Koralmbahn als Motor für Südösterreichs Wirtschaft : AREA SÜD: Auf dem Weg zur Wirtschafts- und Green-Tech-Hochburg
Die Fertigstellung der langersehnten Koralmbahn schreitet voran und die Aufbruchsstimmung in Kärnten und der Steiermark ist spürbar. Immerhin entstehen durch dieses einmalige Jahrhundertprojekt wichtige wirtschaftliche Synergien für beide Bundesländer. Der Regionszusammenschluss hat längst auch übernationale Strahlkraft. Von Italien bis Slowenien und Kroatien blickt man auf die AREA SÜD und die Vision eines Alpen-Adria-Wirtschaftsraumes, der von Oberitalien über Kärnten und die Steiermark bis nach Kroatien reicht, ist in greifbarer Nähe.
Viel wichtiger: Dank der EU ist dieser Wirtschaftsraum nicht länger an der Peripherie Europas, sondern im Zentrum und stellt eine zentrale Achse im Waren- und Güterverkehr nach Ost-, West- und Nordeuropa dar. Mittel- und langfristig könnte sich somit im Süden Europas ein zweiter zentraler Wirtschaftsraum, ähnlich der Achse Benelux und Rhein-Ruhrgebiet in Nordeuropa, entwickeln. Die Steiermark und Kärnten stehen jedenfalls im Zentrum dieser wirtschaftlichen Entwicklung. Die Dynamik droht aber durch die multiplen Krisen der letzten Jahre abzuflachen.
Wertschöpfungsmotor Industrie stottert
Vor allem die Industrie gehört in Südösterreich zu den wichtigsten Branchen. In der Steiermark macht sie 35 Prozent der Gesamtwertschöpfung des Bundeslandes aus. Der jährliche Produktionswert ist mit über 15 Milliarden Euro eigentlich das wirtschaftliche Herz dieses Bundeslandes. Doch dieses Herz schlägt zunehmend unregelmäßiger. Wie das Wirtschaftsbarometer der WKO Steiermark Ende 2023 aufzeigte, sind die Betriebe unter einem starken Kostendruck. Vor allem die mit den letzten KV-Abschlüssen stark angestiegenen Arbeitskosten sowie die anhaltend hohen Energiepreise sind die Hauptbelastungsfaktoren und wirken sich inflationstreibend aus.
Zudem ist die Steiermark ein Land, das überdurchschnittlich von energieintensiven Industriezweigen geprägt ist. Insgesamt sind knapp 32.000 Arbeitnehmer in der energieintensiven Industrie tätig, das sind 29,6 Prozent der Industriebeschäftigten bzw. um 40 Prozent mehr als im Schnitt der Bundesländer, wie eine Studie von Joanneum Research ermittelt hat. WKK-Präsident Jürgen Mandl und Industrie-Spartenobman Michael Velmeden warnten bereits im Sommer letzten Jahres vor zu hohen Energiekosten in Südösterreich.
Auch Timo Springer, IV-Präsident von Kärnten, findet deutliche Worte: „Die hohen Lohnstückkosten bleiben auch in diesem Jahr die größte Herausforderung für die Industrie. Und die jüngsten KV-Abschlüsse haben sie noch weiter verteuert. Das wirkt sich wachstumshemmend aus. Es braucht rasch weitere Lohnnebenkostensenkungen. Hier ist die Politik gefordert zu handeln. Und sie hat auch dafür zu sorgen, dass nachhaltig günstige Energie in planbarem Ausmaß zur Verfügung steht“, so Springer. Handlungsbedarf sieht er aber auch beim Bürokratieabbau. „Es ist im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit dringend notwendig, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.“
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Man merkt, dass die Liquidität bei vielen Unternehmen sensibler wird und das Liquiditätsmanagement größere Bedeutung erhält. Dass man sich kurzfristig bei einer Bank, wenn auch nur für wenige Tage, eine Finanzierung einholt, um etwa Gehälter zu zahlen, ist aufgrund der höheren Zinsen ein Schritt, den viele eher zu vermeiden versuchen. Problem ist aber auch, dass sich Zahlungsziele der Kunden teilweise verlängert haben. Liquidität gewinnt als Resilienzfaktor momentan an Bedeutung.Dr. Oliver Kröpfl, Vorstandsmitglied der Steiermärkischen Sparkasse über die Krisenresilienz der Unternehmen
Energiepreise zu hoch!
Für energieintensive Industriezweige wird es eng auf den Weltmärkten, denn in Kombination mit den hohen Energiepreisen und den steigenden Arbeitskosten entsteht eine toxische Mischung, die die Wettbewerbsfähigkeit nach unten drückt. Und das wäre nicht nur für die Wertschöpfung fatal, sondern auch für den Klimaschutz. Südösterreich hat sich inzwischen zu einem der klimafreundlichsten Industriestandorte der Welt entwickelt. Bis zu drei- bis fünfmal weniger Emissionen erzeugt die heimische Industrie im Durchschnitt - verglichen mit Produktionsstandorten etwa in Asien oder Nordamerika.
