European New Green Deal : Grüne Abhängigkeiten bedrohen Green New Deal
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Seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 kämpft die europäische Wirtschaft mit den fatalen Folgen einer weltweiten Lockdown-Politik, die uns sehr schmerzlich aufzeigte, wie vernetzt und wie abhängig die Volkswirtschaften der Welt untereinander bereits sind. Der Ausfall von Lieferketten und die Unterbrechung von Produktionsprozessen hatte rückblickend große Auswirkungen auf die Produktivität der Unternehmen. Alteingesessene Globalisierungskritiker fühlten sich alsbald bestätigt und in Politik und Wirtschaft häuften sich die Appelle nach Re-Lokalisierung von strategisch wichtigen Produktionszweigen in Europa.
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Der bereits im Jahr 2019 in den Startlöchern befundene „Green-New-Deal“ der Europäischen Union sollte daher nicht nur den Klimawandel bekämpfen, sondern Europa auch mehr Unabhängigkeit und Souveränität zurückbringen. Das gilt speziell für den Energiesektor, wo die Abhängigkeiten von fossilen Rohstoffen, wie Gas, Kohle und Öl, besonders drastisch spürbar sind und die seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine neben einem moralischen auch ein handfestes strategisches Dilemma ausgelöst haben. Um in Zukunft Europas Energieversorgung unabhängiger zu gestalten, soll der Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem Wind und Photovoltaik, massiv vorangetrieben werden.
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In Österreich soll bereits 2030 die Stromversorgung zu 100 Prozent aus Ökostrom erfolgen. Zusätzlich soll die Mobilitätswende, vor allem der Umstieg auf E-Autos, Abhängigkeiten von fossilen Treibstoffen reduzieren. Energiewende und Mobilitätswende sind dabei zwei Kernaspekte der grünen Transformation der Wirtschaft. Doch leider bedeutet das unter den aktuellen geopolitischen Rahmenbedingungen noch keine Reduktion von Abhängigkeiten. Ganz im Gegenteil: die grüne Transformation erzeugt eine ganze Reihe von noch komplexeren Dependenzen in den Lieferketten und Produktionsprozessen, auf die die europäischen Staaten rasch eine Antwort finden müssen.
China und die kritischen Rohstoffe
In einer Studie zu kritischen Rohstoffen für strategisch wichtige Technologien aus dem Jahr 2020 zeigt die EU die geopolitisch und ökonomisch gefährlichen Abhängigkeiten bei der grünen Transformation der Wirtschaft auf und schlägt entsprechende Maßnahmen vor. Doch bislang liegen diese nur in Form eines Strategiepapiers auf dem Tisch. Die Umsetzung eines strategischen Rohstoff- und Lieferkettenmanagements für die grünen Technologien liegt sehr stark im Wirkungsbereich der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, wenn auch die EU als Gesamtes über die gemeinsame Handelspolitik einen wichtigen Hebel in der Hand hält. Wie die Studie aufzeigt, bestehen gerade für die Bereiche Energie und Mobilität geopolitisch sehr heikle Abhängigkeiten bei Rohstoffen, verarbeiteten Materialien und Bauteilen. Zudem gibt es in der EU viel zu wenige Produktionskapazitäten.
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Auffallend ist besonders die als massiv zu bezeichnende Abhängigkeit von China, das aus heutiger Sicht nicht mehr als zuverlässiger Lieferant angesehen werden kann. Nicht nur gestörte Lieferketten aus dem kommunistischen Land bedrohen die Versorgung der europäischen Wirtschaft, es ist auch der zunehmende politische Antagonismus zum Westen sowie interne wirtschaftliche Instabilitäten, die China zu einem volatilen Partner machen.
Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, wie massiv die europäische Wirtschaft durch eine zu hohe Abhängigkeit von russischem Gas und Öl bedroht ist. Vor allem Österreich, das zu 80 Prozent russisches Gas bezieht, steht vor eine sehr heikle Situation für die heimischen Betriebe. Ebenso heikel könnte sich aber auch die Abhängigkeit von China für die Energiewende und die Mobilitätswende erweisen. Auch hier muss diversifiziert werden.
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Batterien made in China
Bei der E-Mobilität sitzt China am Steuerrad der Wirtschaft. Wie die Studie der EU aufzeigt, besitzen die 27 EU-Mitgliedsländer bei der Herstellung von E-Autobatterien kaum eigene Wertschöpfungsanteile. Bei wichtigen Rohstoffen wie Cobalt, Lithium, Mangan, Graphite und Niobium besteht eine Rohstoffabhängigkeit von China von 32 Prozent. Verarbeiteten Bauteile und Komponenten bezieht die EU zu je 52 Prozent aus dem Reich der Mitte und zu je 31 Prozent aus Japan.
