Wirtschaftsprognose Österreich 2024 : Was die Wirtschaft sich vom zweiten Halbjahr erwartet

Wirtschaftliche Entwicklungen

Wie blickt die Wirtschaft in Kärnten und in der Steiermark in die zweite Jahreshälfte?

- © iamchamp - stock.adobe.com

Die beiden großen Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS haben Ende Juni die Prognosen für den Sommer noch einmal gesenkt.

Konkret rechnet das WIFO für 2024 mit einem Nullwachstum und das IHS mit einem minimalen Plus von 0,3 Prozent. Die Inflation wird bei rund drei Prozent bleiben. Hauptgrund für den fehlenden Konjunkturaufschwung seien vor allem die Flauten in der Bauwirtschaft und bei der Industrie. Erst 2025 würde man hier Impulse spüren. Das WIFO geht von einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent im kommenden Jahr aus, das IHS rechnet schon ab Oktober mit einer Verbesserung der Lage.

Wie blickt aber die Wirtschaft in Kärnten und in der Steiermark in die zweite Jahreshälfte?

Nie mehr die wichtigsten lokalen Nachrichten aus dem Süden Österreichs aus Wirtschaft und Politik verpassen. Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter: Hier geht’s zur Anmeldung!

Banken zwischen Skepsis und Optimismus

Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank Steiermark, rechnet trotz allem mit einem leichten Wachstum noch im heurigen Jahr. „Konkret sollte das Wachstum ab Mitte des Jahres wieder durch Zinssenkungen, steigende Realeinkommen und einem besseren globalen Wachstum Fahrt aufnehmen“, so Schaller.

Bei der Kreditnachfrage und der Investitionsbereitschaft ortet er aber Zurückhaltung: „Zudem ist bei Unternehmer und Unternehmerinnen Liquidität gefragt und das macht sich in den Betriebsmittelkrediten durch Verlängerungen sowie Aufstockungen bemerkbar“, berichtet Schaller, der Unternehmen aktuell rät, sich hinsichtlich ihrer Liquidität bei ihrer Bank beraten zu lassen.

Oliver Kröpfl, Vorstandsmitglied bei der Steiermärkischen Sparkasse, zeigt sich eher skeptisch. „Die Konjunkturkurve wird heuer eher sehr flach verlaufen. Und auch was 2025 betrifft, bin ich aktuell eher verhaltener, als ich das noch vor einigen Monaten war“, berichtet Kröpfl. Der Hauptgrund ist, dass nicht mit einer dynamischen Zinssenkungspolitik durch EZB zu rechnen sei.

Ernst Albegger, Regionaldirektor Steiermark bei der Hypo Vorarlberg, sieht zudem sehr differenzierte Entwicklungen. Einerseits würde der Immobilienmarkt schwächeln, bei Klein- und Mittelbetrieben gäbe es aber durchaus Aufwind und der Tourismus stehe sehr gut da. „Belastungen, wie steigende Lohn- und Energiekosten betreffen alle gleichermaßen. Es gibt aber Branchen, wo diese durchaus im Preis an die Kunden weitergegeben werden können, beispielsweise bei einzelnen Industriesparten“, so Albegger.

„Der Aufschwung verzögert sich. Wir sehen eine nachhaltige Erholung frühestens 2025. Die stark exportorientierte steirische Wirtschaft ist überdurchschnittlich von der konjunkturellen Schwächephase betroffen“, berichtet auch Monika Cisar-Leibetseder, Generaldirektorin der Volksbank Steiermark. Inflationsbedingter Kostenauftrieb und nach wie vor zurückhaltendes Konsumverhalten würden die Erwartung an einem rascheren Turn Around dämpfen.

„Die Investitionsbereitschaft und damit die Kreditnachfrage steigt branchenabhängig aber wieder spürbar, mit der Realisierung der Investitionen wird jedoch noch sehr oft zugewartet. Ein Großteil der potenziellen Investoren wartet auf bessere Rahmenbedingungen“, so Cisar-Leibetseder, die ebenfalls bei den Investitionen noch Zurückhaltung wahrnimmt.

„Bei den Firmenkundinnen und Firmenkunden gibt es einzelne Branchen, für die die aktuellen Rahmenbedingungen besonders herausfordernd sind: Grundstücks- und Wohnungswesen inkl. des Baugewerbes, Handel und vereinzelt auch das Gastgewerbe. Das liegt vor allem am schwachen Wirtschaftswachstum. Herausfordernd für Unternehmen sind die höheren Aufwendungen wie etwa Lohnkostensteigerungen. Dennoch gehen wir von keiner Insolvenzwelle aus, da auch die Zinssenkungen entgegenwirken“, resümiert Schaller.

