Industrie Steiermark : Kommt die Investitionsflaute?

Arbeiter in Industriebetrieb

Wenn Unternehmen investieren, dann handle es sich meistens nur um Ersatzbedarf, der aktuell 54,6 Prozent der betrieblichen Investments ausmacht. Neuinvestitionen spielen aktuell nur für 25,7 Prozent eine Rolle.

- © dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

In Summe planen Betriebe bis 2027 ein Investitionsvolumen von geschätzt rund fünf Milliarden Euro in der Steiermark zu tätigen, wie die Wirtschaftsnachrichten ermitteln konnten. Ein Teil davon wurde bereits getätigt bzw. angekündigt.

Rund 500 Millionen Euro investiert AT&S bis 2025 am Hauptsitz in Leoben. Ams-OSRAM nimmt 588 Millionen Euro für den Standort Premstätten in die Hand. 1,5 Milliarden Euro investiert die voestalpine AG in ihre Standorte Linz und Donawitz. 100 Millionen plant Siemens Energy in den Standort Weiz zu investieren. Am Cargo Center Graz in Werndorf werden ebenfalls bis 2025 um rund 100 Millionen Euro die Gütertransportkapazitäten ausgebaut.

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Das sind nur einige der größten betrieblichen Investitionsprojekte der letzten Jahre in der Steiermark. Ergänz werden kann die Liste durch zahlreiche Investments im zweistelligen Millionenbetrag, etwa von Pankl Racing, Münzer Bioindustrie, Maschinenfabrik Liezen, Saubermacher, Miba, Siemens Mobility und vielen weiteren Unternehmen.

Ein erheblicher Teil des milliardenschweren Investitionsvolumens ist aber noch in Planung bzw. auf betrieblicher Ebene in der Konzeptionsphase. Ob sich dieses „in Planung“ befindliche Investitionspotenzial letztendlich für die Steiermark heben lässt, hängt aber von den Rahmenbedingungen ab und diese haben sich in den letzten zwei bis drei Jahren verschlechtert, sodass Unternehmen zuwarten, oder Investitionen im Ausland vorziehen.

  • Präsident der Wirtschaftskammer Steiermark, Josef Herk: „Die Steiermark verzeichnet aktuell auch eine äußerst geringe Investitionsbereitschaft“
    „Die Steiermark verzeichnet aktuell auch eine äußerst geringe Investitionsbereitschaft“

    Josef Herk, Präsident der Wirtschaftskammer Steiermark

Investitionsklima hat sich verschlechtert

Das Investitionsklima hat sich eingetrübt, wie das Wirtschaftsbarometer der Wirtschaftskammer Steiermark aufzeigt.

„Hauptverantwortlich dafür sind – neben den allgemein sehr herausfordernden Rahmenbedingungen – die hohen Arbeits- und Energiekosten, die massiv an der Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts zehren“, berichtet dazu Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk.

Dadurch verzeichnet die Steiermark aktuell auch eine äußerst geringe Investitionsbereitschaft, der Saldenwert im WK-Wirtschaftsbarometer, das auf den Einmeldungen von über 700 Unternehmen beruht, beträgt derzeit -20,8 Prozentpunkte. 

„Für die kommenden 12 Monate erwarten sogar 41,2 Prozent der befragten Unternehmen einen Rückgang ihres Investitionsvolumens“, lässt Herk aufhorchen.

Wenn Unternehmen investieren würden, dann handle es sich außerdem meistens nur um Ersatzbedarf, der aktuell 54,6 Prozent der betrieblichen Investments ausmacht. Neuinvestitionen spielen aktuell nur für 25,7 Prozent eine Rolle.

Die fehlenden Investitionen wirken sich auf den Arbeitsmarkt aus. Vor allem in der Automobilindustrie ist die Lage angespannt.

- © dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

Situation am Arbeitsmarkt „schwierig“

Aktuell herrscht eher ein negativer Trend vor, der viele Betriebe zu einer Redimensionierung zwingt. Stellenkürzungen bei MAGNA, AT&S, AVL und weiteren Betrieben überwogen die mediale Berichterstattung. Auf dem steirischen Arbeitsmarkt spürt man die Wirtschaftskrise und die Investitionsflaute.

„Generell ist die Lage in der Industrie schwierig, eine Trendwende leider aufgrund der weltweiten schwachen Konjunktur nicht rasch zu erwarten“, berichtet etwa Karl-Heinz Snobe, Geschäftsführer des AMS Steiermark.

Die Hinweise vor allem aus der Autozuliefererindustrie würden sich zudem verdichten, dass in den nächsten zwölf Monaten eine höhere Zahl an Arbeitskräften abgebaut werden müssen, so Snobe weiters.

„Gut qualifizierte Fachkräfte aus der Industrie finden immer noch interessante Angebote am Arbeitsmarkt, obwohl die offenen Stellen deutlich abnehmen. Deutlich schwieriger wird es für Anlernkräfte“, erläutert der AMS-Geschäftsführer weiters.

