Übertourismus : Overtourism: Wenn der Urlaub zu viel wird
Mit dem Ende der Covid-Pandemie hat der Tourismus diesen Sommer weltweit voll eingesetzt. Und es mehrten sich heuer auch die Zeichen, dass in manchen Regionen die Kapazitäten erschöpft sind. Overtourism – oder auch Übertourismus.
Einige Destinationen haben deshalb Eintrittsgebühren oder spezielle Touristensteuern eingeführt, um die Anzahl der Besucher zu kontrollieren und gleichzeitig Einnahmen zur Erhaltung der Infrastruktur zu generieren.
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Venedig als Vorreiter
So wird in Venedig aktuell versucht, über Eintrittsgelder die Touristenströme zu managen. Nach Abschluss des Versuchs mit einer Gebühr für Tagesbesucher plant Venedig weiterhin Eintritt zu verlangen.
Allerdings wird es nicht mehr bei 5 Euro bleiben. Ab dem nächsten Jahr sollen bis zu 10 Euro fällig werden, wenn die Lagunenstadt an der italienischen Adria besonders stark frequentiert ist.
Auch Machu Picchu in Peru setzt auf Einschränkungen in Zeiten hoher touristischer Frequenz: Die antike Inkastadt zieht Touristen aus der ganzen Welt an. Die hohe Besucherzahl bedroht jedoch die Erhaltung der archäologischen Stätte und das umliegende Ökosystem. Um diese zu schützen, wurden bereits Maßnahmen wie tägliche Besucherlimits eingeführt.
Die Handtuchbewegung
Neben dem Erhalt des kulturellen Erbes und ökologischer Diversität geht es auch um die Frage von Ressourcen für die Einheimischen. So formierte sich in Griechenland schon im Vorjahr Widerstand gegen eine privilegierte Nutzung der Strände durch ausländische Badegäste.
Die sogenannte „Handtuchbewegung“ trat an, um den gesetzlich garantierten Zugang zu den Stränden auch für Personen ohne Bezahlung einzufordern. Seither wird rigoroser gegen Tavernen vorgegangen, welche die Badeplätze für die Einheimischen blockieren.
Das Problem der Kurzzeitvermietung
Eine für die Bewohner von touristischen Orten noch wertvollere Ressource als das Badetuch am Strand ist der Wohnraum. So sind durch die Kurzzeitvermietung an Touristen beispielsweise in Barcelona in den vergangenen zehn Jahren die Mieten um 68 Prozent und die Kosten für den Hauskauf um 38 Prozent gestiegen.
Mit Spritzpistolen „bewaffnete“ Aktivisten haben daher sehr medienwirksam den Touristen in ihrer Stadt aufgelauert. Barcelona plant nun im Kampf gegen Wohnraummangel und hohe Mieten ein Verbot der Vermietung von Ferienwohnungen an Touristen. Bürgermeister Jaume Collboni kündigte an, dass die Lizenzen der derzeit rund 10.000 für Kurzzeitvermietungen genehmigten Wohnungen bis November 2028 aufgehoben werden sollen.
Auch in Wien gelten bezüglich der Kurzzeitvermietung seit Juli dieses Jahres strengere Regeln: Ab diesem Zeitpunkt benötigen die Vermieter eine Sondergenehmigung, wenn sie eine Wiener Wohnung für mehr als 90 Tage im Jahr an Touristen vermieten möchten.
Der Unmut der Vermieter ist groß, und sie verweisen darauf, dass aktuell in der Wiener Innenstadt dort neue Hotelprojekte verwirklicht werden, wo ebenfalls Wohnraum für die Wiener Bevölkerung geschaffen werden könnte. Beispielhaft führen sie etwa das Hotel Gilbert ins Treffen, das kürzlich im ehemaligen Gebäude der Wirtschaftskammer Landstraße entstanden ist.
Positiven Tourismus stärken
Die Förderung eines verantwortungsvollen Tourismus, der die Kultur und Umwelt respektiert, ist entscheidend, um die negativen Auswirkungen zu minimieren. Einen motivatorischen Ansatz dieser Art beim Management der Touristenströme testet gerade Kopenhagen. Dabei ist nachhaltiger Tourismus das Ziel. Denn die dänische Hauptstadt möchte künftig als Vorbild für umweltfreundliche Städtereisen dienen.
Mit der Initiative "CopenPay" sollen Besucher durch Belohnungen in Bars, Museen und anderen städtischen Attraktionen motiviert werden, umweltfreundliche Verhaltensweisen zu fördern. So erhalten sie Belohnungen, wenn sie beispielsweise das Fahrrad oder die Metro nutzen oder Abfall in Parks, an Stränden oder Gewässern aufsammeln. Kopenhagen setzt mit diesem Ansatz auf ein zukunftsweisendes Modell für nachhaltigen Tourismus.