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Der Wertschöpfungsanteil von elektronischen Komponenten und verarbeiteten Materialien liegt in der EU nur bei rund 9 Prozent. In der Herstellung und im Zusammenbau besitzt die EU so gut wie keine Produktionskapazitäten. Batteriezellen werden zu 66 Prozent aus China bezogen, zu 13 Prozent aus den USA und zu 13 Prozent aus anderen Teilen Asiens und der Welt. Da ohne Batterien kein E-Auto herzustellen ist, ist die Abhängigkeit in der Wertschöpfungsketten von China ein deutliches Problem für die europäische Autoindustrie. Eine Diversifizierung der Rohstoffquellen und die Verstärkung der eigenen Wertschöpfungsketten und der Herstellungskapazitäten ist unerlässlich.
Laut Prognosen wird sich der Bedarf von Rohstoffen für die Batterieherstellung bis 2050 jedenfalls verdoppeln. Hohe Abhängigkeiten bestehen auch noch bei einem weiteren wichtigen Bauteil für E-Autos, den E-Motoren. Zwar ist hier Japan mit 62 Prozent ein Hauptlieferant elektronischer Bauteile, jedoch bestehen auch hier gefährliche Rohstoffabhängigkeiten von über 60 Prozent von China.
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Brennstoffzelle mit hohem Wertschöpfungsanteil
Interessant ist ein direkter Vergleich der Wertschöpfungsketten bei E-Autobatterien mit der Brennstoffzelle. Während die Politik die batteriegetriebene Elektromobilität klar bevorzugt, zeigt die EU in ihrer Studie selbst auf, dass die europäischen Wertschöpfungsanteile an der Brennstoffzellentechnologie signifikant höher sind und diese aus rein ökonomischen und geopolitischen Überlegungen her viel stärker forciert werden müsste. Bei Rohstoffen für die Brennstoffzellenherstellung ist China nämlich nur zu 17 Prozent Lieferant.
48 Prozent kommen aus afrikanischen Ländern. Bei der Produktion von verarbeiteten Rohstoffen, wie Carbon, Edelstahl, Polymeren etc. sowie bei der Fertigung von Komponenten und Bauteilen für die Brennstoffzelle beträgt die europäische Wertschöpfung 40 Prozent bzw. 25 Prozent. Die Abhängigkeit von China ist deutlich geringer. Wichtige Bezugsquellen sind bei der Brennstoffzelle ferner die USA und asiatische Länder wie Südkorea und Taiwan. Geopolitisch ist die Brennstoffzelle daher für Europa schon heute eine deutlich verlässlichere Technologie.
China dreht am Rad
Deutlich brisant sind wiederum die Abhängigkeiten von China bei der Windenergie, auf die aktuell auch Klimaministerin Leonore Gewessler so stark setzt. Gerühmt wird immer der hohe Produktionsanteil an Windrädern, der in der europäischen Union bereits besteht. Ganze 58 Prozent der Windräder in Europa stammen aus europäischer Herstellung und nur 23 Prozent aus China. Doch das betrifft nur die Endfertigung.
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In der gesamten Wertschöpfungskette bestehen auch bei Windrädern massive Abhängigkeiten bei Komponenten (56 Prozent), verarbeiteten Rohstoffen (41 Prozent) und Rohstoffen (54 Prozent) von China. Werden die Lieferketten etwa von Kupferdraht oder Cobalt aus China unterbrochen, dann steht die europäische Windrad-Herstellung still.
Die Sonne schickt keine Rechnung, China schon
Am massivsten und geopolitisch am heikelsten ist wohl die Abhängigkeit bei der Sonnenenergie zu bewerten. Über die gesamte Wertschöpfungskette von den Rohstoffen (53 Prozent) bis zu verarbeiteten Materialien (50 Prozent), der Herstellung von Bauteilen und Komponenten (89 Prozent!!!) und der Endfertigung (70 Prozent) ist Europa bei Solar- und Fotovoltaikanlagen auf China angewiesen. Aufgrund des Stellenwerts, den der Fotovoltaikausbau für die Energiewende hat, ist der Aufbau von größeren europäischen Produktionskapazitäten sowie die Diversifizierung in der Wertschöpfungskette wohl mit hoher Dringlichkeit zu bewerten. Die Kosten der europäischen Energiewende sind Chinas Profite. Vor 20 Jahren war Europa in dieser Hinsicht bereits wesentlich besser aufgestellt. Anfang der 2000er Jahre gab es nämlich in Deutschland und Frankreich noch sehr hohe Produktionsniveaus von Fotovoltaikanlagen.