So werden beispielsweise freigesetzte Fachkräfte von MAGNA relativ schnell an andere Unternehmen und Branchen vermittelt, etwa an Siemens Mobility oder für ams-OSRAM, da sich das Know-how der Fachkräfte aus der Automobilbranche vielfältig einsetzen lässt.

„Für diese entwickeln wir zurzeit mit der Wirtschaftskammer und dem Land Steiermark eine Stiftungslösung, damit die Betroffenen eine Fachausbildung machen können“, so Snobe. Insgesamt sieht die Lage aber nicht rosig aus. „Neben dem Automotive-Bereich ist vor allem die Bau-, Baustoff- und Holzindustrie betroffen. Bis 2025 könnten in der Steiermark bis zu 3.000 Arbeitsplätze aus der Industrie und den davon betroffenen Wirtschaftsbereichen gestrichen werden. Wir stehen mit vielen Leitunternehmen in der Steiermark im regelmäßigen Austausch und führen Beratungsgespräche. Die Umfragen der Arbeitgeberverbände zeigen auch, dass es im Herbst zu einem stärkeren Personalabbau kommen wird“, berichtet Snobe über die Prognosen des AMS.

Seit dem Antrag von Liebherr auf Kurzarbeit seiner Mitarbeiter in Lienz, ist auch dieses Thema wieder in den steirischen Betrieben angekommen. Auf Nachfrage der Wirtschaftsnachrichten bestätigen mehrere Unternehmen, dass man intern darüber diskutiert habe, da die Auslastung aktuell zu gering sei, man aber gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht kündigen wolle. Da der Antrag von Liebherr allerdings abgelehnt wurde, würde man in der Steiermark von Anträgen absehen.

„Nach dem Auslaufen der Corona-Kurzarbeit wurden die Regelungen zur österreichischen Kurzarbeit wieder für unvorhersehbare, exogene Ereignisse, etwa Naturkatastrophen ausgerichtet. Die österreichische Kurzarbeit ist nicht dafür vorgesehen, konjunkturelle Schwankungen oder eine schwache Wirtschaftsleistung auszugleichen. Eine Änderung der bestehenden Regeln müsste von den Sozialpartnern betrieben werden“, erläutert Snobe vom AMS wie es um die Kurzarbeitsregelung aktuell steht.

  • „Die Welt hat sich im Vergleich zu vor drei Jahren, als wir uns entschlossen haben in Leoben Hinterberg zu investieren, stark verändert“

    Gerald Reischl, Unternehmenssprecher bei AT&S

Schwierige Rahmenbedingungen für Investitionen

Wie sich das Investitionsklima für die Unternehmen aktuell im Detail darstellt, hängt von der Branche ab. Von einer „Investitionsflaute“ will man nicht sprechen, aber von schwierigen Rahmenbedingungen.

Zukunftsbereiche seien derzeit jedenfalls der Green-Tech-Sektor und die Mikroelektronik. Siemens Energy produziert etwa in Weiz Generatoren und Transformatoren u.a. für Windturbinen und hat kürzlich den 5.000. ausgelieferten Transformator gefeiert.

Warum Siemens weiter in den Standort Weiz investiert, erläutert Christian Ettl, Werksleiter am Standort Weiz, gegenüber den Wirtschaftsnachrichten: „Der Standort Weiz-St. Ruprecht ist ein globales Zentrum für Spezialtransformatoren, vor allem für Windkraftanlagen. Die steigende Nachfrage nach erneuerbaren Energien und das hohe Ausbildungsniveau in der Region, unterstützt durch die Lehre am Standort, die HTL Weiz, die Universität Graz und die FH JOANNEUM Graz, etc. sind Gründe für die Investitionen von Siemens Energy. Ein entscheidender Erfolgsfaktor des Standorts ist seine starke Ausrichtung auf Nachhaltigkeit.“

Für den neuen Produktionsstandort von Windkrafttransformatoren sind Investitionen in der Höhe von 100 Millionen Euro geplant. Zusätzlich seien in den kommenden Jahren am Standort Weiz weitere umfangreiche Investitionen in die Fertigung von Großtransformatoren vorgesehen, berichtet Ettl.

„Derzeit befinden sich die Marktanalysen und die Machbarkeitsstudien in der finalen Evaluierungsphase, und die ersten Projektumsetzungen werden in naher Zukunft erwartet“, so Ettl.

Dass man bei Siemens aber auch genau hinschaut und die Rahmenbedingungen prüft, kann der Werksleiter aus Weiz ebenfalls bestätigen: „Obwohl das Marktumfeld in der Energiebranche derzeit positive Signale sendet, sieht sich Österreichs Wirtschaft mit mehreren strukturellen Herausforderungen konfrontiert. Zu diesen zählen unter anderem steigende Arbeitskosten, inflationsbedingte Lohnerhöhungen und ein knappes Arbeitskräfteangebot. Diese Faktoren erhöhen Produktionskosten erheblich und verringern die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie“, erläutert Ettl.

