Klimapolitik in Österreich : Klimaschutz: Wir müssen mehr tun! Aber was?
Die Sachstandsberichte des Weltklimarates (IPCC) sind umständlich zu lesen. Da das IPCC keine eigene Forschung durchführt, sondern nur weltweite Forschungsarbeiten analysiert und zu einer Aussage bündelt, sind die Ergebnisse dieser Berichte keine absolute Wissenschaft, sondern Wahrscheinlichkeitswerte. So werden Forschungsergebnisse, etwa mit „hohem Vertrauen“ gekennzeichnet, wenn in der Welt der Wissenschaft über diese weitgehend Konsens herrscht. Mit „mittleres Vertrauen“ werden etwa Ergebnisse versehen, die weniger gesichert scheinen. Nicht immer wird in der medialen Berichterstattung auch die Reliabilität der Forschungsergebnisse richtig gewichtet. Besonders warnende Botschaften schaffen es auf die Headlines, obwohl diese oft nicht mit dem höchsten Vertrauen versehen wurden. So viel dazu, dass man die sehr umfangreichen Sachstandsberichte des IPCC sehr differenziert lesen muss.
Positive Entwicklung mit hohem Vertrauen
Wer abseits der Hiobsbotschaften nach gehaltvollen Handlungsperspektiven sucht, wird natürlich ebenso fündig. Beispielsweise führt das IPCC in seiner Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger aus, dass etwa die globale Energieintensität (Gesamtprimärenergie pro BIP-Einheit) zwischen 2010 und 2019 um zwei Prozent pro Jahr abgenommen hat. Vor allem aufgrund des Umstiegs von Kohle auf Gas sank die Kohlenstoffintensität. Ebenso kehrte der Ausbau der Erneuerbaren Energien weltweit den Trend um. In Szenarien, die keine oder nur eine begrenzte Überschreitung des 1,5-Grad-Ziels vorsehen, wird die Kohlenstoffintensität der weltweiten Primärenergie zwischen 2020 und 2050 um etwa 7,7 Prozent pro Jahr sinken.
Das ist eine Aussage mit „hohem Vertrauen“. Das heißt, dass wir bezüglich der Umstellung im Energiesektor – trotz regional großer Unterschiede – durchaus gut unterwegs sind. Und das ohne Wohlstandsverlust, denn wenn sich die Energieintensität pro BIP-Einheit verringert, bedeutet das eine Effizienzsteigerung.
18 Länder auf Zielpfad
Auch im IPCC-Bericht enthalten ist die Aussage, dass mindestens 18 Länder ihre produktions- und verbrauchsbasierten CO2-Emissionen über mehr als zehn Jahre anhaltet gesenkt haben. Diese Reduktion ist laut IPCC maßgeblich auf die Dekarbonisierung der Energieversorgung, die Steigerung der Energieeffizienz sowie auf eine Senkung der Energienachfrage zurückzuführen. Manche Länder haben die produktionsbedingten Treibhausgasemissionen seit deren Höchststand (Anm. In den 1990er Jahren) um ein Drittel oder mehr gesenkt.
Reduktionsraten von vier Prozent pro Jahr wurden dadurch erreicht (Aussage mit hohem Vertrauen). Währen diese Klima-Musterländer die einzigen auf der Welt, so hätten wir bereits erfolgreich den Temperaturanstieg bekämpft. Leider wurde die Reduktion durch den insgesamt globalen Emissionsanstieg teilweise wieder ausgeglichen.
Innovation führt zur Emissionssenkung
Weil hierzulande oft eine Debatte darüber herrscht, ob wir den Klimawandel erfolgreich mit Technologie und Innovation begegnen können, sollte man erwähnen, dass der IPCC deutlich hervorhebt, dass Innovationen die Möglichkeiten zur Emissionssenkung und zur Verringerung des Emissionsanstiegs ermöglicht sowie soziale und ökologische positive Nebeneffekte geschaffen hat. (hohes Vertrauen). Mit anderen Worten: Technologieoffenheit und Innovation ist ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel. Natürlich braucht es auch andere Maßnahmen.
Aber in Österreich und Deutschland überwiegt oft der Ansatz der Verhaltensänderung. Diese braucht es zwar auch, doch sie schafft soziale Problemfelder. Maßnahmen, wie etwa CO2-Bepreisung, die auf ein verändertes Nutzungsverhalten abzielen, brauchen aufwändige soziale Ausgleichsmaßnahmen, die nicht immer treffsicher von der Politik gestaltet werden. Der IPCC erkennt aber die Wichtigkeit von Innovation und Technologie definitiv an und bemängelt sogar, dass die Einführung emissionsarmer Technologien in den meisten Entwicklungsländern hinterherhinkt. Technologieentwicklung und Technologietransfer muss also verstärkt werden.
