Flächenwidmung Österreich : Effektives Bauverbot durch nicht eingehaltene Frist?

rohr, neubaugebiet, gelände, erschliessen, erschliessung, tonrohr, erdarbeiten, feld, acker, bauland, baumaschine, bagger, lkw, haus, sand, himmel, blau

Bebauungspläne wiederum dienen dem Zweck, eine geordnete Bebauung sicherzustellen, indem sie im Wesentlichen den Flächenwidmungsplan weiter konkretisieren.

- © fefufoto - stock.adobe.com

In der örtlichen Raumplanung ist der Flächenwidmungsplan das zentrale Element. Denn durch ihn werden im Gebiet einer Gemeinde die Grundstücke in Nutzungsarten gegliedert.

Das Steiermärkische Raumordnungsgesetz ermöglicht dabei drei Nutzungsarten: Bauland, Verkehrsflächen und Freiland. Der Flächenwidmungsplan ist außerdem die Grundlage für den hierarchisch nachfolgenden Bebauungsplan wie auch für die Bebauungsplanzonierung. Diese legt fest, für welche Bauland-Grundstücke Bebauungspläne zu erlassen sind.

Bebauungspläne wiederum dienen dem Zweck, eine geordnete Bebauung sicherzustellen, indem sie im Wesentlichen den Flächenwidmungsplan weiter konkretisieren und die räumliche Gestaltung näher ausführen, indem zum Beispiel die Höhe oder die Bauweise von Gebäuden festgelegt wird, sowie sie auch Vorgaben zur Erschließung des Grundstücks enthalten.

Nie mehr die wichtigsten lokalen Nachrichten aus dem Süden Österreichs aus Wirtschaft und Politik verpassen. Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter: Hier geht’s zur Anmeldung!

Für die Erlassung jener Bebauungspläne ist in der Steiermark nach der Gemeindeordnung der Gemeinderat zuständig. Wenn eine Bebauungsplanzonierung vorliegt, ist die Gemeinde nach dem in der Steiermark gültigen Raumordnungsgesetz spätestens im Anlassfall verpflichtet, einen Bebauungsplan zu erstellen.

Dieser Anlassfall liegt laut Gesetz vor, wenn um die Erstellung eines Bebauungsplans angesucht wird. Zudem legt das Gesetz fest, dass das Verfahren zur Erstellung eines Bebauungsplans innerhalb von 18 Monaten abgeschlossen sein muss.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung herausgearbeitet, „dass ein solches Verfahren mit der Kundmachung eines Bebauungsplans zu enden hat.“

Die Raumordnung der Steiermark ermöglicht drei Nutzungsarten: Bauland, Verkehrsflächen und Freiland.

Sieben Jahre warten auf Bebauungsplan

Diese komplexen Regelungen waren unter anderem für ein Bauprojekt im Grazer Bezirk Lend maßgeblich. Denn das Grundstück, auf dem gebaut werden soll, liegt in einem Gebiet, indem die Stadt Graz eine Bebauungsplanpflicht festgelegt hat.

Demzufolge war die Stadt auch verpflichtet, binnen 18 Monaten einen Bebauungsplan zu erstellen. Der Antrag auf Erstellung des Bebauungsplans wurde vom Bauwerber, der Büroflächen errichten will, Mitte des Jahres 2017 gestellt.

Darauf folgten mehrere Gespräche des Bauwerbers mit Vertretern der Stadt, jedoch ohne Ergebnis. Zwei weitere Anträge des Bauwerbers aus dem Jänner 2024 wurden mit Bescheid zurück- bzw abgewiesen.

Der abgewiesene Antrag war ein Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung, der von der Stadt mit der Begründung abgewiesen wurde, dass sich der Bauplatz in einem bebauungsplanpflichtigen Gebiet befinde, ein Bebauungsplan jedoch noch nicht erlassen wurde, weswegen keine Baubewilligung erteilt werden dürfe.

Gegen diese Bescheide erhob der Bauwerber Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht, dass seinerseits wiederum den Verfassungsgerichtshof mit der Prüfung der zugrundeliegenden Verordnungen befasste.

