im Prinzip auch gar nicht so stark von den Denkmustern der demokratischen Mitbewerber in den USA und auch nicht von so manchen Regierungen innerhalb der EU. Jedoch bedingt „America First“ auch das Gebot des Anti-Interventionismus, weshalb damit zu rechnen ist, dass sich Trump künftig sehr wenig darum kümmern wird, von wem seine Feindbilder geteilt werden und wer mit den USA generell an einem partnerschaftlichen Verhältnis und fairen Handelsbeziehungen interessiert ist. Das sind Kategorien, die in diesem auf die USA reduzierten Weltbild keinen Platz haben, und für Trump und seine Wählerschaft sind Strafzölle auch viel attraktiver und populärer als die Entsendung von Flugzeugträgern.
Das drohende Szenario
Eine Eskalation der geopolitischen Konflikte könnte das Handelswachstum 2025 und 2026 auf unter 5 Prozent drücken – ein Rückgang von 0,6 Prozentpunkten.
Laut der jüngsten Studie von Acredia und Allianz Trade drohen Europa und China bei Ausbruch eines Handelskrieges in diesem Zeitraum Exporteinbußen von 67 Mrd. USD. Die Ergebnisse zeigen auch, wie vulnerabel Österreichs Exportwirtschaft gegenüber geopolitischen Entwicklungen ist: Ursprünglich wurde für 2025 und 2026 ein Exportwachstum von insgesamt 11 Mrd. USD prognostiziert. Doch aufgrund anhaltender Unsicherheiten könnten die Zuwächse nun um 1 Mrd. USD auf 10 Mrd. USD sinken. „Sollte es zu einem Handelskrieg kommen, droht das österreichische Exportwachstum in den kommenden zwei Jahren auf 7,9 Mrd. USD zurückzufallen. Das ist ein Verlust von 3,1 Mrd. USD gegenüber unseren bisherigen Erwartungen“, so Gudrun Meierschitz, Vorständin der Acredia Versicherung AG.
Eine Schlüsselrolle für die weitere Entwicklung des heimischen Exportgeschäftes spielt dabei Deutschland. Das Handelsvolumen zwischen Österreich und Deutschland lag im Vorjahr noch bei 123,1 Mrd. Euro. Dabei entfielen 58,4 Mrd. Euro auf heimische Exporte nach Deutschland, was fast ein Drittel (29,1 Prozent) der gesamten österreichischen Exporte ausmacht.
Handelszölle EU | USA | |
---|---|
Durchschnittliche Handelszölle zwischen EU und USA seit 2018: | Mittelwert |
EU Zölle auf USA-Importe: | 5,2 Prozent |
USA Zölle auf EU-Importe: | 3,5 Prozent |
Geplante USA Zölle auf EU-Importe: | bis zu 10 Prozent |
(Quelle: ifo Institut) |
EU-Exporte | |
---|---|
Erwarteter Rückgang von EU-Exporten in die USA bei 10-Prozent Zöllen auf europäische Güter: | - 15 Prozent |
(Quelle: Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW)) |
Brüsseler Protektionismus gefährdet auch Klimaziele
Die Europäische Union stellt sich mit Strafzöllen gegen China selbst ein Bein.
Die Elektromobilität wird als zentraler Faktor für die Erreichung der Klimaziele im Verkehr betrachtet. Aktuell gerät der Ausbau in Europa jedoch ins Stocken. Wesentliche Gründe dafür sind das begrenzte Angebot an erschwinglichen Modellen, während der Markt von hochpreisigen Fahrzeugen dominiert wird, sowie eine lückenhafte und inhomogene Ladeinfrastruktur innerhalb der EU. „Am Ende treffen die Zölle vor allem jene, die auf E-Mobilität umsteigen würden, wenn die Fahrzeuge günstiger wären“, argumentiert Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung, wobei die absehbaren Gegenmaßnahmen Chinas wohl auch noch andere in der EU treffen werden.
Schon bei der Einführung des Verbots von Verbrennungsmotoren war absehbar, dass die europäische Automobilindustrie vor großen Herausforderungen stehen würde, wenn CO₂-Neutralität im Verkehr nahezu ausschließlich durch Elektromobilität erreicht werden soll. China hat hingegen frühzeitig in diesen Bereich investiert, sich den Zugang zu wichtigen Rohstoffen gesichert und vor allem in der Batteriefertigung einen Innovationsvorsprung erlangt. Bernhard Wiesinger: „Preis- und Innovationswettbewerb dürfen nicht ausgeschaltet werden. Denn wenn man die Klimaziele ernst nimmt, braucht es günstige E-Autos. Gleichzeitig braucht es in Europa – so wie überall sonst auf der Welt – einen technologieoffenen Zugang, um die Klimaneutralität im Verkehr zu erreichen.“