Hinter der Initiative steht die Tourismusorganisation Wonderful Copenhagen, die damit andere Städte weltweit inspirieren möchte. Es wird betont, dass es ein wichtiger Schritt ist, die Art und Weise zu verändern, wie man sich am Reiseziel bewegt, was man konsumiert und wie man mit den Einheimischen interagiert.
Wo gibt es Alternativen?
Ein weiterer Weg, den die betroffenen Regionen oder Orte natürlich nicht wählen können, liegt in der Förderung alternativer Reiseziele: Um die Belastung der bekanntesten Hotspots zu verringern, können weniger bekannte, aber ebenso interessante Reiseziele gefördert werden.
Dies hilft, den Tourismus besser zu verteilen und gleichzeitig neue Regionen wirtschaftlich zu stärken. So bietet sich als Alternative zu den überfüllten Adriastränden beispielsweise die Ostsee in Polen oder im Baltikum an, und generell gibt es in zahlreichen osteuropäischen Destinationen eine Fülle an Sehenswürdigkeiten, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.
Es wird wohl der Klimawandel sein, der eine solche Entwicklung künftig fördert, weil viele Touristen die allzu hohen Temperaturen meiden werden und an den bisherigen Destinationen im Mittelmeerraum auch Wasser zunehmend ein knappes Gut sein wird.
Eine wichtige Rolle spielen bei dieser Art der Lenkung auch die sozialen Medien, wo Influencer darauf einwirken können, ob gewisse Destinationen gerade im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Darüber hinaus können digitale Plattformen und Apps helfen, den Tourismus noch besser zu verwalten. Echtzeitdaten über Besucherzahlen lassen sich etwa nutzen, um Touristenströme zu lenken und überfüllte Bereiche zu vermeiden.
Overtourism messbar machen
Die exakte Bestimmung für diverse Rankings ist nicht so einfach.
Um in einem Land, einer Region oder Stadt von Overtourism zu sprechen, genügt nicht bloß der Blick auf die Besucherzahlen. Angesichts dessen, wäre Frankreich in dieser Hinsicht führend, gefolgt von Spanien, wo es zuletzt zu aufsehenerregenden Protesten gegen den Massentourismus kam. Viele Einheimische sind dort verärgert über die steigenden Wohnkosten, die Umweltbelastung, den zunehmenden Verkehr und die allgemeine Überfüllung durch die wachsende Zahl an Besuchern. Zudem sorgen Probleme wie Wasserknappheit sowie die Überlastung des Gesundheitssystems und der Müllabfuhr für Unmut.
Betrachtet man aber die Anzahl der Besucher im Verhältnis zur Einwohnerzahl, erklimmt in der Liste der beliebtesten Touristenländer der Welt nun Österreich mit jährlich 30,9 Millionen Gästen bei 9,2 Millionen Einwohnen den ersten Platz. Bei den Städten Europas wäre es demnach Dubrovnik mit 27 Touristen pro Kopf, gefolgt von Rhodos (26) und Venedig (21). Allerdings ist diese Zählweise kritisch zu betrachten.
Denn viele touristische Destinationen haben bereits seit Jahrzehnten ihre Infrastruktur auf die Besucher ausgerichtet und können mit den Touristenströmen sehr gut umgehen. Andere tun sich dabei nicht so leicht. Wenn es beispielsweise um die Müllabfuhr geht, dann müssten in Süditalien die Einheimischen sogar auswandern.
Zudem sagt das bloße Verhältnis zwischen Touristen und Einwohnern immer weniger aus, je größer die betrachtete Region oder Stadt ist, weil dort Hotspots zu finden sind, wo die Besucherströme kumulieren. In Wien oder Prag leidet die Bevölkerung in den Randbezirken sicherlich nicht so stark unter den Touristen, während die Einheimischen in den Innenstädten durchaus in ihrer Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt werden können.
Beim Tourismusbelastungsindex wird daher das Verhältnis der tatsächlichen Anzahl der Besucher in der Destination zur tragfähigen Kapazität der Destination gemessen. Die tragfähige Kapazität beschreibt die maximale Besucherzahl, die eine Destination verkraften kann, ohne die natürlichen Ressourcen, die kulturelle Identität oder die Lebensqualität der Einheimischen zu beeinträchtigen. Zur Berechnung des Tourismusbelastungsindexes werden die täglichen oder saisonalen Besucherzahlen mit dieser Kapazität verglichen und in Prozent umgerechnet.