Nationalratswahl 2024 : Die Mitte stärken

Eine große Menge an Menschen aus der Vogelperspektive

42 Prozent der Haushalte und nur mehr rund 20 Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher in Österreich sind Nettozahler für das System. Bei einer Steuer- und Abgabenquote von 43,2 Prozent trifft es die mittleren Einkommensklassen am stärksten.

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Während manche die Ungleichverteilung von Vermögen in Österreich offenbar als größtes Problem erkannt haben, ist in Wahrheit das Erodieren der Mittelschicht die Kernursache für viele sozioökonomische Verwerfungen. Wie Mittelstandsexperte Wolfgang Lusak richtigerweise betont, ist es die Mittelschicht, die Richtung arm und reich ausläuft.

Vor genau einem Jahr (in der September-Ausgabe 2023) haben die Wirtschaftsnachrichten getitelt „Die Zukunft gehört den Fleißigen“. Seither hat sich das Meinungsspektrum im Land stark gedreht. Die Auffassung, dass Leistung wieder etwas wert sein muss, ist inzwischen wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

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Wir brauchen ein Rendezvous mit der Realität, haben Wifo und IHS noch im Juni verlautbaren lasse. Und die Realität in Österreich ist, dass die Finanzierung des Staates mit all seinen Aufgaben nicht mehr nachhaltig zu bewältigen ist, wenn nicht ein deutlicher Sinneswandel zu einer neuen Leistungsgesellschaft eintritt. Die Zeichen stehen dafür gut, denn die Notwendigkeit dafür wurde zumindest von einer Parteienmehrheit erkannt.

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„Es gibt keine Umverteilung von Reich zu Arm. Es gibt nur eine Umverteilung von der Mitte zu Reich und Arm“
Wolfgang Lusak, Lobby der Mitte

Steuersenkungen in der Mitte

42 Prozent der Haushalte und nur mehr rund 20 Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher in Österreich sind Nettozahler für das System. Bei einer Steuer- und Abgabenquote von 43,2 Prozent trifft es die mittleren Einkommensklassen am stärksten.

Denn, während die unteren Einkommensschichten einen Gutteil der Einkommensdifferenz durch die Anspruchsberechtigung diverser Sozialtransferleistungen kompensieren können, schmelzen die Sozialtransfers mit steigendem Einkommen ab. Gleichzeitig steigt aber die Steuerbelastung in Relation stärker an.

Daher ist eine neue Staffelung der Steuerstufen vor allem in den mittleren Einkommen dringend nötig. Der Wegfall der 48-Prozent-Stufe oder die Einführung einer Flat-Tax (zumindest für mittlere Einkommen), würde wichtige Anreize bringen, die dem Leistungsversprechen wieder mehr Auftrieb verleihen.

Nicht die Steuerlast muss steigen, sondern die Anzahl der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Ausgabenbremse statt Vermögenssteuer und Co.

Der Staat braucht immer mehr Geld. Doch zeigt ein internationaler Vergleich, dass eine Ausgabenbremse zu effizienteren Staatsfinanzen führen kann. Schweden oder der Schweiz ist das gelungen.

Die Forderung nach einer stärkeren Umverteilung der Steuerlast zu den „Superreichen“ geht jedoch nicht an die Ursachen heran, dass der Staat zu viel Geld ausgibt. Und es ist keineswegs so, dass Mateschitz und Co. nichts zum Steueraufkommen beitragen. Wo die Messlatte für einen gerechten Beitrag liegt, lässt sich diskutieren – freilich verkraften unsere Millionäre und Milliardäre noch ein Quäntchen mehr an Steuern. Doch das nützt den unteren Einkommensschichten wenig.

Der internationale Vergleich mit Ländern, die über Erbschafts- und Vermögenssteuern verfügen, mit jenen, die diese nicht einheben, lässt keinen Schluss zu, dass damit die Vermögensumverteilung wirklich gefördert wird. Viel eher kommt es auf die gesamte Steuersystematik an.

Vermögenssteuern und Erbschaftssteuern sind in Wahrheit ein internationales Auslaufmodell. Der Verwaltungsaufwand übersteigt oft die Erträge, die aufgrund zahlreicher Ausnahmen gar nicht so üppig ausfallen. Bei Bemessungsgrenzen von rund einer Million Euro, werden diese zudem zu veritablen Mittelstandsbelastungen. Es ist für einen Staatshaushalt nicht optimal, Bestand zu besteuern, sondern Erträge. Hier hat Österreich Möglichkeiten, bestehende Ertragssteuern zu optimieren.

Beispielsweise zeigen alle seriösen Berechnungen, dass die bestehenden Grunderwerbs- und Immobilienertragssteuern (die bereits jetzt auch bei Erbe und Verkauf anfallen) höhere Netto-Erträge für den Staat generieren als die Erbschaftssteuer, weil der Verwaltungsaufwand wesentlich geringer ist.

Insofern werden die Vorstellungen der Politik durch Wirtschaftsexperten oft relativiert. So hat eine Berechnung von E&Y und dem deutschen ifo Institut ergeben, dass in Deutschland die Einführung einer Vermögenssteuer von nur 1,0 Prozent zwar 17,4 Milliarden Euro an Mehreinnahmen bringen könnte, allerdings das Aufkommen aus anderen Steuerarten sich um fast 40 Milliarden Euro reduzieren würde.

Das Problem von Erbschafts- und Vermögenssteuern ist, dass zum falschen Zeitpunkt besteuert wird, was zu Ertragsdifferenzen führen kann.

Ein Beispiel ist die Besteuerung aus Aktienerträgen. Besteuert man den Vermögenswert zu einem Stichdatum, kann der Ertrag geringer ausfallen als bei einer Kapitalertragssteuer, die etwa bei Veräußerung von Aktien und Wertpapieren anfällt. Denn diese werden üblicherweise dann verkauft, wenn das Ertragspotenzial am höchsten ist.

Für den Staat ist also immer die Besteuerung des Ertragsfalls vorteilhafter, weil er vom allgemeinen Interesse, einen möglichst großen Mehrwert zu erzielen, mit profitiert. Bei Bestandssteuern wird der Steuerzahler hingegen immer das Interesse verfolgen, sein Vermögen geringer zu bewerten.

Die Mittelschicht muss wieder wachsen

Dass unser Steuersystem einen Umbau benötigt, ist evident. Worauf sich die Parteien in der nächsten Legislaturperiode auch immer einigen, es wird darauf hinauslaufen müssen, die Mitte der Gesellschaft wieder zu vergrößern.

Das verlangt einerseits ein Steuersystem, dass die Mittelschicht entlastet, sodass Leistung, Vollzeitarbeit und Co. sich wieder auszahlen. Andererseits müssen den unteren Einkommensschichten deutlich mehr Angebote und Anreize geboten werden, durch Mehrverdienst in die Mittelschicht vorstoßen zu können.

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Die Mentalität des ewigen Alimentierens und in Abhängigkeit von Sozialtransfers zu halten, ist keine Politik, die die Menschen ermutigt, aufrichtet oder bestärkt. Um das zu erreichen, braucht es aber keine neuen Steuern, sondern einen effizienten Staatsapparat und mehr Angebote zur Leistungs- und Chancengleichheit.

Je mehr Menschen zu den Leistungsträgern zählen, je größer wieder der Kreis der Nettozahlerinnen und -zahler wird, desto nachhaltiger und gesicherter werden auch unsere Staatsfinanzen und somit der Sozialstaat an sich sein.

Nicht die Steuerlast muss steigen, sondern die Anzahl der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.