Energiewende in Österreich 2023 : Geht sich die Energiewende aus?
Bis 2030 soll die heimische Stromproduktion zu 100 Prozent auf erneuerbare Quellen umgestellt sein. Dafür ist der Zubau zahlreicher Kraftwerke sowie der Ausbau der Stromnetze nötig. Soweit bekannt. Trotz eines Rekordzuwachs bei Fotovoltaik im vergangenen Jahr, sind noch zu wenige Kraftwerksprojekte in Planung, um den Zubau von 27 TWh bis 2030 sicher zu schaffen. Österreichs Energie, die Interessensvertretung der heimischen E-Wirtschaft, listet den derzeitigen Planungsstand beim Kraftwerksbau auf. Die Mitgliedsunternehmen von Österreichs Energie produzieren derzeit etwa 90 Prozent des heimischen Stroms. Mit Stand Mai 2022 waren lediglich Kraftwerkskapazitäten von einer Terrawattstunde im Bau. Sechs TWh waren konkret in Planung und weitere fünf TWh befinden sich in Konzeption. In Summe entspricht das einem Planungsstand von etwa zwölf Terrawattstunden an Kraftwerkskapazitäten, was weniger als die Hälfte dessen ist, was bis 2030 gebraucht wird.
Lesen Sie auch: Erneuerbare Energien: Trotz Erfolg besteht Handlungsbedarf.
Kritische Stimmen aus der Branche merken zudem an, dass der rasche Zubau von Fotovoltaik auch einem gewissen Projektrückstau geschuldet ist. Es sei keine Selbstverständlichkeit, dass der Zuwachs in den nächsten Jahren so weitergeht. Während Sonnenstromkraftwerke schnell errichtet sind, wenn die Genehmigungen erst einmal erteilt wurden, braucht es bei Windkraftanlagen und speziell für Wasserkraftwerke eine wesentlich längere Bauzeit. Im Durchschnitt vergehen fünf bis acht Jahre von der Planung bis zur Inbetriebnahme eines Kraftwerks in Österreich. Angesichts dessen müssten mit Ende 2022 eigentlich Kraftwerkskapazitäten im Umfang von 27 TWh zumindest in Planung oder Konzeption sein.
Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter von Wirtschaftsnachrichten! Jetzt kostenlos abonnieren!
-
Das Tempo ist gut, müsste aber noch etwas mehr sein.
Vera Immitzer, GF Photovoltaic Austria
Fotovoltaik sucht Flächen
Lichtblick ist derzeit unbestritten der Ausbau der Fotovoltaik. Er geht schnell, hat relativ kurze Genehmigungsverfahren und stellt vergleichsweise geringe Eingriffe in die Natur dar. Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria, spricht von einem PV-Boom, sieht aber trotzdem Nachholbedarf. „Bereits im vergangenen Jahr ist die Nachfrage deutlich gestiegen. Seit die Strompreise aber in die Höhe gestiegen sind, ist die Nachfrage nochmal um einiges mehr angezogen. Wir erleben eine Vervierfachung der Nachfrage österreichweit! Das Tempo ist gut, müsste aber noch etwas mehr sein und vor allem nicht nur ein Strohfeuer“, so Immitzer. Auf Landesebene sieht sie derzeit die größten Baustellen. Es braucht schließlich die Flächen für einen weiteren PV-Ausbau.
Lesen Sie noch: AMAG: Größte Aufdach-Photovoltaikanlage Österreichs.
-
Das Erreichen von Klimaschutzzielen und das Abwenden der Energiekrise wird auf der Ebene der Länder entschieden.
Stefan Moidl, GF IG Windkraft
Laues Lüfterl bei Windkraft
Etwas verhaltener sieht es beim Ausbau der Windkraft aus, wo sich vor allem im Westen die Bundesländer bisher zierten, einen Zubau zu beschleunigen. Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft, sieht derzeit einfach noch viele Hürden beim Ausbau. „Bei guten Rahmenbedingungen ist das Ziel einer Stromversorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 zu schaffen. Nachdem wir aber den Blick auf die Klimaneutralität 2040 richten müssen und uns darüber hinaus auch in einer Energiekrise befinden, wäre ein deutlich stärker Ausbau das Gebot der Stunde“, so Moidl. Bei optimalen Rahmenbedingungen könne die Windbrache 200 Windräder pro Jahr errichten. Das würde den Bedarf bis 2030 sogar überschreiten.
Erfahren Sie mehr über die Windenergie in Österreich: Aktueller Stand, Aussichten und Herausforderungen.
Allein, die „optimalen“ Rahmenbedingungen fehlen noch. Zudem ist die Windbranche stärker von globalen Lieferengpässen betroffen, die sich auf die Preise auswirken. „Die Gesamtsituation hat die Anlagenpreise deutlich um rund 40 Prozent steigen lassen“, berichtet Moidl. Für die Windkraft sei die Änderung des UVP-Gesetzes besonders dringend, verweist auch der IG-Windkraft-Chef auf zu lange Verfahrenszeiten. Er sieht aber die Bundesländer verstärkt in der Pflicht. „Sowohl für die Raumordnung, den Naturschutz als auch für die Energie sind die Länder zuständig.