Inzwischen mehren sich die Stimmen in der Wirtschaft, dass die Politik ihrer volkswirtschaftlichen Verantwortung zu wenig nachkommt und es verabsäumt, preisregulierend auf die Landesenergieversorger einzuwirken.
Transformationsprozesse werden unterschätzt
Grundsätzlich ist die Wirtschaft im Raum Südösterreich dabei, sich in Richtung Dekarbonisierung zu transformieren. Der Green-Tech-Bereich wächst zweistellig. Dennoch wird dieser Transformationsprozess in seiner volkswirtschaftlichen Auswirkung bislang von der Politik völlig unterschätzt. Hinzu kommt, dass wir auch vor einer digitalen und geopolitischen Transformation stehen, die die Handlungsoptionen der Unternehmen stark verändern. Der steirische IV-Präsident Stefan Stolitzka fand in seiner Neujahrsansprache deutliche Worte: „Jede dieser Transformationen für sich wäre eine epochale Herausforderung. Wir haben alle drei vor uns bzw. befinden uns schon mitten in ihnen. So, wie wir die grüne Transformation gerade umsetzen, bezweifle ich, ob wir sie erstens erfolgreich gestalten und ob wir so, zweitens, unseren Wohlstand nicht massiv gefährden.“ Das, was in der aktuellen bundespolitischen Diskussion geboten wird, lasse laut Stolitzka aktuell nichts von dem erkennen, was für eine erfolgreiche Gestaltung der Transformationen nötig wäre.
Tatsache ist, dass – vor allem auch durch EU-Vorgaben – heimischen Industriebetrieben durch die Verteuerung von CO2-Zertifikaten, strengen Lieferkettengesetzen sowie nationalem Bürokratismus und mangelnder Attraktivität für Spitzen-Fachkräfte aus dem Ausland, die Wettbewerbsfähigkeit abhandenkommt. Freilich ist hier auch die Wirtschaft gefordert, ihre Hausaufgaben zu machen. Doch infrastrukturelle und steuerliche Rahmenbedingungen gestaltet immer noch die Politik
Die hohen Energiepreise sind speziell in Österreich nach wie vor Inflationstreiber. In der Steiermark kommt der Sonderfall der, wenn auch historisch bedingten, im Vergleich zu anderen Industriebundesländern höheren Netztarife als nicht zu vernachlässigender Kostenfaktor hinzu. Hinzu kommt eine im EU-Vergleich überdurchschnittliche Lohnkostenentwicklung im Jahr 2023. Zur Überbrückung der aktuellen Situation müssen bereits gewährte Entlastungshilfen verlängert werden.Josef Herk, Präsident der WK Steiermark zu Energie- und Lohnkosten
Investitionen vorantreiben!
Für Kärnten und die Steiermark ist jedenfalls das Vorantreiben wichtiger infrastruktureller Investitionen für die weitere Entwicklung essenziell, um dem Gespenst der De-Industrialisierung entgegenzuwirken. Vor allem Verkehrs- und Energieinfrastruktur stehen im Vordergrund. Vom steirischen WK-Präsidenten Josef Herk kommt etwa die Forderung, endlich auch die Pyhrn-Schober-Achse anzugehen und einen zeitgemäßen Schienen-Verkehrskorridor ins benachbarte Oberösterreich zu schaffen, der die beiden stärksten Industrieregionen Österreichs verbinden soll. Zudem brauche es endlich den Ökospeicher Koralmbahn und weitere zentrale Energieprojekte, um die Produktion von günstigem, grünem Strom zu sichern.
Timo Springer, von der IV-Kärnten, fasst auch für sein Bundesland die wichtigsten Investitionen zusammen: „Ein wesentlicher Punkt wird der Ausbau der Energieinfrastruktur sein. Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass wir alle Möglichkeiten in Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energie nutzen können. Weiters alle Investitionen, die rund um die Koralmbahn erforderlich sind. Und natürlich auch der Ausbau bestimmter Straßen, insbesondere der schon lange geforderte Ausbau der B 100“, so Springer.
Autobranche in Schieflage
Zuletzt gerieten wichtige Wirtschaftszweige, allen voran die Automobilbranche, in Schieflage. Bei MAGNA in Graz brechen aktuell die Aufträge weg. Der Elektro-Hoffnungsträger Fisker, hat seine geplanten Stückzahlen drastisch zurückgefahren. Von 40.000 geplanten Autos wollte der US-Autokonzern zuletzt nur mehr 10.000 Stück.
Jaguar baut auch keine hohen Stückzahlen mehr und zieht die Produktion bald ab. Auch BMW/Toyota produziert nur noch knapp ein Jahr in Graz. Lediglich die Mercedes-G-Produktion ist ein Dauerbrenner.
