Wirtschaft Oberösterreich : Wahlergebnis in Oberösterreich: der Einfluss von Industrie und Arbeitslosigkeit

Eine Gruppe Industriearbeiter in Warnwesten und Schutzhelmen bei einer kleinen Versammlung.

In Oberösterreich fallen Jobs weg, die Arbeitslosigkeit steigt hierzulande deutlich stärker als in anderen Bundesländern, während gleichzeitig viele Branchen darüber klagen, dass sie keine Fachkräfte finden.

- © NVB Stocker - stock.adobe.com

Die Ergebnisse der Nationalratswahlen waren für die meisten bestimmt keine große Überraschung. Gerade angesichts bevorstehender Landtagswahlen oder der Wahl zum Bürgermeister in Linz ist eine genauere Betrachtung der Ergebnisse dennoch sehr aufschlussreich.

Für Oberösterreich gilt dies auch deshalb, weil das Bundesland gemeinsam mit Kärnten und der Steiermark quasi zu den drei Swing States in Österreich gehört. Während in der Steiermark die Ergebnisse oft sehr knapp sind und in Kärnten häufig Wechsel eintreten, zeigt sich in Oberösterreich, wo 32 Mandate zu vergeben sind, dass es starke Abweichungen zwischen den Wahlen in Bund und Land gibt.

So lag in den Jahren 2006, 2008 und 2013 die SPÖ bei den Nationalratswahlen auf dem 1. Platz, 2017 und 2019 galt dies für die ÖVP und zuletzt neuerdings für die FPÖ. Allerdings wich die Nummer eins bei den Nationalratswahlen in Oberösterreich häufig von den Machtverhältnissen auf Landesebene ab.

Denn bei den Landtagswahlen hingegen konnte die ÖVP durchgängig ihre Spitzenposition verteidigen. Hervorzuheben ist allerdings beim Vergleich zu den letzten Landtagswahlen, dass damals während der COVID-Pandemie die MFG noch eine Rolle spielte, auf Anhieb in den Landtag einzog und so auch das Kräftespiel bei einer noch durch die Ibiza-Affäre schwächelnden FPÖ beeinflussen konnte.

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Auch auf Gemeinde-Ebene war in Oberösterreich die FPÖ bei den jüngsten Nationalratswahlen in 263 der 438 Gemeinden stimmenstärkste Partei. Die ÖVP holte nun lediglich in 156 Gemeinden den ersten Platz, bei den letzten Nationalratswahlen 2019 waren es noch 412 Gemeinden. Die Sozialdemokraten lag zuletzt in 14 Gemeinden vorne, darunter in der Landeshauptstadt Linz, mit 28,43 Prozent der Stimmen – allerdings dicht gefolgt von der FPÖ, während die ÖVP abgeschlagen auf dem 3. Platz liegt.

Wirtschaft als Grund für Wahlergebnis?

In Oberösterreich, das sich selbst gerne als Industriebundeslandland Nr. 1 tituliert, dürfte das gute Abschneiden der FPÖ nicht bloß daran liegen, dass wie immer die Migrationskarte gespielt wurde oder bei vielen noch Frust über die Corona-Maßnahmen herrschte.

Denn die wirtschaftliche Entwicklung trifft momentan besonders die dortige Industrie, die mit hohen Energiekosten, höheren Löhnen und stets neuen Regulativen konfrontiert ist. Darüber hinaus wird vor allem im exportorientierten Oberösterreich spürbar, dass die deutsche Konjunkturlokomotive mittlerweile ein lahmer Gaul geworden ist.

All dies führt auch dazu, dass sich die Menschen auch ernsthaft Sorgen um den Erhalt der Arbeitsplätze machen – abgesehen vom tatsächlichen Einkommensverlust durch die Inflation der letzten Jahre. Und tatsächlich: In Oberösterreich fallen Jobs weg, die Arbeitslosigkeit steigt hierzulande deutlich stärker als in anderen Bundesländern, während gleichzeitig viele Branchen darüber klagen, dass sie keine Fachkräfte finden.