Lesen Sie mehr: Trägheit in Österreichs Energieversorgung – wo die Windenergie nicht vom Fleck kommt.
Hier bedarf es in allen Bundesländern einer Ausweisung von ausreichend Flächen für die Windkraft. Darüber hinaus muss das Personal der Genehmigungsbehörden aufgestockt werden und auch die Genehmigungsverfahren abseits der UVP deutlich beschleunigt werden. Das Erreichen von Klimaschutzzielen und das Abwenden der Energiekrise wird auf der Ebene der Länder entschieden. Derzeit besteht hier noch ein großer Anpassungsbedarf“, wird Moidl deutlich.
-
Wir brauchen einen integrierten Planungsansatz, sonst bleibt die Energiewende Stichwort und wir bekommen Probleme mit der Versorgungssicherheit.
Michael Strugl, Präsident von Österreichs Energie und CEO bei VERBUND
Es ist Luft nach oben
VERBUND-Chef und Präsident von Österreichs Energie, Michael Strugl, sieht Luft nach oben. „Luft nach oben ist noch vorsichtig ausgedrückt. Es bedarf zusätzlicher Anstrengungen, an der Bereitschaft der Unternehmen zu investieren scheitert es nicht. Was Unternehmen für solch langlebige Investitionen schon in der Planung benötigen, ist Rechtssicherheit und die Garantie kurzer Verfahren“, mahnt Strugl und verweist auf eine Reihe von Vorschlägen für eine Verfahrensbeschleunigung, die aktuell auf dem Tisch liegen, sowie auf eine bessere personelle Ausstattung in den Genehmigungsbehörden. Was den Planungstand beim Kraftwerksausbau anbelangt, appelliert Strugl an die Politik, rasch mehr Möglichkeiten zu schaffen.
„Wir müssen massiv ausbauen. Fotovoltaik und Wind können binnen weniger Monate am Netz sein. Wir brauchen die Politik, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für diese Ausbau-Projekte zu schaffen. Wir brauchen andererseits auch ein Angebot für die Teilhabe an der Energiewende. Wir müssen die Menschen abholen und mitnehmen in die Energiezukunft“, so Strugl. In der Praxis stoßen Kraftwerksprojekte immer wieder auf den Widerstand von Bürgerinitiativen. Von politischer Seite wird wenig getan, um für diese Projekte in der Bevölkerung zu werben.
Strugl sieht jedenfalls eine deutliche Beschleunigung der Genehmigungsverfahren als Hauptgarant für das Erreichen der Ausbauziele bis 2030. „Nur mit einer deutlichen Beschleunigung der Genehmigungsverfahren haben wir eine Chance, die Ziele noch halbwegs zu erreichen. Wenn ein Windkraftprojekt von der Planung bis zur Inbetriebnahme acht Jahre dauert, wird die Energiewende nicht zeitgerecht zu stemmen sein. “Auch das Thema Netz- und Speicherausbau braucht mehr Aufmerksamkeit. Dieser muss parallel zum Kapazitätsausbau erfolgen, sonst entstehen überall im Land Flaschenhälse, durch die der erzeugte Strom nicht abtransportiert werden kann bzw. kommt es überhaupt zu Erzeugungsverlusten. „Wir haben jetzt schon die Situation, dass wir im Winter zu wenig Strom erzeugen und im Sommer mehr als wir verbrauchen.
Um künftig nicht mehr so stark auf fossile Energieträger angewiesen zu sein, muss es uns künftig gelingen, die überschüssige Energie aus dem Sommer in den Winter zu verschieben“, mahnt Strugl auch hier mehr Aktivität ein. Beim VERBUND spiele der Netz- und Speicherausbau bereits eine besondere Rolle. Der Investitionsplan von für den Zeitraum 2022 bis 2024 sieht 3.059 Millionen Euro an Investitionen vor. 831 Millionen Euro fließen dabei in den Ausbau des regulierten österreichischen Hochspannungsnetzes.Auf die Frage, ob im Hintergrund vielleicht mehr Abstimmung zwischen E-Wirtschaft und Politik geschieht, als nach außen wahrgenommen wird, mahnt Strugl abschließend mehr Koordination ein.
Lesen Sie auch: Verbund-Chef Strugl: Grüne Transformation braucht den Kapitalmarkt.
„Es stimmt. Wir brauchen einen integrierten Planungsansatz, sonst bleibt die Energiewende Stichwort und wir bekommen Probleme mit der Versorgungssicherheit. Das fängt aber schon bei einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik an, die fehlt“, bekundet Strugl abschließend.