Berichtspflicht : Zu viel Bürokratie in Österreichs Industrie?

Mitarbeiter im Kapfenberg Edelstahlwerk

Im Kapfenberg Edelstahlwerk. Die heimische Industrie muss wohl noch etwas länger auf eine Erholung der Konjunktur warten.

- © Katrin Kirchmayr

Die Liste der Berichtspflichten für die europäische Industrie wird immer länger, weshalb die Branche dadurch im Vergleich zu anderen großen Wirtschaftsräumen auch an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt. So formiert sich langsam stärkerer Widerstand gegen Brüssel.

Diesmal geht es nicht um populistische Meinungsmache – so wie etwa bei der Verordnung zur Gurkenkrümmung, die beharrlich ins Spiel gebracht wird, um den Regulierungswahn der Brüsseler Beamten plakativ anzuprangern. Nein, in diesem Fall geht es tatsächlich darum, dass die europäische Industrie ganz klar an Wachstum und Dynamik verliert und dadurch auch der Wohlstand in den Industriestaaten aufs Spiel gesetzt wird.

„Die Eurozone schrammte in den letzten beiden Quartalen an der Grenze der Rezession und auch für das letzte Quartal des aktuellen Geschäftsjahres sind keine positiven Impulse erwartbar", so Herbert Eibensteiner, für den die ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2023/24 eine Herausforderung darstellten. Die schwache wirtschaftliche Entwicklung, besonders in Europa, drückte auf das Ergebnis der voestalpine. Beim Gewinn nach Steuern musste gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022 eine Halbierung von 864 Mio. Euro auf 431 Mio. Euro hingenommen werden.

Damit ist die voestalpine in Österreich trotz einiger Lichtblicke am Horizont allerdings kein Einzelfall: „In einzelnen Branchen wie der Papier- und Pappeindustrie ist eine Bodenbildung beim aktuellen Geschäftsgang zu verzeichnen, da der zyklische Lagerabbau abgeschlossen ist. In der Breite der österreichischen Industrie setzt sich die rezessive Entwicklung jedoch in abgeschwächter Form fort. Bei einzelnen Unternehmen der energieintensiven Industrie sowie im Hochbau verschärft sie sich sogar noch“, bringt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer die jüngsten Entwicklungen in der Industrie auf den Punkt.

Zu viel Regulierungswut tut niemandem gut

Konjunkturell ist also noch keine Wende in Sicht. Es bedarf entweder eines kräftigen außenwirtschaftlichen Expansionsimpulses oder einer sich selbst tragenden Investitionskonjunktur im Inland. „Für ersteren kämen aufgrund ihrer beträchtlichen Anteile an der globalen Wirtschaftsleistung am ehesten die USA oder China in Betracht, doch zeichnet sich ein solcher derzeit nicht ab.

Für letzteren fehlt es derzeit an sämtlichen Voraussetzungen, vielmehr weist die gesamte Palette der relevanten Vorlaufindikatoren in die gegenteilige Richtung, nämlich einer geringeren Kapazitätsauslastung, abnehmenden Auftragsbeständen und einer wenig favorablen Ertragsperspektive, sodass die Konjunkturentwicklung zumindest bis in den Sommer hinein apathische Züge tragen wird“, erläutert IV-Chefökonom Christian Helmenstein die aktuelle Situation.


All diese Entwicklungen sollten eigentlich darauf hoffen lassen, dass die Industriebetriebe entlastet werden, um sich auf ihr operatives Geschäft konzentrieren zu können und keine weiteren Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen zu müssen. Das Gegenteil ist derzeit der Fall, wobei die Industrie nicht unbedingt ein Problem mit Transparenz hätte und es auch klar ist, dass eine Wirtschaftssparte durchaus an ihren Anforderungen wachsen und dadurch auch wettbewerbsfähiger werden kann.

Dafür, dass Regulierungsdruck und Einschränkungen auch etwas Positives an sich haben und Kreativität entfachen können, gibt es in der Geschichte auch zahlreiche Beispiele. Allerdings waren die Unternehmen nicht mit einer regelrechten Regulierungswut konfrontiert und hatten dabei auch genügend Zeit, um die Umstellungen vorzunehmen und sich durch innovative Lösungen nicht nur an neue Gegebenheiten anzupassen, sondern sogar einen Wettbewerbsvorteil herauszuholen. Ein Beispiel aus der Stahlbranche wäre etwa das Linz-Donawitz-Verfahren, das aus der Not eine Tugend machte und die Knappheit an Ressourcen mit damals leicht verfügbarem Schrott kompensierte, zu nennen. Die daraus entwickelte Technologie wurde weltweit rasch zu einem bahnbrechenden Verfahren.

In vielen Industriebranchen sind durch die steigenden Anforderungen mittlerweile aber auch die innovativen Potenziale stark ausgereizt. Je mehr die Anforderungen an Effizienz, Nachhaltigkeit etc. steigen, desto schwieriger wird es, noch einmal das Letzte aus einem Produkt oder Verfahren herauszuholen und dabei gleichzeitig Lösungen zu finden, die noch einigermaßen wirtschaftlich sind – vor allem angesichts laufend steigender Kosten für Energie, Löhne, Logistik etc. Gleichzeitig gibt es hier aber den Rebound-Effekt bzw. die Tatsache, dass eine Effizienzsteigerung oft nur dazu führt, dass letztlich auch die Nutzung seitens der Endverbraucher intensiver wird, wodurch beispielsweise Nachhaltigkeitseffekte ohnehin gleich wieder verpuffen.

  • Herbert Eibensteiner, Vorstandsvorsitzender der voestalpine, spricht sich für eine Pause bei den Regulierungen aus.
    Herbert Eibensteiner

    Herbert Eibensteiner, Vorstandsvorsitzender der voestalpine, spricht sich für eine Pause bei den Regulierungen aus.

    In vielen Industriebranchen sind durch die steigenden Anforderungen mittlerweile auch die innovativen Potenziale stark ausgereizt.

De-Regulierung gegen die De-Industrialisierung

Der wachsende Regulierungsdruck trägt in dieser Form also nicht wirklich dazu bei, dass Betriebe dadurch innovativer und resilienter gegenüber neuen Herausforderungen werden und nun gesellschaftspolitisch paradiesische Zustände eintreten. Er schwächt sie und trägt so zu einer unübersehbaren Erosion der Wettbewerbsfähigkeit bei, die in Europa in einem weiteren Schub der De-Industrialisierung münden wird – und dies auch mit dramatischen Folgen für die österreichische Wirtschaft und aktuell beginnend auch für den heimischen Arbeitsmarkt.


Zu einem solchen Schluss kam jüngst auch das Hayek Institut, das mit großer Sorge die Ambitionen der Europäischen Union zur Kenntnis nimmt, die darauf abzielen, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren.

Die geplanten Maßnahmen würden das Risiko bergen, die Produktivität europäischer Unternehmen zu verringern und könnten insbesondere die Industrie dazu veranlassen, Europa endgültig den Rücken zu kehren: „Diese Politik wird Europa als Wirtschaftsstandort unattraktiv machen. Die Kosten für die Umsetzung sind prohibitiv und werden Unternehmen dazu zwingen, in Regionen mit weniger restriktiven Regulierungen abzuwandern", fasst Martin Gundinger, Senior Research Fellow am Institut, das zu erwartende Szenario zusammen.