Deutlich wird dies auch in der Industrie: Haben im ersten Quartal 25 Prozent der Unternehmen einen Rückgang der Beschäftigten gemeldet, stieg der Wert im zweiten Quartal weiter auf 29 Prozent. „Der Personalabbau in der OÖ Industrie setzt sich weiter fort“, so Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ). „Die Senkung der Kosten und die Anpassung der Kapazitäten stehen weiterhin im Vordergrund auf betrieblicher Ebene.“

Schlüsselbranchen der OÖ. Industrie wie der Metall- und Chemiebereich sowie der Maschinen- und Fahrzeugbau liegen laut der letzten Konjunkturumfrage der IV OÖ allesamt beim Geschäftsklima im negativen Bereich, und ein Konjunkturaufschwung ist nicht in Sicht.

  • Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich, bei einer Pressekonferenz sprechend.
    „Die Senkung der Kosten und die Anpassung der Kapazitäten stehen weiterhin im Vordergrund auf betrieblicher Ebene.“

    Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich

Wer hat die Wirtschaftskompetenz?

Auch von dieser Konstellation konnte die FPÖ wohl in Oberösterreich profitieren. Denn das Vertrauen in die Wirtschaftskompetenz der ÖVP ist offenbar erschüttert. Zu oft wurde von Entlastungen gesprochen, während Österreich bei der Inflationsbekämpfung lange Zeit Schlusslicht war.

Und zu oft wurde das Mantra der Entbürokratisierung wiederholt, obwohl die ÖVP auf Bundesebene schon seit Jahrzehnten an den Regierungen beteiligt ist und dies längst umsetzen konnte. Dass erst kurz nach der Nationalratswahl bekannt wurde, dass das Defizit deutlich höher ausfallen wird als noch vom scheidenden Finanzminister prognostiziert, ist für viele wohl nur eine Bestätigung dieses fatalen Gesamtbildes.

Allerdings war bei diesem Thema auch die SPÖ keine wirkliche Alternative, zumal den Wählern klar war, dass eine Vermögenssteuer oder Erbschaftssteuer aufgrund der Machtverhältnisse im Land wohl eine Utopie bleiben werden – abgesehen davon, dass neue Steuern auch keine besonders populäre Forderung sind.

So konnte die FPÖ nicht nur im ländlichen Raum Zugewinne verbuchen, sondern auch in den industriell geprägten Regionen des Landes. Das wirtschaftlich wichtige Städtedreieck Linz-Wels-Steyr ist hier beispielhaft. In Linz und Steyr liegt nun die FPÖ knapp hinter der SPÖ auf Platz zwei, während sich in Wels die FPÖ mittlerweile klar an die Spitze setzen konnte.

Mit dem blauen Bürgermeister Andreas Rabl gelang es offenbar, die Position auf Platz eins nun auch bei der Nationalratswahl zu zementieren. Und genau hier zeigt sich auch, dass das Thema der Migration wohl nicht unbedingt jenes gewesen sein muss, dass die FPÖ-Wähler mobilisiert hat.

Darüber hinaus fuhr das Land Oberösterreich unter Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer auch einen klaren und strikten Kurs bei Fragen der Migration – anders als etwa in Wien. In Linz, Wels und Steyr hat dies offenbar wenig bewegt, wobei in der Landeshauptstadt sogar die FPÖ gute Chancen hat, den nächsten Bürgermeister zu stellen.

Abgesehen vom enttäuschenden Abgang von Klaus Luger ist es auch längst nicht mehr die SPÖ, welche mehrheitlich die Stimmen der Arbeiterschaft gewinnt, sondern die FPÖ. Und für die ÖVP in Oberösterreich ist es durchaus alarmierend, dass sie in den drei Statutarstädten noch einmal große Verluste hinnehmen musste.

Aber auch in Steyr Land liegt sie nunmehr hinter der FPÖ auf Platz zwei, was in dieser traditionell von der automotiven Industrie geprägten Region wohl auch wirtschaftliche Gründe hat. Denn hier standen zuletzt ebenfalls Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Reformwille gefragt

Abgesehen davon, dass es offenbar immer noch an einer Strategie fehlt, wie man urbane Wähler für sich gewinnen kann, dürfte es auch die wirtschaftliche Entwicklung gewesen sein, die der ÖVP bei der Nationalratswahl in Oberösterreich weitere Stimmen kostete.

Und es wird wohl nicht ausreichen, die nächsten Jahre, welche die ÖVP mit großer Sicherheit in Regierungsverantwortung verbringen wird, damit auszufüllen, weiter bloß Entbürokratisierung zu fordern und gönnerhaft das eine oder andere Hilfspaket zu schnüren, sich aber gegen Reformen zu stellen, die auch für die Wirtschaft von struktureller und langfristiger Natur wären.