„Es herrscht strategisches Nachdenken bei den Investitionen“
Oliver Kröpfl, Vorstandsmitglied Steiermärkische Sparkasse

EZB-Zinssenkung verpufft

Von einer Zinssenkung durch die EZB hatte man sich doch einige Impulse erhofft, wenn auch von vornherein klar war, dass diese nur marginal in einem ersten Schritt ausfallen würde. Oliver Kröpfl sieht aber bislang keinen nennenswerten Effekt: „Die Kreditnachfrage im kleinteiligen Geschäft ist heuer deutlich schwächer als im Vorjahr. In der Industrie ist es von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. Es herrscht grundsätzlich strategisches Nachdenken bei den Investitionen. Viele wägen ab, ob Sie in Europa oder in den USA, oder anderswo investieren sollen.“

„Das Stimmungsbild ändert sich aber durch die EZB-Zinssenkung. Diese kommen ja erst verzögert in der Wirtschaft an“, gibt Albegger zu bedenken. „Das Gelbe vom Ei ist das aber noch nicht. Dennoch bewegen wir uns langfristig gesehen in einem relativ normalen Zinsmarkt. Vor 15 Jahren war der Monats-Euribor bei fünf Prozent. Bei den Investitionen wird man daher noch nicht etwa in die neue Fabrikshalle investieren, sehr wohl aber in Maschinen und Anlagen, wenn diese für die Wettbewerbsfähigkeit benötigt werden“, so Albegger.

„Da der deutsche Markt zusammengebrochen ist, stehen nun andere europäische Länder im Fokus“
Robert Kanduth, Geschäftsführer bei GREENoneTEC

Immobilienbranche bleibt Problemfall

Die am schwersten gebeutelte Branche bleibt der Bau- und Immobiliensektor. „Vor allem Baunebengewerbe und Handwerk leiden unter der Auftragsflaute“, berichtet dazu Albegger. Bei den Immobilienverkäufen würde sich aber wieder langsam etwas bewegen, wie Oliver Kröpfl attestiert:

„Es kommen zwar kaum neue Projekte zustande, aber es werden bestehende Projekte weitergehandelt, weil viele Projektanten verkaufen müssen. Es werden dabei aktuell Preise akzeptiert, die vor einem Jahr noch nicht möglich gewesen wären und deshalb beobachten wir durchaus wieder eine gewisse Dynamik. Die Immobilienfinanzierung bei den gewerblichen Akteuren steigt bei uns deutlich wieder an.“

Das Wohnbaupaket der Bundesregierung hätte sich aber laut Kröpfl noch überhaupt nicht in der Realwirtschaft bemerkbar gemacht. „Es fehlen noch politische Rahmenbedingungen und die Umsetzung des Wohnbaupakets ist erst mit Herbst vorgesehen. Insofern wartet jetzt natürlich noch jeder ab“, so Kröpfl.

  • Michael Velmeden, Industrieller und Industrie-Spartenobmann der WK-Kärnten.
    „Wir wechseln von einer Rezession langsam in eine Phase der Stagnation“

    Michael Velmeden, Spartenobmann Industrie WK-Kärnten

Wirtschaft stellt sich auf Stagnation ein

Die Einschätzung der heimischen Banken wird von den Betrieben weitgehend bestätigt. Beim steirischen Heizungsbauer KWB erwartet man sich keine große Veränderung für den Herbst.

„Es gibt keine Indikatoren, die auf eine signifikante Verbesserung oder Verschlechterung hindeuten. Allerdings haben wir uns bereits im letzten Jahr gut auf diese Situation eingestellt“, berichtet Geschäftsführer Helmuth Matschnig.

Bei KWB nutzt man aktuell die Zeit, um das Produktportfolio zu erweitern. Mit der Auftragslage sei man aber zufrieden. „Wir erwarten, dass die Auftragsentwicklung im zweiten Halbjahr 2024 auf dem gleichen Niveau wie im ersten Halbjahr bleibt. Die Nachfrage nach nachhaltigen und komfortablen Gesamtenergielösungen bleibt stabil“, so Matschnig.