Finanzströme verlangsamt
Ein wichtiges Element in der Klimapolitik ist die Lenkung von internationalen Finanzströmen in nachhaltige Investitionen und in Maßnahmen zur Klimawandelanpassung. Seit 2018 hat sich der jährliche Finanzstrom zur Minderung des Klimawandels verlangsamt, schlussfolgert das IPCC. Vor allem die Geldflüsse aus Industrieländern in Entwicklungsländern fließen immer noch mehrheitlich in fossile Technologien. Ein Grund ist, dass der Aufbau von grünen Geschäftsmodellen und Marktzugängen hinterherhinkt. Das hat indirekt mit politischen Entscheidungen in westlichen Ländern zu tun, wie Expertinnen und Experten schlussfolgern. Beispielsweise bräuchte es in westlichen Ländern Märkte für synthetische Treibstoffe und Wasserstoff, damit Investments in Erneuerbare Energien in Entwicklungsländern gefördert würden.
Fortschritte in allen Sektoren
In Summe kommt das IPCC zum Schluss, dass in allen Sektoren und Regionen Anpassungsmaßnahmen vorangeschritten sind. Zwar mit unterschiedlichen Ergebnissen, aber immerhin. Regelwerke und Gesetze zur Minderung des Klimawandels wurden global ständig ausgeweitet. Dennoch macht der derzeitige Pfad es „wahrscheinlich“, dass die Erwärmung im Laufe des 21. Jahrhunderts das 1,5-Grad-Ziel überschreitet (hohes Vertrauen). Wir müssen also mehr tun, nur was? In erster Linie müssen wir jene Maßnahmen verstärken, die bereits jetzt Erfolge erzielen, etwa die grüne Transformation des weltweiten Primärenergiebedarfs. Wir brauchen Netto-Null-Emissionen.
Das IPCC spricht von „schnellen und tiefgreifenden“ Maßnahmen noch in diesem Jahrzehnt. Diese sind aber nur umsetzbar, wenn sie möglichst wenig Widerstand hervorrufen. Und das ist der Knackpunkt. Die Reibungsverluste bei der politischen Durchsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sind inzwischen groß. Wird der Bogen überdehnt, reißt er. Eine Klimapolitik, die zu stark auf Zwang und Verordnung setzt, könnte daher am Widerstand aus der Bevölkerung scheitern und somit das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, verfehlen.
Angst erzeugt Angst
Abseits des IPCC-Berichts gibt es ebenso nützliche Erkenntnisse. Nicht nur, dass gemessen an den historischen, kumulativen CO2-Emissionen Länder wie die USA, China, Russland und Indien wesentlich mehr noch in die Verantwortung genommen werden müssen, es braucht auch mehr Empathie und Fingerspitzengefühl in der Klimapolitik. Länder haben sehr unterschiedliche geografische und wirtschaftliche Ausgangsbedingungen sowie oft sehr abweichende politische Kulturen. Klimaschutzmaßnahmen sind nur dann erfolgreich, wenn sie vom Großteil der Bevölkerung aktiv mitgetragen werden. Das hängt jedoch sehr davon ab, wie die Einstellung der Menschen in einem Land ist und welche Notwendigkeiten und Zwänge es im alltäglichen Leben gibt. Die Umstellung auf Erneuerbare Energien ist etwa dort sehr hoch, wo die Bevölkerung durch niedrige Energiepreise stark profitiert. Ebenso lässt es sich leichter auf das Auto verzichten, wenn ein gut ausgebautes Bahnnetz bereits besteht, wie etwa in Frankreich.
Zudem ist die Wirtschaft in jedem Land unterschiedlich ausgerichtet. Ein Verbot von Verbrennungsmotoren juckt in Norwegen kaum jemanden, in Deutschland hingegen sehen tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Jobs bedroht. Die Klimapolitik und vor allem der Klimaaktivismus haben sich in den letzten Jahren sehr darauf beschränkt, Angst vor den Folgen des Klimawandels zu schüren. Wenig wurde sich jedoch mit den Ängsten jener Menschen auseinandergesetzt, die ihr Einkommen durch Transformationsprozesse bedroht sehen. Die Folgen davon waren etwa umfangreiche Bauernproteste in den Niederlanden gegen neue Umweltauflagen der Regierung, da sie ihre Existenz bedroht sahen. Die Beharrungskräfte einer Gesellschaft müssen daher mit Empathie überzeugt werden. Das Aufzeigen von Opfer und Täter ist dabei kontraproduktiv. Viel eher müsste Klimakommunikation die „Macher“ hervorheben und dadurch ein Image schaffen, das sich jeder gerne selbst aneignen will.