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Doch durch eine falsche Förderpolitik kam es ab den 2010er Jahren zu einem regelrechten Konkursregen und einem Ausverkauf der europäischen Solarindustrie. So wurde etwa Conergy, mit rund 1.500 Mitarbeitern in Hamburg nach einem Insolvenzantrag an Amerikaner und Chinesen verkauft. Die Firma Aleo Solar, einst Teil der Bosch-Gruppe, wurde an Taiwan und Japan verscherbelt und Sovello mit Sitz in Sachsen-Anhalt wurde 2012 insolvent und anschließend in Teilen verkauft. So erging es vielen einstigen Pionieren der europäischen Solarindustrie. Nur wenige Hersteller haben sich bis heute gehalten. Pluspunkt für Österreich: Mit KIOTO Solar und GREENoneTEC sind zwei namhafte Hersteller von Fotovoltaik- und Solaranlagen in Kärnten stationiert.
Flaschenhals der Lieferketten
Während die EU auch für andere strategisch wichtige Technologien, wie die Robotik, Mikroelektronik und Militärtechnik riskante Abhängigkeiten orten, wertet sie jene im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energiespeicherung (darunter fallen Batterien und Brennstoffzellen) als kritisch. In all diesen wirtschaftlichen Zukunftssektoren wird sich der Bedarf an Rohstoffen und Bauteilen in den nächsten 20 bis 30 Jahren mehr als verdoppeln. Werden die Rahmenbedingungen bei den Wertschöpfungs- und Lieferketten nicht verändert, erhöht sich im selben Ausmaß natürlich auch Europas Abhängigkeitsverhältnis zu autoritären Staaten die China und Russland.
Das stellt für den Green-New-Deal der EU eine ökonomische wie geostrategische Bedrohung dar. Die sicherheitspolitische Entwicklung in Asien ist ebenso heikel und unvorhersehbar geworden, wie jene in Osteuropa. Ein Angriff Chinas auf Taiwan hätte vermutlich ultimative Folgen für die europäische Wirtschaft und insbesondere für die Energie- und Mobilitätswende. Ein Ausfall der Lieferketten aus Asien käme einem Ende der erneuerbaren Energien und der E-Mobilität in Europa gleich.
Europäische Wirtschaftsdiplomatie
Die große Abhängigkeit von Ländern wie China und anderen muss als Risiko für die grüne Transformation und für die europäischen Volkswirtschaften als gesamtes angesehen werden. Die größten Wachstumsimpulse sind in den nächsten 20 bis 30 Jahren im Bereich der Green-Tech-Branchen zu erwarten. In ihrer Studie schlägt die EU daher mehrere Maßnahmen vor. Einerseits braucht es eine Intensivierung der Forschung an, um die Abhängigkeit von Rohstoffen zu verringern. Auch der Aufbau von Kreislaufwirtschaften kann die Eigenversorgung in Europa erhöhen. Das wichtigste Handlungsfeld ist aber die Wirtschaftsdiplomatie.
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Es obliegt der EU durch die Handelspolitik die Diversifizierung der Rohstoffquellen sicherzustellen. Weiters braucht es strategische Partnerschaften vor allem mit Ländern in Afrika, die sich als alternative Rohstofflieferanten zu China anbieten. Experten schlagen bereits sehr Jahren die Entwicklung eines kooperativen Wirtschaftsraumes rund um das Mittelmeer vor. Länder in Nordafrika könnten mit europäischen Investments nicht nur zu wesentlichen Energielieferanten werden, sondern bieten sich durch geringere Lohnkosten auch als Produktionsland für verarbeitete Rohstoffe und Vorprodukte an. Der Aufbau von geographisch nahen Produktionsketten ist ein Gebot der Stunde. Die europäische Wirtschaftsdiplomatie ist gefragt.
Rohstoffabbau in Europa
Auch die Eigenversorgung mit Rohstoffen ist eine Alternative. Es gibt signifikante ungenutzte Potenziale bei den kritischen Rohstoffressourcen in Europa. Vor allem in Skandinavien, Portugal, Frankreich, Polen aber auch in Österreich gibt es entsprechende Lagerstätten von Lithium, Nickel, Cobalt Grafit, Mangan und anderen Mineralien, die für die Batterieherstellung relevant sind. Die Erschließung dieser Ressourcen ist aber aufgrund hoher Umweltauflagen in Europa teuer und in der Bevölkerung unbeliebt.
- Die Energie- und Mobilitätswende bringt Europa neue geopolitisch heikle Abhängigkeiten.
- Die 27 EU-Mitgliedsländer besitzen bei der Herstellung von E-Autobatterien kaum eigene Wertschöpfungsanteile.
- Die Brennstoffzellen-Technologie ist geostrategisch für Europa vorteilhafter und bringt mehr Wertschöpfung .
- Die Kosten der europäischen Energiewende sind Chinas Profite.
So abhängig ist Europas Wirtschaft
Quelle: EU-Studie, Critical Raw Materials in Technologies and Sectors, EU 2020