Die Frage ist, ob die Wertschöpfungsrückgänge durch andere Branchen ersetzt werden können. Beim ACStyria, dem Mobilitätscluster in der Steiermark, sieht man die Automobilbranche aber grundsätzlich gut gerüstet. „Unsere Partnerbetriebe, die einen Forschungs- und Entwicklungsanteil von 12 Prozent haben, sind hervorragend positioniert, um diese Transformationen aktiv mitzugestalten“, heißt es vonseiten ACStyria.
Wettbewerbsfähigkeit durch Technologieoffenheit
Die Steiermark zeichne sich schon lange durch einen technologieoffenen Zugang zu Antriebs- und Fahrzeugkonzepten aus. Dies ermögliche es den steirischen Unternehmen und Institutionen, sich schnell auf neue Entwicklungen und Märkte einzustellen, bekräftigt man beim ACStyria. Dass es für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche Netzwerke und Kooperationen braucht, hat man in der Grünen Mark früh erkannt. Als sich der Automobilcluster 1995 gründete, war er der erste seiner Art in Europa. Decarbonized Value Chain, alternative Antriebssysteme, autonome Systeme und neue Mobilitätsserviceleistungen ,sind u.a. aktuelle Kernthemen der Branche. Dabei gilt es, mehrere Kernthemen zu bewältigen. Dazu gehören u. a. die Förderung von nachhaltigen Mobilitätslösungen, die intelligente Vernetzung von Wertschöpfungsketten und die voranschreitende Digitalisierung von Verkehrsmitteln – auf der Straße, auf der Schiene und in der Luft.
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Die Wettbewerbsfähigkeit des steirischen Automotive-Bereichs wird aber stark von Rahmenbedingungen abhängen, wie einem funktionierenden Ökosystem von Forschungseinrichtungen und Universitäten sowie dem Potenzial verfügbarer Fachkräfte. Letzteres wird in den nächsten Jahren ein wesentlicher Faktor werden.
Die Koralmbahn und die damit entstehende AREA Süd als zweitgrößter Wirtschaftsraum Österreichs mit 70 Mrd. Euro Wertschöpfung können der Gamechanger für den Süden sein – wenn wir uns infrastrukturell mit der Anbindung aller Regionen mit abgestimmter Wirtschafts-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik gut darauf vorbereiten.Jürgen Mandl, Präsident der WK Kärnten zu den Potenzialen der AREA Süd
Aufwind für Green-Tech-Betriebe
Deutlich gestärkt gehen hingegen Unternehmen ins Jahr 2024, die im Bereich Energie- und Wärmeversorgung tätig sind. Investitionen in die grüne Transformation bilden aktuell eine starke Konjunkturstütze, sind allerdings auch im zweiten Halbjahr 2023 abgeflacht. Die Steiermark und Kärnten erleben aktuell einen Boom beim Photovoltaik-Ausbau, der aber an seine Grenzen stößt. Die Nachrüstung der Stromnetze kommt mit der Installationsgeschwindigkeit der Anlagen nicht mit. Rückenwind bekommt die Branche von der Gesetzeslage. Erneuerbaren-Ausbaugesetz (EAG) und Erneuerbaren-Wärmegesetz (EWG) haben, trotzt bürokratischer und organisatorischer Mängel, einen positiven Effekt auf die Wirtschaft, wie man auch beim steirischen Heizungsbauer KWB aus St. Margarethen an der Raab bestätigen kann.
„Innerhalb Österreichs spüren wir durch die neuen Förderbedingungen eine deutliche Belebung. Auch am internationalen Markt sind positive Vorzeichen erkennbar. Wichtig ist, dass die Politik langfristig verlässliche Rahmenbedingungen schafft, um Investitionssicherheit zu gewährleisten.
Investoren und Unternehmen benötigen Klarheit und Stabilität, um verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen“, berichtet Helmut Matschnig, Geschäftsführer bei KWB. Das Unternehmen zeigt zeitgleich, wie man wettbewerbsfähig bleiben kann. Da man die hohen KV-Abschlüsse preislich nicht an die Kunden weitergeben könne, steigere man die Effizienz nach innen, so Matschnig. Zudem versorge sich der Betrieb mit erneuerbaren Energien weitgehend selbst und bleibe so wirtschaftlich wettbewerbsfähig.
Ein Problem sei im Heizungsgeschäft nur der Mangel an Installateuren, sodass nicht so viele Heizungen getauscht werden können, wie Nachfrage besteht. „Zurzeit verbringen heimische Handwerksbetriebe noch viel zu viel Zeit mit dem Einbau von fossilen Energiesystemen. Wenn wir es schaffen, diese Ressourcen auf erneuerbare Energien umzulegen, ist uns schon viel gelungen. Wir sind als Industrie gefordert, unsere Produkte und Dienstleistungen auf diesen bestehenden Engpass - der sich nicht mehr auflösen wird - anzupassen“, berichtet der KWB-Geschäftsführer.