Energieversorger Österreich : Fehlender Wettbewerb auf heimischem Energiemarkt

Natalie Harsdorf (BWB) und Wolfgang
Urbantschitsch (E-Control) beim
Pressegespräch
© E-Control

Im Krisenjahr 2022 kam der Wettbewerb am Endkundenmarkt für Strom und Gas in Österreich weitgehend zum Erliegen. Infolgedessen wurde im Jänner 2023 von der E-Control und der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eine Taskforce zur Untersuchung der Situation auf den heimischen Strom- und Gasmärkten eingerichtet. Der erste Zwischenbericht dieser Taskforce hat unter anderem bereits gezeigt, dass sich Anbieter aus dem Markt zurückgezogen oder nur noch in ihren lokalen Versorgungsgebieten Belieferung angeboten hatten. Die Preissituation war für die Konsumenten sehr herausfordernd. Neukundenangebote waren zudem in großen Teilen Österreichs nur zu hohen Preisen verfügbar, und es wurde eine starke Differenzierung zwischen verschiedenen Kundengruppen festgestellt. Der erste Zwischenbericht mit Ergebnissen der Taskforce wurde im Juni 2023 veröffentlicht. Inzwischen sei einiges passiert, wie Natalie Harsdorf, Generaldirektorin der BWB beim Pressegespräch betont. Nun liegen nämlich weitere Ergebnisse vor, unter anderem zu den Beschaffungsstrategien und Preisen, den Auswirkungen des Stromkostenzuschusses, zum Angebots- und Wechselverhalten der Konsument:innen sowie zur Entwicklung bei der Marktkonzentration. Und diese haben es teilweise in sich. "Anhand der Untersuchung zeigt sich, dass – ausgehend vom Großhandelsmarkt – eine gewisse Entspannung der Preise beobachtet werden kann. Für Konsumenten waren langsam wieder kompetitive Neukundenangebote am Markt verfügbar. Es war auch zu erwarten, dass Bestandskundentarife wieder im Preis gesenkt werden. Letzteres ist aber kein Selbstläufer, sondern hängt maßgeblich von einem funktionierenden Wettbewerb ab.“, so Harsdorf. Und sie betont ganz klar: „Auch wenn sich in manchen Bereichen am Energiemarkt einiges getan hat, zeigt der zweite Zwischenbericht der Taskforce, dass die Nachwirkungen der Krise immer noch deutlich zu spüren sind.“

Fehlender Wettbewerb

„Die Marktkonzentration in den einzelnen Netzgebieten, sowohl bei Strom als auch bei Gas, ist weiterhin als sehr hoch einzustufen. Bei Erdgas erreichen die Landesenergieversorger (LEV) und größten Stadtwerke in ihren Netzen eine ähnlich starke Marktstellung wie bei Strom.“, analysiert Harsdorf weiters. Ein effektiver und funktionierender Wettbewerbsprozess um Endkunden sollte letztlich dazu führen, dass sich Preise sowohl für Neu- als auch Bestandskund:innen den Preisniveaus am Großhandelsmarkt für Strom und Gas annähern. In Österreich finde dieser aber nicht wirklich statt. „Während die Großhandelspreise seit knapp 1,5 Jahren zurückgehen, zeigt die Erhebung der Taskforce bei großen Energieunternehmen, die rund 75 Prozent des Marktes in Österreich ausmachen, dass die Preisentwicklung bei den Endkunden in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten verläuft. Dies gilt für Haushalte, aber auch kleinere Unternehmen.“, kritisiert der Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control, Wolfgang Urbantschitsch. Zwischen den Unternehmen gäbe es große Unterschiede und es zeige sich ein Ost-West-Gefälle bei der Preisentwicklung. Es gäbe enorme Preisunterschiede teilweise sogar zwischen Produkten des selben Unternehmens. Extreme Preise – etwa von über 90 Cent/kWh, oder derzeit noch bei 60 Cent/kWh – deuten auf Wettbewerbsprobleme hin, wie Urbantschitsch betont. "Derartige Preise sind auf Basis von Einkaufsstrategien für die Taskforce kaum oder schlicht nicht nachvollziehbar, da sie im Extrem bei über 300 Prozent der aktuell teuersten, aber noch plausiblen Einkaufstrategien liegt. Gegenüber der billigsten Strategie liegt sie gar bei fast dem Zehnfachen. Dies betraf mit Jänner 2024 mehrere tausend Zählpunkte von Haushalten bzw. Kleinunternehmen.“, erläutert Urbantschitsch ein Ergebnis der Taskforce.