Mittelfristig sehe man durch die Energiewende die Auftragsentwicklung positiv. KWB beschäftigt aktuell rund 400 Mitarbeiter und exportiert u.a. nach Deutschland, Frankreich und Italien.

Beim Maschinen- und Anlagenbauer Binder+Co. aus Gleisdorf sieht die Lage ähnlich aus. Dort geht man allerdings für den Herbst von einem leichten Rückgang der Auftragslage aus. „Wir erleben eine große Entscheidungszurückhaltung unserer Kunden. Daher gehen wir bei Maschinenaufträgen von einem geringeren Auftragseingang für das 2 HJ im Vergleich zum Vorjahr aus. Projektaufträge sind zeitlich schwer zu prognostizieren, könnten aber die Auftragseingangsbilanz positiv beeinflussen“, berichtet Vorstandsmitglied Martin Pfeffer.

Rund 50 Prozent der Umsätze bei Binder+Co. werden traditionell in der EU (inkl. Österreich) getätigt. Die nächstgrößeren Märkte sind Asien und Australien mit ca. 25 Prozent bzw. die USA mit 15 Prozent. „Dieser Fokus wird beibehalten, wenngleich wir versuchen, geringere Nachfrage insbesondere aus Deutschland durch andere Märkte auszugleichen“, so Pfeffer.

Generell hoffe man auf eine leichte Konjunkturerholung auch in Zusammenhang mit der EZB-Zinssenkung.

Rund 50 Prozent der Umsätze bei Binder+Co. werden traditionell in der EU (inkl. Österreich) getätigt. Die nächstgrößeren Märkte sind Asien und Australien mit ca. 25 Prozent bzw. die USA mit 15 Prozent. „Dieser Fokus wird beibehalten, wenngleich wir versuchen, geringere Nachfrage insbesondere aus Deutschland durch andere Märkte auszugleichen“, so Martin Pfeffer, Vorstandsmitglied bei Binder+Co.

- © YouTube/ BinderCo

Hoffen auf Zinssenkung

Auf weitere Zinssenkungen hofft auch Robert Kanduth, Geschäftsführer bei GREENoneTEC, dem Weltmarktführer für Solarthermie aus Kärnten. Für das zweite Halbjahr rechnet man aber mit sinkender Auftragslage.

„Dies ist unter anderem auf die brutalen Dumping Importe aus China zurückzuführen. Dies führt für die gesamte österreichische Industrie zu Problemen. Da der deutsche Markt zusammengebrochen ist, stehen nun andere europäische Länder im Fokus. Hauptsächlich Frankreich und Italien“, berichtet Kanduth.

Industrie stagniert

„Wir wechseln von einer Rezession langsam in eine Phase der Stagnation. Da unterscheiden wir uns nicht wesentlich von den anderen Bundesländern“, kommentiert auch Michael Velmeden, Spartenobmann Industrie in der WK-Kärnten.

Ohne Investitionen würden aber immer mehr Standorte wackeln. Die Situation sei aus mehreren Gründen bedrohlich.

„Zuerst kamen die im europäischen Vergleich extrem hohen Energiepreise, dann kam die Inflation und nach den KV-Verhandlungen der enorme Anstieg der Lohnkosten: in zwei Jahren je nach Branche bis zu 18 Prozent plus. Das ist im internationalen Wettbewerb kaum zu verdienen. Erträglich ist das eigentlich nur für jene Betriebe, die hoch automatisiert sind. Aber das sind leider zumeist auch jene, die unter den immer noch im Vergleich viel zu hohen Energiekosten leiden. Es ist ein Teufelskreis, auch bekannt unter Lohn-Preis-Spirale“, erläutert Velmeden.

Der Einbruch der Industrie sei daher „besorgniserregend“ und stärker als im Corona-Jahr 2020. „Besonders negativ war die Entwicklung neben den Energiefachverbänden vor allem in der metalltechnischen Industrie, der Papier-, der Holz und Nicht-Eisenmetallindustrie sowie der chemischen Industrie“, berichtet der Industrieobmann.

Der Protektionismus der USA sowie die Debatte rund um Strafzölle sei extrem schädlich. Für Kärnten seien die USA vom zweitwichtigsten Exportland auf den sechsten Platz abgerutscht. „Es wird immer schwieriger, die notwendigen Preissteigerungen für Industrieprodukte Made in Austria am internationalen Markt unterzubringen“, so Velmeden.