Das Land Steiermark müsse daher Prozesse beschleunigen, Infrastruktur verbessern und in Ausbildung investieren.

Halbleiterproduktion, wie hier bei AT&S in Leoben, ist zu einem Zukunftssektor für die Steiermark geworden.

- © dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

Mikroelektronik als neues Standortmodell

Durch die kürzliche Etablierung des Mikroelektronik-Clusters „Silicon Alps“ ist ein neuer starker Wirtschaftszweig in der Steiermark entstanden, der zu einem Standortmodell werden könnte und Potenzial hat, die Fokussierung auf die Automobilbranche, abzulösen bzw. zu ergänzen.

Beim Halbleiterhersteller AT&S kennt man die internationale Mikroelektronik-Industrie sowie die Standortbedingungen in der Steiermark bestens. In Kärnten und der Steiermark haben neben den heimischen Erfolgsunternehmen wie AT&S zunehmend auch internationale Firmen Niederlassungen für Produktion und Forschung eröffnet, darunter ams-OSRAM, TDK Electronics, LAM Research, Intel, Infineon oder NXP.

Mit den Silicon Austria Labs verfügt die Region in Kooperation mit Oberösterreich seit einigen Jahren auch über ein eigenes Mikroelektronik-Forschungszentrum der Spitzenklasse mit Standorten in Graz, Linz und Villach.

„Im Süden Österreichs ist in den vergangenen Jahren ein Innovationszentrum für Mikroelektronik entstanden, das europaweit einzigartig und weltweit konkurrenzfähig ist, das Ökosystem ist aus diesem Grund auch als positiv zu bewerten“, berichtet Gerald Reischl, Unternehmenssprecher bei AT&S

Sein Unternehmen sei seit Jahren auf Expansionskurs und hat Produktionskapazitäten in Chongqing in China deutlich erweitert sowie in Kulim in Malaysia ein Werk für IC-Substrat-Spitzentechnologien errichtet.

In Österreich errichtet man ein R&D-Center für IC-Substrat- und Packaging-Technologien am Standort in Leoben – ein für Europa einzigartiges Projekt, wie es vonseiten des Unternehmens heißt. Für heimische Unternehmen werde es aber zunehmend schwerer in Österreich bzw. in Europa generell zu investieren. AT&S habe hinsichtlich Personalkosten, Energiepreise und Inflation einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Standorten in Asien.

„In den letzten vier Jahren hatten wir seit 2021 über 32 Prozent Kostensteigerungen bei Gehältern und Löhnen“, berichtet Reischl.

Wichtige Standortkriterien wie Forschungsumfeld, Fachkräfte und Infrastruktur seien in der Steiermark gegeben.

„Die Welt hat sich im Vergleich zu vor drei Jahren, als wir uns entschlossen haben in Leoben Hinterberg zu investieren, stark verändert“, gibt der AT&S Sprecher zu bedenken. Nicht nur Lohn- und Energiekosten würden in Österreich stark steigen, sondern auch die Compliance-Kosten aufgrund komplexer EU-Regularien.

  • Christian Ettl, Siemens Werksleiter am Standort Weiz: „Ein entscheidender Erfolgsfaktor des Standorts ist seine starke Ausrichtung auf Nachhaltigkeit“
    „Ein entscheidender Erfolgsfaktor des Standorts ist seine starke Ausrichtung auf Nachhaltigkeit“

    Christian Ettl, Siemens Werksleiter am Standort Weiz

Baubranche mit Vollbremsung

Während in anderen Branchen bei Investitionen Licht und Schatten herrscht, ist es in der Baubranche in der Steiermark aktuell ziemlich düster. Neubauprojekte sind um bis zu 80 Prozent eingebrochen. Lange Behördenverfahren (siehe Stadt Graz) lähmen die Branche zusätzlich.

Dabei wäre immenser Investitionswille vonseiten der Immobilienentwickler und der Bauträger gegeben. Die Nachfrage nach Wohnraum und auch nach Gewerbe- und Büroimmobilien (vor allem im Großraum Graz) ist stark gegeben. Aber Finanzierung, Behördenauflagen und eine „feindliche“ Grundstimmung gegen das Bauen in der Bevölkerung schnüren den Flaschenhals aktuell sehr eng.

An der Baubranche hängen indirekt auch die Industrie und die öffentliche Infrastruktur. Der Tiefbausektor meldet generell weniger Probleme als der Hochbau. Obwohl der Immobilienmarkt laut Expertenaussagen in letzter Zeit wieder in Bewegung geraten ist, sind die Schleusen noch nicht aufgegangen.

Auch im Bausektor schlummert ein Investitionspotenzial von mehreren hundert Millionen Euro in der Steiermark; doch aktuell fehlen die Rahmenbedingungen, um dieses zu realisieren, heißt es von Branchenvertretern.