Derartige Preise sind auf Basis von Einkaufsstrategien für die Taskforce kaum oder schlicht nicht nachvollziehbar
Wolfgang Urbantschitsch, E-Control

Stromkostenzuschuss wirft Fragen auf

Im Zusammenhang mit dem Stromkostenzuschuss beleuchtet die Taskforce auchdie Vorgehensweise bei außergerichtlichen Vergleichen hinsichtlich Preiserhöhungen und Tarifumstellungen. Verbraucherschutzorganisationen einigten sich zuletzt mit mehreren Energieunternehmen auf Ausgleichszahlungen für Konsument:innen. „Dies ist einerseits hinsichtlich des Zwecks zwar zu begrüßen, andererseits wurde der Stromkostenzuschuss in den Vergleichen meist nicht einbezogen. Dies führt potenziell dazu, dass die Preiserhöhungen der Unternehmen nicht zurückgenommen wurden und der Stromkostenzuschuss weiter ausbezahlt werden musste.“, so Urbantschitsch.

Neue Gesetzeslage

Auch auf der Diskussionsgrundlage der Feststellungen der BWB und der E-Control zum eingeschränkten Wettbewerb bei Strom und Gas wurde kürzlich ein Gesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden Energieversorgern beschlossen [2]. Auch wenn es letztlich ein eigenes Gesetz geworden ist, geht es um eine Nachschärfung im Kartellrecht.

„Dieses Gesetz gilt temporär für Verfahren, die bis Ende 2027 vor dem Kartellgericht eingeleitet werden. Es müssen relativ rasch Prüfungsschritte gesetzt werden. Aus unserer Sicht sollte eine Verlängerung dieser zeitlichen Befristung zeitgerecht angedacht werden, damit nachhaltig Missstände hintangehalten werden können.“, so Harsdorf. Darüber hinausgehende Nachschärfungen, wie etwa betreffend das Instrument der Branchenuntersuchung, sind noch offen.

Markt für Fernwärme wird geprüft

Die Bundeswettbewerbsbehörde startet zudem eine Branchenuntersuchung für Fernwärme in Österreich. Branchenuntersuchungen können von der BWB eingeleitet werden, wenn Umstände darauf hinweisen, dass es zu Wettbewerbseinschränkungen oder -verfälschungen in einem betreffenden Wirtschaftszweig kommt.

Rund ein Drittel der Haushalte in Österreich werden mit Nah- oder Fernwärme versorgt und ein weiterer Ausbau der Netze ist auch für die Zukunft geplant. Die Bedeutung des Fernwärmesektors nimmt nicht zuletzt im Rahmen der Energiewende zu. Fernwärmenetze sind regional bzw. lokal begrenzt und den angeschlossenen Kund:innen stehen Alternativen entweder nur eingeschränkt oder gar nicht zur Verfügung. Den Fernwärmeversorgern kommt damit regional jeweils eine besondere Marktstellung zu.

Diese Überlegungen haben schlussendlich auch den Gesetzgeber dazu bewogen, im Juni 2024 das Bundesgesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden Energieversorgern zu erlassen, mit dem eine kartellrechtliche Nachschärfung vorgenommen wurde. Ergebnisse einer Brancheuntersuchung können regelmäßig auch Hinweise zur Einleitung konkreter Verfahren geben.

Bei der Untersuchung der BWB werden vorrangig jene Fernwärmemärkte bzw. Netzgebiete beleuchtet, auf denen die großen Landesenergieversorger wie Wien Energie, Energie Steiermark, KELAG, Salzburg AG, Energie AG, EVN etc. aktiv sind. Die Untersuchung wird sich hierbei nicht nur auf strukturelle Faktoren (Anbieterkonzentration, Eintrittsbarrieren, Kostenstruktur etc.) beschränken, sondern auch eine detaillierte Analyse der Marktergebnisse wie Verkaufspreise, Erlöse und Beschaffungskosten umfassen. Auch sollen Geschäftsbedingungen und -praktiken in den Fokus genommen werden, die sich potenziell nachteilig auf Verbraucher:innen auswirken.

„Wir erhalten regelmäßig Beschwerden insbesondere von Verbraucher:innen, welche den Fernwärmemarkt betreffen. Mehr als 1 Million österreichischer Haushalte werden mit Fernwärme versorgt. Die Fernwärmeerzeugung unterliegt einem Wachstumstrend. Aufgrund der besonderen Marktstruktur ist eine Überprüfung der Wettbewerbsbedingungen und des Missbrauchspotentials von hoher Priorität.“ erklärt Natalie Harsdorf.

Wir erhalten regelmäßig Beschwerden insbesondere von Verbraucher, welche den Fernwärmemarkt betreffen
Natalie Harsdorf., BWB