Es ergibt sich die Frage, wieso eine 18-monatige Frist, welche anscheinend zu kurz bemessen ist, nicht den Gegebenheiten angepasst wird.
Auch in Zukunft wird in Graz auf Bebauungspläne gesetzt.

Eigentumsbeschränkung durch Bebauungsplanpflicht

Dieser entschied im Juni dieses Jahres mit dem Erkenntnis V 26/2024, dass der Bebauungsplanzonierungsplan, mit dem „die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufgehoben“ wird.

Das Höchstgericht führt in der Begründung des Erkenntnisses aus, dass sowohl das Steiermärkische Raumordnungsgesetz als auch der Flächenwidmungsplan der Stadt Graz festlegen, dass „Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplans erteilt werden dürfen“.

Zudem führt das Erkenntnis aus, dass das Gesetz bei Vorliegen eines „Anlassfalls“ ein „solches Verfahren mit der Erlassung eines Bebauungsplans – nicht mit deren Verweigerung – zu enden hat“.

Das Verfahren zur Bebauungsplanerstellung endet somit laut Höchstgericht mit der Kundmachung des Bebauungsplanes. Weiters legen die Verfassungsrichter dar, dass „die Erstellung eines Bebauungsplans nicht im Ermessen der […] Behörde liegt“.

Daraus folgt, dass die Behörde, in diesem Fall die Stadt Graz, nicht darüber zu entscheiden hat, ob sie einen Bebauungsplan erlässt, sondern gesetzlich dazu verpflichtet ist, einen Bebauungsplan innerhalb der ebenfalls gesetzlich festgelegten Frist von 18 Monaten zu erstellen.

Die Verfassungsrichter schlussfolgern, dass für den Bauwerber somit „seit mehr als sechs Jahren ein effektives Bauverbot“ besteht, welches die „Behörde durch Erlassung eines Bebauungsplans hätte beseitigen müssen“.

Das führt dazu, dass die Bebauungsplanpflicht für das Grundstück des Bauwerbers eine Eigentumsbeschränkung darstellt. Eine solche ist nur in engen Grenzen zulässig und muss einer Interessensabwägung standhalten, in der die öffentlichen Interessen der Allgemeinheit mit den privaten Interessen des Bauwerbers verglichen werden.

Im konkreten Fall kam das Höchstgericht zum Schluss, dass die Eigentumsbeschränkung in jenem Fall „nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht […] getragen ist“. Daraus folgt für das Gericht die Gesetzwidrigkeit und daraus die Aufhebung.

Laut VfGH bestand für den Bauwerber „seit mehr als sechs Jahren ein effektives Bauverbot“.

Frist zu kurz

Vertreter der Stadt gaben gegenüber der Kleinen Zeitung bekannt, „dem Spruch des Höchstgerichts natürlich nach[zu]kommen“. Demzufolge wird die Bebauungsplanpflicht für das Grundstück aufgehoben.

Zudem wurde dargelegt, auch in Zukunft auf Bebauungspläne setzen zu wollen. Gleichzeitig wurde betont, die gesetzliche Frist sei nicht ausreichend lang bemessen und damit praxisfern. Der Umstand, dass bereits zum zweiten Mal nach 2021 eine Bebauungsplanpflicht der Stadt Graz vom Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig aufgehoben wurde und diese besagte Frist von 18 Monaten in Graz Gegenstand von zumindest zwei weiteren Verfahren vor dem Verfassungsgericht war, wirft Fragen auf.

Weshalb belegt die Stadt Gebiete mit einer Bebauungsplanpflicht, wenn sie eben diesen in der Folge nicht in der gesetzlichen Frist zur Verfügung stellen kann? Gewiss hat der Bebauungsplan Vorteile für die Gemeinde wie auch für den Bauwerber, da ein detaillierter Rahmen maßgeschneidert auf den Einzelfall festgelegt werden kann. Dann sollte die fristgerechte Erstellung aber auch der Regelfall sein und nicht die Ausnahme.

Daraus ergibt sich die Frage, wieso eine 18-monatige Frist, welche anscheinend zu kurz bemessen ist, nicht den Gegebenheiten angepasst wird.

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof war noch nicht das Ende dieses Rechtsstreits. Eine Klage auf Schadenersatz steht im Raum.